Vandalismus befürchtet

Autonome vertreiben Guggenheim aus Kreuzberg

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J. Fahrun und S. Flatau

Foto: courtesy Atelier Bow-Wow

Das BMW Guggenheim Lab wird nicht in Berlin-Kreuzberg gastieren. Nach Anwohnerprotesten und Gewaltandrohung entschlossen sich die Organisatoren, den temporären Bau nicht auf der Brachfläche zwischen Cuvry- und Schlesischer Straße aufzustellen. Sicherheitsbehörden befürchteten Vandalismus.

Was im New Yorker East Village geht, scheint in Kreuzberg nicht möglich zu sein. Das internationale Projekt BMW Guggenheim Lab scheitert am Protest von Anwohnern. Die Veranstalter haben den Plan aufgegeben, ihr als Denkfabrik zur Zukunft der Städte angelegtes Vorhaben auf der Brachfläche an der Cuvrystraße zwischen Schlesischer Straße und Spreeufer zu realisieren. Es geht um einen temporären Bau, der für gut zwei Monate aufgestellt wird und dann ins indische Mumbai weiterzieht.

Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) bestätigte, dass das Projekt am geplanten Ort gescheitert ist. „Es muss Ende der vergangene Woche eine geänderte Sicherheitseinschätzung durch das LKA gegeben haben“, sagte Schulz am Montag. Die Sicherheitsbehörden befürchten Vandalismus und Attacken auf den Mobilbau.

Nicht ohne Grund: Schon in den vergangenen Jahren hatten mutmaßlich Mitglieder der linken Szene teure Wohnprojekte in Kreuzberg wie am Engelbecken oder an der Reichenberger Straße mit Steinen und Farbbeuteln angegriffen. Auch gegen Großvorhaben gibt es im Bezirk immer wieder massiven Protest. So sprach sich in einem Bürgerentscheid eine Mehrheit gegen das „Mediaspree“-Großprojekt aus, ein millionenschweres Vorhaben, Hochhäuser an der Spree zu bauen.

Bei einem Nachbarschaftstreffen der Lab-Koordinatoren Anfang März hatten Kritiker ihrem Ärger lautstark Luft gemacht. Viele sehen das BMW Guggenheim Projekt als weiteren Beitrag, um den einst alternativen Stadtteil aufzuwerten und die Bewohner zu verdrängen. Bei der Anwohnerversammlung waren harte Worte gefallen. Warum man denn nur zur Kenntnis nehmen dürfe, was längst geplant und beschlossen sei, fragte ein Kritiker. Mit dem Projekt werde ein Beitrag zur Aufwertung des Kiezes geleistet. Man sei erstaunt, wie schlecht der Präsentator auf die erwartbaren Einwände von Anwohnern vorbereitet gewesen sei, sagte eine Kritikerin. „Ich glaube ihm sogar, dass er nett sein wollte. Aber er hat nicht verstanden, was die Leute so aufregt.“

„Ihr dürft Eure Vorschläge einbringen“, warb der Präsentator des Vorhabens, der seit Jahren im Kiez wohnt und dort als Kulturmanager tätig ist. Als Vorsitzender eines Kunstvereins an der Cuvrystraße realisierte er in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte in Berlin.

Bezirksbürgermeister Schulz sagte am Montag, das Labor hätte auch für Kreuzberger Initiativen die Möglichkeit geboten, wichtige stadtpolitische Themen gemeinsam mit den Initiatoren des Kunstprojektes zu diskutieren. Viele Initiativen hätten sich bereit erklärt, mitzumachen. „Ich bedauere, dass diese Chance vertan ist“, sagte Schulz.

Berlin soll nach New York die zweite Station des BMW Guggenheim Labs sein. „New York hat uns willkommen geheißen“, sagte ein Mitarbeiter des Labs. „Mumbai freut sich auf uns. Und Berlin?“ In Kreuzberg war die Eröffnung des Labs am 23. Mai geplant. Es sollte ein Ort sein, an dem sich Fachleute, Anwohner und Interessierte treffen, diskutieren und Projekte entwickeln. Das Thema des Labors in allen drei Städten heißt „Confronting Comfort“ – es geht um die Bedeutung des Komforts. Das Labor werde „eine Kombination aus Ideenschmiede, öffentlichem Forum und innovativem Forschungslabor“, so ein BMW-Sprecher.

Zunächst war das Pfefferwerk-Gelände in Prenzlauer Berg als Standort vorgesehen. Doch im Januar 2012 entschieden sich die Organisatoren für die Brache in Kreuzberg, weil es dort weniger etabliert zugehe. Sie geraten jetzt in Zeitnot, ein neuer Standort in Berlin muss erst noch gefunden werden. Für den 9. Dezember ist die Lab-Eröffnung in der indischen Stadt Mumbai geplant.

Das in Kreuzberg ausgesuchte Grundstück erregt seit Jahren die Gemüter. Die Senatsverwaltung zog die Planung für das Grundstück Anfang der 90er-Jahre an sich, geschehen ist seither nichts. Dort residierte nach dem Fall der Mauer der inzwischen legendäre „Yaam-Klub“. 1998 musste er weichen, weil dort angeblich eine große Investition bevorstehe. Derzeit gibt es einen Konflikt um die Nutzung. Der Bezirk verhandelt mit einem Investor über Wohnungsbau, der auch eine Promenade am Spreeufer vorsieht. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wolle dort immer noch Gewerbe ansiedeln, sagte die Kreuzberger Grünen-Abgeordnete Antje Kapek. Sie wohnt im Wrangel-Kiez und sagte, es rege sich auch kaum jemand über das Lab-Projekt auf. Eine Aktivistin berichtete jedoch, in den vergangenen Tagen hätten sich Gruppen vernetzt, um den Protest gegen das Lab zu artikulieren. Die Stimmung unter vielen alteingesessenen Kreuzbergern sei aufgeheizt.