Für kurze Zeit ist es ruhig geworden in Berlin, doch seit Mai ist die Zahl der Brandstiftungen wieder deutlich gestiegen. Mittlerweile gibt es kaum noch eine Nacht ohne brennende Fahrzeuge. Auch in der Nacht zu Mittwoch brannten mehrere Autos.
Knapp eineinhalb Jahre hatte beinahe Ruhe geherrscht, nun vergehen kaum noch Nächte ohne brennende Autos. Allein aus der Nacht zu Dienstag musste die Berliner Polizei vier neue Zwischenfälle melden, von den Tätern fehlt bislang jede Spur. Angezündet wurden sechs Autos, insgesamt wurden nach Polizeiangaben 13 Fahrzeuge beschädigt, davon sieben, weil sie in der Nähe der angezündeten Autos standen.
Auch in der Nacht zum Mittwoch haben in Berlin zahlreiche Autos gebrannt. Diesmal seien es sogar sieben Autos - eines mehr als die sechs aus der vergangenen Nacht gewesen, sagte ein Polizeisprecher am Mittwochmorgen. Weitere fünf Fahrzeuge wurden durch die Brände erheblich beschädigt. Schwerpunkte der Brandstiftungen seien Friedrichshain und Mitte gewesen.
Nach Einschätzungen des Polizeilichen Staatsschutzes könnte es sich um Kleinstgruppen oder gar Einzeltäter handeln, die nicht unbedingt akzeptierte Mitglieder der organisierten linken Szene sein müssen. Diese hatte sich im Jahr 2009 in einer Szenezeitung ausdrücklich gegen die „Hassbrennerei“ ausgesprochen. Vermutlich handele es sich einem Staatsschutzexperten zufolge um Sympathisanten, die die nach wie vor vorhandene Schlagkraft der Szene unter Beweis stellen wollten. Das Ausfindigmachen dieser Täter gestalte sich sehr schwer.
Es brennt in vielen Bezirken
Die jüngsten Taten ziehen sich durch mehrere Bezirke. So mussten Polizei und Feuerwehr nach dem Anruf eines Passanten gegen 1.50 Uhr zur Landsberger Allee in Alt-Hohenschönhausen ausrücken, weil dort auf einem Parkplatz eines Einkaufszentrums drei Kleinwagen einer Zeitarbeitsfirma in Flammen standen. Zwei der Fahrzeuge wurden völlig zerstört, das dritte schwer beschädigt. Fünf weitere, in der Nähe geparkte Autos wurden durch die Hitze in Mitleidenschaft gezogen. 40 Minuten später entdeckte ein Zeuge einen brennenden Volvo XC 90 an der Virchowstraße in Prenzlauer Berg, Polizisten löschten den Brand. Beinahe zur gleichen Zeit brannte an der Hans-Otto-Straße im selbem Bezirk ein BMW Z4. Aufgrund des Brandes rollte der Wagen los durch die Pasteurstraße und stoppte dicht vor einem anderen Wagen, der ebenfalls beschädigt wurde. Der BMW selbst wurde völlig zerstört. An einem Audi, der am Wikingerufer in Moabit geparkt war, bemerkte ein Passant gegen 3 Uhr einen Brand und verständigte die Feuerwehr. Auch an diesem Fahrzeug entstand erheblicher Sachschaden. Und auch dort wurde ein weiteres Fahrzeug schwer beschädigt.
Die Zahl solcher Brände war laut Staatsschutz seit dem Jahr 2009 deutlich zurückgegangen, seit etwa eineinhalb Jahren hatten etwa drei bis vier Fahrzeuge pro Monat gebrannt. „Das hat sich schlagartig im Mai geändert“, sagt Stefan Redlich, Dezernatsleiter für Gefährdungsbewertung beim Staatsschutz. „In dieser Zeit war die Polizei sehr für ihr Sicherheitskonzept in puncto 1. Mai gelobt worden. Wir können nicht ausschließen, dass Einzelne nun zeigen wollen, dass die Szene noch da ist.“ Es gebe bislang aber keine unterstützende Bewegung der echten linken Szene. Diese hatte vielmehr noch im Jahr 2009 geschrieben, dass durch die Brandstiftungen nur noch mehr teure Fahrzeuge verkauft würden, weil die Hersteller an der Produktion dieser Autos festhielten und die Versicherungen für die Schäden aufkommen müssten, die somit letztlich vom Volk bezahlt würden.
Brandstifter entkommen leicht
Für die Ermittler ist es schwer, die Taten aufzuklären, denn die Täter können sich schnell vom brennenden Fahrzeug entfernen und hinterlassen meist keine Spuren. „Es gibt keine Beziehung zwischen Täter und Opfer, es gibt keine Verwertungshandlung wie beispielsweise mit einem erbeuteten Handy nach einem Raub. Und es vergehen mehrere Minuten zwischen dem Legen eines Brandes und dessen Entdeckung, sodass die Brandstifter leicht entkommen können“, sagt Redlich. Offenbar seien sich die Täter nicht im Klaren, dass ihnen erhebliche Konsequenzen drohen. „Eine Brandstiftung ist ein Verbrechen und wird mit mindestens einem bis zehn Jahre Haft bestraft. Wer beispielsweise einen Porsche oder einen BMW angezündet hat, der muss im Falle einer Verurteilung für den Schaden bei der Versicherung aufkommen, von den Kosten für den Polizeieinsatz, den Löscheinsatz und die Umweltschäden ganz zu schweigen, die entstehen, wenn das verschmutzte Löschwasser beispielsweise in eine Grünanlage läuft.“ Eine sofortige persönliche Insolvenz des Verurteilten, eine lebenslange Verschuldung seien die Folge.
Das Umweltbundesamt (UBA) warnt vor unmittelbaren Gefahren für den Menschen. Besonders bei der Verbrennung von Kunststoff wie PVC entstehen nach Angaben der Behörde die unterschiedlichsten Schadstoffe wie Chlorwasserstoff oder Fluorwasserstoff, die zu Salzsäure reagieren können. Das kann sowohl für die Täter selbst als auch für Passanten schädlich sein.
Die Umwelt leidet
Nach Ansicht von Chemiker Wolfgang Plehn, Abteilungsleiter für stoffbezogene Produktfragen im Umweltbundesamt, wird im Vergleich dazu die Atmosphäre weit weniger in Mitleidenschaft gezogen. "Ein Autobrand ist ein punktuelles Ereignis. Die Belastung für die Umwelt ist daher eher als gering einzuschätzen“, sagt er. Die Gesundheitsrisiken für den Menschen sind allerdings enorm. Wer sich in unmittelbarer Nähe eines brennenden Autos aufhält, riskiert schwerwiegende Verätzungen, so der Experte.
Gefährlich ist auch ein neues Kühlmittel in Klimaanlagen neuerer Autos. Aufgrund einer EU-Richtlinie müssen Neufahrzeuge seit 1.Januar das neue Mittel verwenden. Dieser weniger klimaschädliche Stoff verflüchtigt sich zwar schneller, ist allerdings brennbar. „Bei der Verbrennung entsteht dann Flusssäure, die starke Verätzungen an Haut und Atmungsorganen hervorrufen kann“, erklärt Plehn. Besonders gefährlich seien daher Autobrände in Parkhäusern oder Tiefgaragen.
mit dpa