Das Kabinett steht: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat den neuen rot-schwarzen Senat ernannt. Am Donnerstag soll das neue Personal dann vereidigt werden.

So viel Freundschaft war lange nicht mehr zwischen dem wichtigsten Sozialdemokraten und den offiziellen Vertretern der Berliner Wirtschaft. Es ist 8 Uhr. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit frühstückt an diesem Mittwoch in der Industrie- und Handelskammer, wo er vor fast 400 Gästen seine Pläne für schwarz-rote Legislaturperiode vorstellt. Er sei schon das vierte Mal da in diesem Jahr, lobt der IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Und Wowereit bedankt sich artig, ganz im Stile eines Regierenden, der sich nun im Jahre elf seiner Amtszeit wirklich die Förderung der Berliner Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Er wünscht allen Unternehmern Erfolg, denn dann könne er selbst auch erfolgreich sein.

Bei der großen Harmonie fällt kaum auf, dass Wowereit zu den von den Unternehmern vorgetragenen Anliegen im Detail kaum etwas Positives sagen kann. Dass die Taxis in Steglitz im Stau stünden, seit in der Schloßstraße eine Fahrradspur eingerichtet worden sei, habe der Bezirk zu verantworten. Wenn die Taxiunternehmen noch nicht wüssten, wie sie den neuen Flughafen anfahren sollten, so liege das an Brandenburg und den Landkreisen. Und wenn ein IT-Unternehmer klagt, in Berlin würden die großen Firmen dem Mittelstand vorgezogen, so könne er das so pauschal nicht nachvollziehen. Ein Reinickendorfer High-tech-Produzent kritisiert die in der Koalition vorgenommene Aufspaltung der Kompetenzen für Wissenschaft und Forschung auf zwei Ressorts. „Für Sie ändert sich doch nichts“, beruhigt Wowereit den Unternehmer. Die Präsidenten der Universitäten und die Chefs der außeruniversitären Forschungsinstitute, die die Trennung kritisiert haben, hätten das nicht richtig verstanden, sagt Wowereit. Als sich Eder freut, dass nun laut Koalitionsvertrag die Zuständigkeit für die Kreativwirtschaft wie von der IHK gewünscht an einer Stelle gebündelt werde, muss Wowereit ihn enttäuschen. Weiterhin würden Wirtschaft und Senatskanzlei auf diesem Feld tätig sein, sagt er. Es sei für viele Bereiche auch nicht gut, wenn alles in einer Hand sei.

Zu seiner Meinung befragt über Sybille von Obernitz, der neuen Wirtschaftssenatorin, kann Wowereit wenig sagen. Er werde die Kollegin gleich kennenlernen, sagt er. Dann entlässt ihn Eder, er habe bestimmt andere Termine. „Einen Senat ernennen“, sagt Wowereit.

Sybille von Obernitz (parteilos, für die CDU) ist die Letzte in der Reihe der neuen Senatoren, der Wowereit um 12.30 Uhr im Wappensaal des Roten Rathauses die Ernennungsurkunde überreicht. „Herzlich willkommen“, sagt Wowereit zu seiner neuen Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Zuvor haben Frank Henkel (CDU, Inneres/Sport), Michael Müller (SPD, Stadtentwicklung/Umwelt), Dilek Kolat (SPD, Arbeit/Integration/Frauen), Sandra Scheeres (SPD, Bildung/Jugend/Wissenschaft), Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD Finanzen), Mario Czaja (CDU, Gesundheit/Soziales) und Michael Braun (CDU,Justiz/Verbraucherschutz) ihr Urkunden bekommen. Scheeres kündigt im Anschluss an das obligatorische Senatsfoto an, sich schnell in die Hochschulthemen einarbeiten zu wollen. Die Universitäten sehen die Berufung der Kita-Expertin zur Senatorin kritisch. „Es sind große Aufgaben, aber ich werde die Themen besetzen“, sagt Scheeres. Die Kritik der Unipräsidenten mache sie nicht nervös. „Ich freue mich auf den Dialog.“ Dann zieht sich der neue Senat zu einer kurzen Besprechung in Wowereits Bürotrakt zurück.

Nur eine Stunde später um 14 Uhr steht Frank Henkel in der Klosterstraße in seinem neuen Büro und inspiziert den Teppich. Den würde er seinem Nachfolger hinterlassen, sagt Ehrhart Körting (SPD) und grinst. An seinem letzten Arbeitstag ist das Büro des Noch-Innensenators ansonsten schon recht kahl. Die Möbel stehen noch, doch Bilder fehlen, das Pult, wo Bibel und Koran lagen, ist leer, der Platz neben seinem Schreibtisch, wo ein großer Ficus stand, auch. „Eine Mitarbeiterin hat an der Treppe noch ein Blatt gefunden und gesagt ‚Jetzt ist es ernst, jetzt geht er wirklich'“, erzählt Körting, der sich mit Henkel an diesem Nachmittag zu einem Gespräch über das Amt verabredet hat – und „den Staffelstab übergeben“ will. Was der scheidende und künftige Innensenator, die sich in der Vergangenheit oft beharkt haben, besprechen, bleibt hinter der verschlossenen Bürotür verborgen.

Kurz vor 17 Uhr sickert dann aber eine Nachricht durch. Neuer Staatssekretär für Bildung wird der Sprecher der Parteilinken der SPD, Mark Rackles.

Am Donnerstag geht es für die neuen Senatsmitglieder im Stundentakt weiter, um neun Uhr früh treffen sich die Fraktionen, danach ist Vereidigung im Abgeordnetenhaus, mittags dann erste Sitzung des neuen Senats im Roten Rathaus.