Ein-Euro-Jobber schützen vorerst nicht mehr die Zugänge des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Berlin-Neukölln vor schulfremden Störern. Das Jobcenter verbot diese Arbeit. Bis es eine Alternative gibt, hat man sich für eine andere Lösung entschieden.

Der Schulalltag für die Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums ist seit Dienstag wieder unsicherer. Das Jobcenter hat die gerade erst zum Schutz des Neuköllner Gymnasiums eingesetzte Schulstreife überraschend gestoppt und gemeinsam mit dem Bezirk eilig eine Pressekonferenz einberufen. Die Tätigkeit der Schulstreife sei in diesem Falle nicht mit dem Jobcenter abgestimmt worden, betonte Klaus-Peter Hansen, Leiter des Jobcenters Berlin. Teilnehmer der Qualifizierungsmaßnahme des Jobcenters dürften keine Wachschutzaufgaben übernehmen, so Hansen. Deshalb seien die acht Ein-Euro-Jobbber zunächst wieder wie zuvor vor Grundschulen und Kitas eingesetzt, um die Kinder dort auf dem Schulweg zu begleiten.

Vom Gesetzgeber ist geregelt, in welchen Bereichen Ein-Euro-Jobber eingesetzt werden dürfen. Demnach müssen die Tätigkeiten drei Grundvoraussetzungen erfüllen. Sie müssen im öffentlichen Interesse sein, sie müssen zusätzlich sein und sie dürfen den Wettbewerb nicht negativ beeinflussen. Gerade der Wettbewerb mit anderen Sicherheitsdiensten könnte aber durch den Einsatz der Mae-Kräfte zur Gebäudesicherung gefährdet sein, so Hansen. Mae steht für Mehraufwandentschädigung. Langzeitarbeitslose sollen durch diese Maßnahmen wieder fit gemacht werden für den ersten Arbeitsmarkt. Dafür erhalten sie eine Aufwandsentschädigung von 1,50 Euro pro Stunde.

Bezirksstadträtin Franziska Giffey (SPD) und der Träger der Schulstreife Antares gGmbH hätten beim Einsatz der Schulstreife vor dem Gymnasium im Alleingang entschieden. Das hätte nicht passieren dürfen, so Hansen vom Jobcenter Neukölln.

"Schulstreife war nur Notlösung"

Neuköllns Bildungsstadträtin Franziska Giffey verteidigte am Dienstag ihr beherztes Vorgehen. Wir haben von Anfang an betont, dass die Schulstreife nicht den Wachschutz ersetzen kann“, sagte sie. Die Maßnahme sei lediglich als vorübergehende Notlösung gedacht gewesen, nachdem in der vergangenen Woche zwei Drogenjunkies in die Schule eingedrungen waren. Die Bildungsstadträtin erklärte, dass nach ihrer Einschätzung der Wettbewerb durch die Maßnahme nicht negativ beeinflusst wäre. Schließlich hätten die Mae-Kräfte hier im Rahmen der Schulwegsicherung agieren können. Deshalb habe sie den Einsatz nicht mit dem Leiter des Jobcenters abgestimmt.

Das Bezirksamt habe am Dienstag beschlossen, dass der professionelle Wachschutz für Schulen in Neukölln zum kommenden Jahr erneut ausgeschrieben werden soll, wenn die vom Senat in Aussicht gestellt Nachzahlung von 50 Millionen Euro für die Bezirkshaushalte tatsächlich kommt, so Giffey. Dem müsse die Bezirksverordnetenversammlung noch zustimmen.

Vor vier Jahren war der Wachschutz an einigen Neuköllner Schulen eingeführt worden, nachdem es immer wieder zu Störungen und Gewaltvorfällen von Schulfremden gekommen war. Im vergangenen Jahr sind die Verträge ausgelaufen. Sie konnten zum Jahr 2012 nicht ausgeschrieben werden, weil die Summe von 700.000 Euro für die Sicherung von 16 Schulen nicht mehr durch den Bezirkshaushalt gedeckt war. Seit Mittwoch vergangener Woche sind die Schulen ohne Wachschutz. In den meisten betroffenen Schulen müssen Lehrer Aufsichtsschichten übernehmen. In einigen Fällen sind technische Lösungen mit Drehkreuzen oder anderen Schließanlagen angedacht. Doch die Umsetzung braucht Zeit.

Ob übergangsweise Ein-Euro-Jobber in diesem Bereich in irgendeiner Weise helfen können, wollen Bezirksamt und Jobcenter noch in dieser Woche in gemeinsamen Gesprächen klären.

Schule soll abgeschlossen werden

Oliver Arning, Sprecher vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft, hält den Einsatz von Ein-Euro-Jobbern zum Schutz von Schulen vor schulfremden Störern für „verantwortungslos“. Schließlich seien sie in einem Bereich eingesetzt, in dem es auch zu gewalttätigen Konflikten kommen kann. Dafür seien sie nicht ausgebildet und nicht ausgerüstet. Selbst bei einem Einsatz eines professionellen Wachschutzes plädiere der Verband für eine Zusatzausbildung für die Sicherung von Schulen. Kritik am Einsatz der Ein-Euro-Jobber kam auch von der Bildungsgewerkschaft GEW und vom bildungspolitischen Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu. Der Senat müsse zügig eine tragfähige Lösung für den Schutz der Schulen finden, forderte Mutlu. Jeder Schüler müsse gewalt- und drogenfrei lernen können.

Der Schulleiter des Albert-Schweitzer-Gymnasiums zeigte sich am Dienstag erstaunt und verständnislos über den Abbruch der Maßnahmen. „Wir hatten von Anfang an gesagt, dass die Schulstreife nicht den Wachschutz ersetzt“, sagte Georg Krapp. Allerdings sei allein schon die Präsenz von Mitarbeitern in gelben Warnwesten im Umfeld der Schule hilfreich, um Drogenjunkies, die lieber unentdeckt bleiben, abzuschrecken.

Nun bleibe ihm nichts anderes übrig als die Schule während des Unterrichts abzusperren, sagte der Schulleiter. Das sei allerdings schwierig zu handhaben, da ständig Schüler auch von benachbarten Schulen Kurse an dem Ganztags-Gymnasium besuchen. Die Schule betrachte sich eigentlich als offener Bildungsort.

Die Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums wünschen sich so schnell wie möglich den Wachschutz zurück. „Wir fühlten uns vorher viel sicherer“, sagten die Oberschülerinnen Melissa und Gentina. „Die Wachleute waren für uns wie Vertrauenslehrer, am liebsten wollen wir die zurück, die wir bisher hatten“, fügten die Schülerinnen Gizem und Merve hinzu.