Einen Tag nach Abzug des Wachschutzes an Schulen in Berlin-Neukölln hat es den ersten Zwischenfall gegeben: Am Albert-Schweitzer-Gymnasium wurden zwei Drogenabhängige auf der Toilette mit Heroin aufgegriffen. Nun patrouillieren die Lehrer.

Nur einen Tag nach dem Abzug des Wachschutzes an 15 Neuköllner Schulen, hat es am Donnerstag bereits den ersten schwerwiegenden Zwischenfall am Albert-Schweitzer-Gymnasium gegeben. Zwei Drogenabhängige hatten sich um 13.45 Uhr in der Jungen-Toilette im Erdgeschoss der Schule einen Schuss Heroin gesetzt. Die siebte Stunde hatte gerade begonnen, Schüler und Lehrer waren in den Klassenräumen. Zwei Schüler der Oberstufe, die auf die Toilette wollten, entdeckten die Abhängigen. „Die Schüler kamen geschockt zu mir ins Zimmer gestürmt“, sagte Schulleiter Georg Krapp. Ein 25-jähriger Mann habe zusammengesunken und mit verdrehten Pupillen auf dem Boden gesessen, die etwa gleichaltrige Frau habe ebenfalls sichtbar unter Drogen gestanden. Der Schulleiter verriegelte die Tür und alarmierte Polizei und Rettungswagen.

Genau vor solchen Problemen hatten die Schulleiter vor Auslaufen der Verträge mit dem Wachschutz gewarnt. Der Bezirk konnte die Aufgabe für die Sicherheitsdienste nicht rechtzeitig neu ausschreiben, weil die Kosten von 700.000 Euro jährlich im Bezirkshaushalt nicht gedeckt waren.

„Vorfall überrascht mich nicht“

Der Schulleiter des Albert-Schweitzer-Gymnasiums ist empört. „Das Land ist in der Pflicht, für die Sicherheit der Lehrer und Schüler in der Schule zu sorgen“, sagte Krapp. Der Senat müsse das Geld zur Verfügung stellen, wenn ein Wachschutz nötig sei. Jetzt falle die Schule in den Zustand von vor vier Jahren zurück. Damals galt das Gymnasium in unmittelbarer Nähe zum Drogenumschlagplatz Hasenheide noch als Brennpunktschule. Inzwischen hat sich die Schule als Ganztags-Gymnasium einen ausgezeichneten Ruf gemacht.

Seit Einführung des Wachschutzes vor vier Jahren habe es keinen einzigen Störfall gegeben. Zuvor seien Pöbeleien, Gewalt oder Diebstahl durch Schulfremde häufig vorgekommen. Die Kooperation mit der Polizei sei gut, auch am Donnerstag waren die Beamten innerhalb von fünf Minuten eingetroffen. Doch die Bewachung der Schule könne die Polizei nicht übernehmen, so Krapp. „Der Vorfall überrascht mich nicht“, sagte Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) am Donnerstag. Er hatte sich trotz massiver Kritik aus den eigenen Reihen vor vier Jahren für den Wachschutz eingesetzt. „Das haben wir nicht gemacht, weil wir zu viel Geld hatten, sondern weil es dringend nötig war, die Lehrer und Schüler zu schützen“, sagte Buschkowsky. Der Senat bezweifele auch jetzt noch die Notwendigkeit. „Der Vorfall zeigt, dass diese Auffassung falsch ist. Es werden weitere Vorfälle folgen“, so der Bezirksbürgermeister.

Keine finanziellen Mittel

Schulstadträtin Franziska Giffey traf sich in den vergangenen Tagen mit den zuständigen Staatssekretären in der Innenverwaltung und in der Schulverwaltung, um für die Finanzierung des Wachschutzes zu kämpfen. „Von beiden Seiten gab es eine klare Absage“, sagte Giffey. Die Begründung laute, andere Bezirke kämen auch ohne Sicherheitsdienst vor Schulen aus.

Sie werde das Thema auch noch einmal im Bezirksamt vorbringen. Doch derzeit seien im Bezirkshaushalt keine Mittel vorhanden. Im Gegenteil: Neukölln müsse in diesem Jahr neun Millionen Euro einsparen. Auch an anderen Schulen in Neukölln hat das neue Jahr mit Angst vor Gewaltvorfällen begonnen.

Schüler sollen wachsam sein

Der Schulleiter der Clay-Oberschule in Rudow hat am Donnerstag einen Brief an seine Schüler formuliert, in dem er die Jugendlichen zu erhöhter Wachsamkeit aufruft. „Alle müssen jetzt an einem Strang ziehen, um den sicheren Unterricht zu gewährleisten“, sagte Schulleiter Hartwig Beier. Auch hier gibt es seit Mittwoch keinen Wachschutz mehr. Die Lehrer verpflichtete der Schulleiter zu zusätzlichen Aufsichten in den Pausen vor dem Schuleingang und auf dem Schulhof.

Doch während der Unterrichtszeit könne er unmöglich Lehrer patrouillieren lassen, sagte Beier. Schließlich könnten die Pädagogen schon jetzt nur durch viel Mehrarbeit überhaupt noch den Unterrichtsbedarf abdecken. Die Schule liege zwar nicht in einem Brennpunkt, trotzdem seien Störungen von Schulfremden in der Vergangenheit an der Tagesordnung gewesen. Das Schulgelände sei unübersichtlich und die Gebäude hätten mehrere Eingänge, somit sei der unbeobachtete Zutritt einfach. „Vier Jahre lang konnten wir mit Wachschutz ungestört arbeiten“, so Beier.

Schulstadträtin kämpft für Zwischenlösung

Unübersichtlich ist auch das Gelände der Liebig-Schule in der Gropiusstadt. Auch dort müssen die Lehrer in den Pausen und vor Unterrichtsbeginn die Eingänge bewachen. „Das bedeutet Stress und unangenehme Auseinandersetzungen mit schulfremden Jugendlichen für die Lehrer, die sich eigentlich in dieser Zeit auf ihren Unterricht vorbereiten sollten“, sagte Schulleiter Reinald Fischer. „Hier ist der Senat in der Pflicht.“

Doch selbst wenn die Finanzierung des Wachschutzes gesichert wäre, könnte die Neuausschreibung frühestens zum kommenden Schuljahr erfolgen, sagte Schulstadträtin Franziska Giffey. Bis dahin müsse unbedingt für Schulen an schwierigen Standorten wie die Albert-Schweitzer-Schule eine Zwischenlösung gefunden werden. „Wir können da nicht tatenlos zusehen“, sagte die Stadträtin.