Rund um Berlin soll ein Gürtel aus Solarkraftwerken und Windkraftanlagen entstehen. Dort könnte - laut einer neuen Studie - Ökostrom für rund 775.000 Menschen erzeugt werden. Was noch wie eine Vision klingt, nimmt auf dem ehemaligen Militärflughafen Staaken bereits Gestalt an.

Berlin verfügt über ein enormes Reservoir, um erneuerbare Energien nutzbar zu machen: Die Berliner Stadtgüter besitzen im Umland der Stadt 150.00 Hektar Flächen. Würden diese konsequent für Fotovoltaikanlagen und Windräder genutzt, ließe sich dort Strom für 775.000 Menschen ökologisch erzeugen, je zur Hälfte aus der Sonne und dem Wind.

Das hat eine Potenzialanalyse der Umweltplan Projekt GmbH im Auftrag der Stadtgüter ergeben, die Morgenpost Online vorliegt. Jeder fünfte Berliner könnte also mit annähernd kohlendioxidfrei erzeugtem Strom von stadteigenen Flächen jenseits der Stadtgrenzen versorgt werden. „Die Stadtgüter könnten somit sowohl ökologisch als auch ökonomisch für die Stadt sehr nützlich sein“, sagte Peter Hecktor, Chef der Stadtgüter.

Robinien, Weiden oder Pappeln wachsen schnell

Bis vor Kurzem war Hecktor stark damit beschäftigt, die großen Gutshöfe der Stadtgüter an private Bauern zu verkaufen. Nachdem der Berliner Wirtschaftssenator nun nicht mehr der größte Milchbauer der Republik und die Privatisierung der landwirtschaftlichen Betriebe abgeschlossen ist, entwickelt der Stadtgüter-Boss neue Ideen für die restlichen Flächen. Darunter sind viele hoch kontaminierte Rieselfelder, auf denen der Anbau von Nahrungsmitteln für Menschen ohnehin nicht zugelassen ist. Die Konkurrenz zwischen Ökokraftstoff und Nahrungsmitteln wäre hier also nicht gegeben. Stattdessen sollen auf den Rieselfeldern Energiewälder entstehen. Robinien, Weiden oder Pappeln wachsen schnell und könnten schon nach fünf Jahren abgeerntet, zu Pellets verarbeitet und verheizt werden.

Ein erstes Pilotprojekt entsteht auf 20 Hektar bei Wansdorf nahe Hennigsdorf im Nordwesten Berlins. 20 Hektar Energiewald legen die Stadtgüter dort an, es sollen einmal bis zu 70 Hektar werden. Aus einem Klärwerk der Wasserbetriebe soll Wasser kommen, das sonst Richtung Havel abfließen würde. Das, so sagt Hecktor, sei auch ein Beitrag gegen die wegen des Klimawandels zunehmende Trockenheit außerhalb des Berliner Urstromtales. Ziel müsse sein, das Wasser länger in der Region zu halten und zu nutzen.

Wenn das Pilotprojekt erfolgreich funktioniert, ist weitaus mehr in Planung. Eine Tochter des Energiekonzerns RWE denkt über einen viel größeren Wald schnell wachsender Energiepflanzen bei Königs Wusterhausen südlich der Stadt nach. Bis zu 500 Hektar Energiewald wären dort möglich. Experten kalkulieren, dass sich aus der Trockenmasse der Bäume pro Hektar jährlich 700 Liter Heizöl gewinnen lassen. Der Energiewald könnte also bis zu 350.000 Liter Heizöl liefern.

Eine der größten Fotovoltaikanlagen in Brandenburg entsteht

Während die Energie aus dem Wald noch im Planungsstadium steckt, ist Berlins Ökoenergiegürtel durch Solaranlagen bereits im Entstehen. Vergangene Woche unterzeichneten die Stadtgüter einen Pachtvertrag mit dem Solarmodulhersteller und Kraftwerksbetreiber Q-Cells aus Bitterfeld. Der weltgrößte Modulproduzent aus Sachsen-Anhalt baut auf 40 Hektar auf der in Brandenburg gelegenen Seite des ehemaligen Militärflughafens Staaken eine der größten Fotovoltaikanlagen in Brandenburg. Wenn die Gemeinde Dallgow-Döberitz das Gewerbegebiet zur Sonderfläche für solare Energiegewinnung umgewidmet hat, kann der Bau der 18-Megawatt-Anlage beginnen.

Q-Cells-Projektleiter Axel Warmut hofft, die Anlage Ende 2010 fertig zu haben. Dann könnten fast 4000 Haushalte daraus Solarstrom beziehen. Wenn noch der benachbarte Bezirk Spandau zustimmt, ließe sich das Solarkraftwerk grenzüberschreitend auf Berliner Seite erweitern. Für Q-Cells wäre das gut. Je größer das Kraftwerk, desto eher rentiert sich die Investition für Trafo und Schaltstationen, um den Sonnenstrom ins Netz einzuspeisen.

Zudem verhandeln die Stadtgüter über die Anlage einer Solaranlage auf dem Gelände einer stillgelegten Mülldeponie bei Vogelsdorf östlich der Stadt. Insgesamt scheint die Zeit für Investitionen in Solarkraftwerke in Deutschland günstig: Die großen Modulhersteller wie Q-Cells spüren die Wirtschaftskrise in den wichtigsten Absatzmärkten USA und Spanien. Q-Cells stellt jedes Jahr Module mit einer Leistung von bis zu 900 Megawatt her. „Die will die Firma auch verbauen“, sagt Warmut. Bei Leipzig läuft bereits eine 40-Megawatt-Anlage, nahe dem Firmensitz Bitterfeld sind zuletzt acht Megawatt ans Netz gegangen. Neben der Fotovoltaik sieht die Untersuchung der Stadtgüter noch ein erhebliches Potenzial für Windkraft, vor allem bei Großbeeren.