Das Internet wird für Patienten immer wichtiger: 40 Prozent der Berliner sehen das Internet als wichtigstes Erstinformationsmedium in Sachen Gesundheit, so geht es aus einer aktuellen Studie hervor. Jetzt gibt es zwei neue seriöse Such- und Bewertungsportale, bei denen die Patientenzufriedenheit im Fokus steht: den AOK-Arztnavigator und den Arztlotse. Krankenkassen kooperieren mit der Stiftung Gesundheit, der Weißen Liste, auch Mediziner und Verbraucherschützer sind involviert. Berlin zählt zu den Pilotregionen, in denen die Patienten-Zufriedenheit mit den Ärzten ermittelt wird. Die Berliner Patientenbeauftragte Karin Stötzner lobte die neuen Arztportale. Sie dienten als Instrument zur Förderung von Transparenz und Kontrolle, so Stötzner.
Seit drei Monaten online
Doch wie wird das Projekt überhaupt angenommen und wie haben die Berliner Ärzte abgeschnitten? Seit drei Monaten ist der AOK-Arztnavigator online , inzwischen liegen 4200 Beurteilungen für Berliner Ärzte vor. Versicherte der AOK und der Barmer GEK haben nach Eingabe von Kassennummer und Geburtsdatum Einschätzungen abgegeben. Die Ergebnisse nutzen allen Patienten, die einen Mediziner in ihrer Nähe suchen. Ab 2012 sollen dann alle Versicherten bewerten dürfen. Wer nach einem Arzt in Berlin sucht, gibt Fachrichtung und Postleitzahl an, dann wirft die Suchmaschine mehrere Einträge von Praxen aus.
Im Vergleich zu anderen Regionen sind die ersten Patientenbewertungen überdurchschnittlich gut. Timo Thranberend, Mitarbeiter der Weißen Liste, ist mit dem Datenmanagement betraut. Mehr als 30 Fragen müssen Versicherte pro Arzt beantworten. Eingeschätzt werden Behandlung, Praxisausstattung oder Arztkommunikation. Im Zuge der Erhebung wurden auch tausende schriftliche Bewertungen eingearbeitet. „So können auch ältere, wenig Internet-affine Menschen am Projekt teilnehmen“, sagt Thranberend. Kommen pro Arzt zehn Bewertungen zusammen, können Nutzer sehen, wie zufrieden Patienten mit ihm sind. Für 800 Berliner Ärzte sind die Bewertungen bereits sichtbar.
„Beurteilt wurden vor allem Allgemeinmediziner“, sagt Thranberend. Insgesamt ist die Zufriedenheit mit Hausärzten größer als mit Fachärzten. Rund 90 Prozent der teilnehmenden Patienten würden den eigenen Arzt „bestimmt“ oder „wahrscheinlich“ weiterempfehlen. Das überdurchschnittliche Ergebnis erklärt Thranberend so: „Berliner nutzen das Portal, um die Praxen weiterzuempfehlen, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben.“
Beim AOK-Arztnavigator ist kaum Kritik erkennbar, nur einige wenige Zwischentöne sind herauszulesen. So sind nicht wenige Patienten der Ansicht, dass Privatpatienten bevorzugt werden. Auch in Sachen Aufklärungen über Verträglichkeit der Medikamente und mögliche Nebenwirkungen gab es weniger gute Einschätzungen. Darüber hinaus scheint es bei der Überweisung an Fachärzte Probleme zu geben. Manche fühlen sich genötigt, zusätzliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, die Kassen nicht zahlen.
Schriftliche Bögen für Ältere
Ein Jahr wurde der AOK-Arztnavigator getestet und entwickelt, unter anderem am Berliner Forschungsinstitut IGES, das sich für unabhängige Patientenhilfe einsetzt. Um Missbrauch zu verhindern, muss der Versicherte Kassennummer und Geburtsdatum angeben. Thranberend weist darauf hin, dass der AOK-Arztnavigator ständig weiterentwickelt werde. Bei vielen Fachärzten müssten die Fragebögen angepasst werden.
Viele Berliner Patienten interessierten sich für Kinder- und Jugendärzte. Auch die Suchanfragen nach einem guten Zahnarzt oder Psychotherapeuten sei groß. „Hier müssen wir andere Fragen entwickeln, die an die Bedürfnisse der Patienten angepasst sind“, sagt Thranberend. Kostentransparenz beim Zahnarzt oder Einfühlungsvermögen beim Psychotherapeuten müssten extra abgefragt werden.
Glaubt man den Bewertungsportalen, dann zählt Nikolaus Höllen zu den besten niedergelassenen Berliner Allgemeinmedizinern. Seit 1994 führt er eine Praxis in Schöneberg, behandelt rund 3200 Kranke pro Jahr. Welchen Nutzen er im neuen Portal sieht? Eine Kommentarfunktion fehle, sagt Höllen. „Ich persönlich habe da keine Berührungsängste“, sagt er. „Kritik kann ich als Feedback nutzen und was ändern.“ Ähnlich sieht das auch Peter Müller von der Stiftung Gesundheit. Der Sozialwissenschaftler hat die Arztportale mit entwickelt. „Wenn alle Bewertungen gut sind, fehlt die Kontur“, sagt er. „Eine differenzierte Einschätzung ist sinnvoll.“ Freifelder mit Kommentarfunktion können das leisten. Immer, wenn einen neues Bewertungsportal startet, warnen aber Ärztevertreter vor einem digitalen Pranger.
Als der vdek-Arztlotse Ende August online ging, gab es Kritik. Patienten dürfen dort Zensuren verteilen und kommentieren. Neben niedergelassenen Medizinern werden auch Psychotherapeuten oder Notfallambulanzen bewertet. In der kurzen Zeit wurden auch schon die Noten „Ausreichend“ und „Mangelhaft“ verteilt. In den Kommentaren ist nachzulesen, was den Patienten gestört hat.
Informationen und Bewertungen unter www.aok-arztnavigator.de oder www.vdek-arztlotse.de