Als Enno Lenze einen Überfall in der Berliner Notrufzentrale meldete, wurde die Dringlichkeit nicht erkannt.
Im Fall eines von Hütchenspielern attackierten Berliner Geschäftsmanns hat die Polizei jetzt Versäumnisse eingeräumt. In der Nachbetrachtung wäre ein Eileinsatz der Polizei erforderlich gewesen, um die Personalien der Täter festzustellen, sagte Sprecher Thomas Neuendorf am Donnerstag Morgenpost Online.
Wie berichtet, war Enno Lenze, Geschäftsführer des Berlin Story Verlags und Mitglied der Piraten-Partei, am vergangenen Sonntag in eine Auseinandersetzung mit mehreren mutmaßlichen Betrügern geraten. Er traf auf die Gruppe von sogenannten Hütchenspielern an der Straße Unter den Linden, als er auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war.
Als er einer österreicherischen Touristin, die ihn auf die Männer angesprochen hatte, sagte, dass das Spiel in Deutschland verboten sei, waren die kriminellen Hütchenspieler auf ihn losgegangen. Sie sollen ihn umringt, beschimpft, geschubst und in den Magen geschlagen haben. Lenze rief daraufhin die Polizei. Gegenüber Morgenpost Online kritisierte er später, dass sich der Beamte der Notrufzentrale in dem Gespräch nicht korrekt verhalten hätte. Er habe ihm unter anderem gesagt, dass alle Kräfte im Einsatz seien und er noch mal anrufen solle, wenn die geflüchteten Täter wieder auftauchen sollten.
Zwar wollte die Polizei den genauen Wortlaut des Telefongesprächs am Donnerstag nicht bekanntgeben. Sie räumte aber ein, dass der Kollege in der Notrufzentrale den Fall offenbar nicht als „gegenwärtige Tat“ eingeordnet habe. Eine solche Tat liege vor, wenn jemand in Gefahr ist und die Täter flüchtig sind. Die Polizei fährt in diesen Fällen mit Sonderrechten und Blaulicht zum Tatort.
Gerade wegen der von den Hütchenspielern begangenen Körperverletzung hätte der Notruf von Lenze also als „gegenwärtige Tat“ angesehen werden müssen. Wären die Beamten schneller vor Ort gewesen, hätten sie die Täter verfolgen und vielleicht stellen können. Die Eilbedürftigkeit sei jedoch nicht angeordnet worden. „Es ist sehr bedauerlich, dass die Situation nicht richtig eingeschätzt wurde“, sagte Neuendorf. „Wir nehmen den Vorgang als Anlass, noch mal mit den Kollegen zu sprechen und uns zu verbessern.“ In der Regel würden die Beamten in der Notrufzentrale aber richtig reagieren. Es handele sich um einen Ausnahmefall.
In den letzten Wochen wurde die Polizei immer wieder zu Hütchenspieler-Einsätzen gerufen. Erst am 14. Juli 2012 hatte ein südkoreanischer Tourist angezeigt, in Charlottenburg von mehreren Hütchenspielern beraubt worden zu sein. Der 22-Jährige war gegen 17 Uhr am Kurfürstendamm unterwegs, als er auf die Spielergruppe aufmerksam wurde. Er sei von ihnen angelockt worden, sagte er später den Beamten. Nachdem sich der 22-Jährige das Spiel eine Weile aus der Nähe angeschaut hatte, hätten ihn die Unbekannten aufgefordert, sein Portemonnaie zu zeigen. Er kam der Aufforderung nach und holte seine Geldbörse hervor. Plötzlich hätten ihn die Männer dann umzingelt, am Handgelenk festgehalten, das Bargeld aus dem Portemonnaie geholt und an sich genommen. Anschließend seien die Täter geflüchtet. Die Ermittlungen in diesem Fall dauern noch an.
Einen Tag zuvor hatte die Polizei am Kurfürstendamm einen Erfolg im Kampf gegen Hütchenspieler verbucht und elf mutmaßliche Betrüger im Alter zwischen 25 und 54 Jahren vorübergehend festgenommen. Die Beamten beschlagnahmten mehrere hundert Euro, die die Männer und Frauen mutmaßlich ergaunert hatten, stellten Strafansteigen wegen Betrugs und erließen Platzverweise.