Ab Sonntag sollte die S-Bahn wieder im Normalbetrieb fahren. Doch das fällt auf unbestimmte Zeit aus - denn noch immer fehlen Wagen. Deshalb können die Linien S 45 und S 85 nicht bedient werden; auf anderen fahren weiterhin verkürzte Züge. Außerdem könnten neue Sicherheitsauflagen die Situation noch verschärfen.
Die S-Bahn kann ihr Versprechen nicht halten, am Sonntag zum regulären Fahrplan zurückzukehren. Entgegen früherer Ankündigungen bleibt der Betrieb von zwei Linien weiter eingestellt. Außerdem wird ein Großteil der eingesetzten Züge – wie schon in den vergangenen Monaten – mit weniger Waggons als üblich fahren. Es besteht der Verdacht, dass der Verschleiß an Radscheiben der Baureihe 481 größer als angenommen ist. Konsequenz: Möglicherweise müssen nochmals 100 Viertelzüge in die Werkstatt.
Noch Anfang September, auf dem Höhepunkt der seit mehr als fünf Monaten dauernden S-Bahn-Krise, hatte Bahnvorstand Ulrich Homburg eine schrittweise Rückkehr zum Normalbetrieb mit dem Ziel angekündigt, dass vom Fahrplanwechsel am 13.Dezember an der Zugverkehr wieder komplett angeboten werden könne. Später relativierte die S-Bahn diese Aussage. Zwar werde noch nicht wieder die volle Platzkapazität vorhanden sein, aber wenigstens würden auf allen Linien die Züge rollen.
Daraus wird nun nichts. Der S-Bahn fehlen 50 der dafür benötigten 480 Zwei-Wagen-Einheiten. Für einen Komplettbetrieb, wie es ihn bei der Berliner S-Bahn zuletzt vor mehr als einem Jahr gab, hätten sogar 552 der insgesamt 632 Viertelzüge einsatzbereit sein müssen.
Davon ist das Unternehmen noch weit entfernt. So können zwei der insgesamt 15 Linien, die S45 (Flughafen Schönefeld–Südkreuz) und die S85 (Waidmannslust–Grünau), weiterhin nicht bedient werden. Auf fast allen anderen Strecken fahren die Züge mit weniger Wagen. Ein Bahnsprecher sagte, es sei den laufenden umfassenden Sonderuntersuchungen geschuldet, „dass wir noch nicht die komplette Fahrzeugflotte zur Verfügung haben. Konkrete Gründe für die vErzögerung nannte er aber nicht.
Hauptursache für den anhaltenden Fahrzeugmangel ist nach Informationen dieser Zeitung die noch immer nicht ausreichende Werkstattkapazität bei der S-Bahn. Seitdem am 1.Mai ein mit Fahrgästen besetzter Zug wegen eines Radbruchs entgleist war, haben die S-Bahn-Techniker ein deutlich höheres Arbeitspensum zu absolvieren.
So muss etwa bei Zügen der Unglücks-Baureihe BR481 alle sieben Tagen die Sicherheit der Räder überprüft werden. Früher mussten diese Züge nur alle vier Wochen zum Sicherheitscheck. Aus Kostengründen hatte die Bahn jedoch zuvor die Zahl der Werkstattmitarbeiter systematisch reduziert. Außerdem wurden Spezialisten, die aus anderen Werkstätten nach Berlin abgeordnet wurden, wieder in die Heimat zurückbeordert.
Bei zahlreichen Zügen der Baureihe 481 müssen auch noch die „nicht dauerfesten“ Räder ausgetauscht werden. Für diese Arbeiten stehen laut Gewerkschaftern nicht genügend Arbeitsstände zur Verfügung. Die vom Betriebsrat wiederholt geforderte Wiedereröffnung der Werkstatt Friedrichsfelde lehnt die S-Bahn-Führung aber weiter ab.
Offen ist, ob der Fahrzeugbestand nicht noch weiter reduziert werden muss. Belastungstests sollen ergeben haben, dass die Festigkeit der Radscheiben der Baureihe 481 noch geringer ist als bisher angenommen. Als Konsequenz droht, dass sie noch früher durch neue ersetzt werden müssen. Wie Ralph Fischer vom Eisenbahn-Bundesamt bestätigte, werden die Messprotokolle derzeit ausgewertet. Erst in der kommenden Woche werde über weitere Sicherheitsauflagen entschieden. Im schlimmsten Fall, so sagen S-Bahner, müssten nochmals 100 Viertelzüge zeitweilig aus dem Verkehr gezogen werden.
Aufgrund „der Ausnahmesituation“ hat der Betriebsrat eine für Mittwoch anberaumte Betriebsversammlung auf den 21. Dezember verlegt.