Koalitionsverhandlungen

Rot-Schwarz - lange Agenda für die Schlussrunde

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Christina Brüning und Gilbert Schomaker

In ihrer vorletzten Verhandlungsrunde konnten sich SPD und CDU bei Mietsteigerungen, Öffentlichen Dienst und Grunderwerbsteuer einigen. Doch wieder sind wichtige Punkte für die Schlusssitzung übrig geblieben. Es dürfte ein Verhandlungsmarathon werden.

Die Agenda für die Schlussrunde ist wieder ein Stück länger geworden. Am Dienstag wollen SPD und CDU in einer abschließenden Sitzung ihren Koalitionsvertrag festzurren. Es dürfte eine Marathonsitzung werden. In jeder Verhandlungsgruppe sind bisher ein oder zwei Themen übrig geblieben für den großen Kraftakt am Schluss. Am Freitag kamen die City Tax und das Straßenausbaubeitragsgesetz auf die Liste.

Vor allem beim Straßenausbaubeitragsgesetz, das die CDU gern abschaffen möchte, dürfte die Diskussion hart werden. Mit dem Gesetz werden Anwohner anteilig an den Kosten des Straßenausbaus beteiligt werden. Noch am Donnerstag hatte sich angedeutet, dass die Parteien bei der Verhandlungsrunde am Freitag einen Kompromiss finden könnten. Doch der blieb aus. „Das Thema wird noch ein bisschen bewegt werden“, sagte Christian Gaebler, der für die SPD die Arbeitsgruppe Stadtentwicklung geleitet hat. Alles andere sei aber nun geklärt worden, so Gaebler. Die Arbeitsgruppe hatte außerplanmäßig eine Sitzung am Freitag anberaumt – eigentlich sollte der Komplex bereits am Mittwoch abgeschlossen werden.

Mietsteigerung nur alle vier Jahre

Als Erfolg verbuchen konnte die SPD am Freitag nun die Einigung darauf, welche Instrumente die Koalition zur Dämpfung der Mietsteigerungen einsetzen will. Zwei Bundesratsinitiativen sollen angestrengt werden. Einmal soll die Umlage von Modernisierungskosten auf die Miete stärker gedeckelt werden, von bisher elf auf neun Prozent. Außerdem sollen Mieten innerhalb von vier Jahren nicht mehr als 15 Prozent steigen dürfen. Bisher sind 20 Prozent alle drei Jahre zulässig. Besonders in der Frage der Umlage von Modernisierungskosten war die CDU bisher skeptisch.

Zur Entspannung des Wohnungsmarktes in Berlin hatte die Koalition bereits Mitte der Woche beschlossen, den Neubau von 30.000 Wohnungen zu stützen. Strittig war jedoch geblieben, ob dies mit Hilfe der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder durch private Mittel geschehen soll. Diese Frage blieb auch am Freitag offen. Klar wurde, dass es Kreditprogramme für Wohnungsbau geben soll. Außerdem will die Koalition unter bestimmten Konditionen Grundstücke ermäßigt oder gar kostenlos für Neubau abgeben. „Wir wollen ein ehrgeiziges Ziel erreichen und müssen dafür alle Kräfte bündeln“, sagte Bernd Krömer (CDU).

Auch die Frage nach der Zukunft der S-Bahn war von der Stadtentwicklungsgruppe von Mittwoch auf das Ende der Woche vertagt worden. „Wir haben uns damit intensiv auseinandergesetzt“, sagte Gaebler. Im Ziel seien sich die Parteien einig. Sie wollen eine qualitativ hochwertige, voll einsatzfähige S-Bahn bekommen. „Auf eine kommunale Lösung konnten wir uns nicht verständigen“, sagte Gaebler. Teile der SPD hatten gefordert, die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sollen die S-Bahn nach Auslaufen des Verkehrsvertrages 2017 übernehmen. Nun will die neue Koalition noch bis Ende des Jahres Gespräche mit der Bahn über den gesamten Erwerb der S-Bahn führen. Das hat die Bahn bisher immer abgelehnt. Parallel soll geprüft werden, ob die Vergabe an nur einen Betreiber möglich ist. Da dies rechtlich umstritten ist, erscheint der dritte Schritt als die wahrscheinlichste Lösung: Die Ausschreibung der Ringbahn und Zubringerstrecken Anfang 2012. Die Laufzeit eines solchen Vertrages soll zehn Jahre betragen und das Land soll nach Ablauf die Option erhalten, die S-Bahn-Wagen kaufen zu können, so Gaebler.

Nach den Ergebnissen aus dem Bereich Stadtentwicklung waren die Haushälter an der Reihe. Neben höheren Beamtenbesoldungen in den kommenden Jahren und erheblich mehr Neueinstellungen im öffentlichen Dienst konnten Dilek Kolat (SPD) und Florian Graf (CDU) verkünden, dass man sich auf eine Anhebung der Grunderwerbsteuer auf fünf Prozent geeinigt habe. „Wir rechnen dadurch mit Mehreinnahmen von 50 Millionen Euro im Jahr“, sagte Kolat. Die Steigerung um 0,5 Prozentpunkte bleibt hinter den 2,5 Punkten zurück, die die SPD zuletzt gefordert hatte.

Zudem will die künftige Koalition die Steuerfahndung und Betriebsprüfung in den Finanzämtern stärken. 75 neue Stellen sollen dafür geschaffen werden. „Wir gehen davon aus, dass das dazu beiträgt, die Einnahmen zu erhöhen“, sagte Graf.

Die Koalitionsverhandlungen waren am Freitag von Protesten begleitet worden. Feuerwehrmänner, Finanzbeamte und S-Bahn-Gewerkschafter protestierten gegen mögliche Beschlüsse.

40 der 75 als neu angekündigten Finanzbeamten seien bereits versprochene Stellen, sagte Klaus Wilzer vom Gesamtpersonalrat der Finanzämter Morgenpost Online. „Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Eine Analyse, wie viele neue Mitarbeiter nötig seien, um Rückstau und Aufgaben zu bearbeiten, habe ergeben, dass 720 Stellen neu geschaffen werden müssten.

Auch die S-Bahner warnten vor – aus ihrer Sicht – falschen Entscheidungen. Die Berliner Eisenbahn-Gewerkschaft forderte, die S-Bahn nicht „auf dem Koalitionstisch zu opfern“. „Eine Zerschlagung der bisherigen S-Bahn ist ein Irrweg. Zug und Schiene gehören zusammen“, sagte Klaus Just, Bevollmächtigter der Berliner Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Hierdurch würden keine Probleme gelöst, sondern neue geschaffen. Dies werde letztlich zu erheblich höheren Kosten führen. Qualität bliebe auf der Strecke.

Vor der Berliner CDU-Zentrale demonstrierten am Freitag 150 Feuerwehrleute unter dem Motto „So nicht, Berlin – Du verbrennst deine Feuerwehr“. Sie fühlen sich mit ihren Personalsorgen bei den Koalitionsverhandlungen übergangen.