Autobahnausbau

A100 wird zum Stresstest für Berlins SPD

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Jens Anker

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Klaus Wowereit ist bedingungslos für den Weiterbau der A100. Doch in der SPD regt sich Widerstand gegen die Verlängerung von Neukölln nach Treptow – gerade in Hinblick auf eine mögliche rot-grüne Regierungskoalition. Das zeigt der Kandidatencheck bei Morgenpost Online.

Die Verlängerung der umstrittenen Autobahn 100 von Neukölln nach Treptow wird zum Stresstest für eine mögliche rot-grüne Koalition nach der Wahl. Nach der deutlichen Absage der Grünen an eine Zustimmung für die Pläne, sollten sie nach der Wahl im Senat vertreten sein, melden sich auch die Kritiker in der SPD erneut zu Wort. Trotz des Machtwortes des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) ist die Verlängerung bei den Sozialdemokraten weiter äußerst umstritten.

Sollte es nach der Wahl, wie erwartet, zu einer rot-grünen Regierungskoalition kommen, sehen sich derzeit mindestens ein Dutzend SPD-Wahlkreiskandidaten nicht an den Beschluss gebunden. „Eine Koalitionszusage darf an dieser Frage nicht scheitern“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Daniel Buchholz. „Beide Parteien müssen sich bewegen.“ Man dürfe eine Koalition nicht an diesem Thema „totspielen“.

Auch an der Parteibasis regt sich der Unmut über das Vorpreschen Wowereits. „Ich weiß nicht, bei wem Klaus Wowereit da im Wort steht“, sagte Roland Schröder. Der Stadtplaner aus Pankow bewirbt sich um ein Direktmandat für die SPD im Stadtteil Prenzlauer Berg. In einem Brief an die Bewohner seines Wahlkreises wirbt er mit dem Satz: „Mit mir haben Sie eine starke Stimme in der SPD gegen die A100.“ Sollte er ins Abgeordnetenhaus einziehen, verspricht er schon jetzt seine Gegenwehr gegen den umstrittenen Autobahnausbau. „Einem Koalitionsvertrag, der den Ausbau der Autobahn enthält, kann ich nicht zustimmen“, sagte Schröder. Der Bau einer Autobahn in der Innenstadt sei „stadtzerstörend“ und nicht mehr zeitgemäß. „Derartige Autobahnschneisen baut man seit 40 Jahren nicht mehr.“

Keine Mehrheit in Sicht

Die beiden SPD-Politiker sind in ihrer Partei nicht allein. Wie der "Kandidatencheck" von Morgenpost-Partner Abgeordnetenwatch.de zeigt, sprachen sich bislang 12 der 78 SPD-Direktkandidaten für das Abgeordnetenhaus gegen die Verlängerung der Schnellstraße aus. Neun sind noch unentschlossen, zehn Kandidaten haben die Frage nicht beantwortet. Nur bei den CDU- und FDP-Kandidaten sprach sich demnach eine Mehrheit für den Ausbau aus. Beide Parteien stehen drei Tage vor der Wahl bei insgesamt 23 Prozent, die FDP muss sogar um den Einzug in das Parlament fürchten.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Frage der A100 das größte Hindernis bei möglichen Koalitionsverhandlungen wird. Zuletzt hatte Wowereit die Autobahn im Leserforum der Morgenpost Online mit Nachdruck gefordert. „Ich glaube, dass sowohl der Flughafen wie auch die A100 eine Grundsatzentscheidung darüber fordern, wie man die Stadt gestalten will. Von daher habe ich klares Bekenntnis zu den Infrastrukturprojekten abgegeben, denn sonst wird diese Stadt sich nicht entwickeln“, sagte Wowereit. „Unzweifelhaft entlastet die A100 Tausende Menschen, die Autobahn ist für die Verkehrsentwicklung der Stadt notwendig.“

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ALLE INFOS ZUR WAHL:

>>> Der Wahl-O-Mat - Vergleichen Sie die Partei-Positionen
>>> Der Kandidatencheck - Testen Sie die Kandidaten ihres Wahlkreises
>>> Abgeordnetenwatch - Fragen Sie die Kandidaten
>>> morgenpost.de/wahl2011 - Das Special zur Abgeordnetenhauswahl
>>> Dein Wahlvideo - So werden Sie selbst Wahlsieger

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Kurz danach hatte der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, dem Autobahnbau eine klare Absage erteilt. „Es wird keine grüne Unterschrift unter einem Koalitionsvertrag geben, in dem steht, dass die Regierung die A100 weiterbaut“, sagte Ratzmann. „Wenn Klaus Wowereit die A100 bauen will, dann muss er das mit der CDU machen.“

Die Positionen sind verhärtet. Aber schon jetzt loten Verhandlungsführer beider Parteien eine Lösung aus, um Befürworter und Gegner ohne Gesichtsverlust aus den Verhandlungen treten zu lassen. Im Idealfall wollen beide Parteien die Verantwortung für ein Scheitern der Pläne dem Bund zuschieben, der den größten Teil der mehr als 400 Millionen Euro Baukosten für das drei Kilometer lange Teilstück beisteuert. Wenn der Bund, wie bei den Wasserstraßen bereits geschehen, künftig auf den Erhalt der bestehenden Verkehrswege setzt, statt auf den Neubau, wäre damit auch das Thema A100 vom Tisch und der Ausbau der Autobahn auf unabsehbare Zeit verschoben. „Wenn der Bund diese Flexibilität zeigen würde, wäre vieles einfacher“, sagt Buchholz. Stattdessen könnte es ein Konjunkturprogramm zur Beseitigung der bestehenden Straßenschäden geben.

Der Bund zahlt

Unklar ist allerdings, wie Klaus Wowereit mit seiner bedingungslosen Verteidigung der Autobahn am Ende ohne Gesichtsverlust dastehen kann. Nachdem sich zunächst eine Mehrheit der SPD gegen den Ausbau der A100 ausgesprochen hatte, hatte der Regierende Bürgermeister seine eigene politische Zukunft an das Projekt geknüpft. Danach stimmte die Partei dann mit einer knappen Mehrheit von 106 zu 101 Stimmen für das Projekt. „Wenn Wowereit sich nicht so stark dafür gemacht hätte, wäre die Abstimmung ganz anders ausgegangen“, sagte SPD-Kandidat Schröder, der schon damals zu den 101 Genossen zählte, die gegen den geplanten Ausbau stimmten.

Die Autobahnverlängerung vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park ist Bestandteil des Verkehrswegeplans der Bundesregierung. Im bestehenden Koalitionsvertrag zwischen SPD und Linkspartei ist der Ausbau vorgesehen. Inzwischen hat sich die Linke aber gegen die Autobahnverlängerung ausgesprochen. CDU, FDP und Industrie- und Handelkammer (IHK) sprechen sich dagegen für das neue Teilstück aus.