Suizid

Verschwörungstheorie im Fall Heisig widerlegt

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Hans H. Nibbrig

Die Zweifel am Selbstmord von Kirsten Heisig sind ausgeräumt. Die Berliner Staatsanwaltschaft veröffentlichte die Ermittlungsergebnisse zum Tod der Jugendrichterin.

Die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig hat sich selbst getötet. Daran bestehen nach den jetzt durch die Staatsanwaltschaft bekanntgegebenen Details zu den Umständen ihres Todes keine Zweifel mehr. Die 48-Jährige war Anfang Juli dieses Jahres tot in einem Waldstück in Heiligensee gefunden worden. Nachdem die Staatsanwaltschaft lange Zeit nur spärlich Informationen zu dem Fall gegeben hatte, war sie nach einer Klage eines Münchener Journalisten Anfang dieser Woche vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verpflichtet worden, nähere Auskünfte über die Begleitumstände des Todes von Kirsten Heisig zu erteilen.

Die Erklärung mit zahlreichen Detailangaben, die Justizsprecher Martin Steltner am Freitag veröffentlichte, lässt bei objektiver Bewertung keinen Raum mehr für die zum Teil abenteuerlichen Mutmaßungen und Gerüchte, die seit dem Tod der Richterin in Umlauf sind. „Die Staatsanwaltschaft hofft insbesondere im Interesse der Angehörigen, dass durch die Veröffentlichung dieser Ermittlungsdetails die Spekulationen jetzt ein Ende finden“, sagte Steltner am Freitag.

Der Justizsprecher verteidigte zudem die bisherige Informationspolitik der Staatsanwaltschaft zum Tod von Richterin Heisig. Die Behörde hatte nach dem Fund der Leiche lediglich mitgeteilt, dass es sich bei der Toten um Kirsten Heisig handelte. Dass die Richterin sich, wie schnell durchsickerte, erhängt hatte, wurde weder bestätigt noch dementiert, weitere Auskünfte gab es nicht. Es sei schon immer ein normales, auch von den Medien weithin akzeptiertes Verfahren gewesen, bei einem Suizid keine weiteren Auskünfte zu erteilen, zeigte sich Steltner verwundert über die Kritik. „Darüber hinaus gibt es schutzwürdige Interessen einer Person, die auch mit ihrem Tod nicht enden. Und es ging uns bei unserer Entscheidung darum, so wenig wie möglich von den zum Teil mehr als unschönen Einzelheiten des Falles bekannt zu geben, vor allem um die Interessen der Angehörigen, insbesondere der beiden Töchter“ stellte der Sprecher klar.

„Das Bild, das sich uns bot, war in der Tat schlimm“, sagte ein Ermittler, der dabei war, als Kirsten Heisig am 3. Juli gefunden wurde. Als genauen Fundort der Leiche gab die Staatsanwaltschaft jetzt einen Ort im Tegeler Forst an, der als „Heiligenseer Sandberge“ bekannt ist. Was in der Mitteilung der Behörde über die genaue Auffindesituation ausgesagt wird, lässt sich kaum beschreiben. Klar ist hingegen nach mehreren rechtsmedizinischen Untersuchungen, dass die Richterin sich erhängt hat und dass sich weder an der Leiche noch im Umfeld des Fundortes Spuren fanden, die auf ein Verbrechen hindeuten könnten. Es fehle jeder Hinweis auf eine Gewaltanwendung, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Die Ermittlungsbehörde verwies zudem auf zwei ihrer Ansicht nach deutliche Anhaltspunkte auf ein „planvolles Vorgehen“ von Frau Heisig bei ihrer Selbsttötung. Danach hatte die Richterin unmittelbar vor ihrem Tod ihre Rechtsanwältin aufgesucht und verfügt, dass sie im Falle ihres Todes an einer bestimmten von ihr bezeichneten Stelle begraben werden wolle. Und am gleichen Tag löste sie in einer Apotheke ein Rezept für ein Medikament gegen Depressionen ein. Eine Überdosis dieses Mittels wurde bei der Obduktion ihrer Leiche festgestellt. All diese Details hatte die Staatsanwaltschaft bislang nicht bekannt gegeben. Dagegen klagte der Münchener Journalist und Autor Gerhard Wisnewski und bekam vor dem Oberverwaltungsgericht schließlich recht. Wisnewski gehörte vom ersten Tag nach dem Fund der Leiche zu denen, die über eine Ermordung von Kirsten Heisig spekulierten. Die zahlreichen Verschwörungstheoretiker mutmaßten unter anderem, die Richterin sei von Mitgliedern eines libanesischen Familienclans umgebracht worden und der Berliner Senat habe die Ermittlungsbehörden gedrängt, das Verbrechen als Suizid auszugeben. An absurden Vermutungen herrschte nach dem Tod von Kirsten Heisig kein Mangel, selbst Thilo Sarrazin wurde als möglicher Mörder genannt.

Auch Autor Wisnewski hat Erfahrungen mit Verschwörungstheorien. In seinen bislang veröffentlichten Büchern verbreitet der Münchener teilweise abenteuerliche Theorien. So äußert er die Vermutung, für die in den siebziger und achtziger Jahren verübten Terroranschläge und Morde sei keinesfalls die RAF verantwortlich, die Taten seien vielmehr Teil eines staatlichen Komplotts. Ferner glaubt er, Hinweise zu haben, wonach die Mondlandung durch die Amerikaner nie stattgefunden hat und der Unfalltod des österreichischen Politikers Jörg Haider in Wahrheit ein Mordanschlag war.

Jetzt widmet sich der Autor den Umständen des Todes von Kirsten Heisig. Ob aus seinen Aneinanderreihungen von Spekulationen jemals ein Buch wird, ist noch unklar.

So oder so könnte sich die Hoffnung von Justizsprecher Martin Steltner, dass die Tote ihren Frieden und ihre Angehörigen endlich Ruhe finden, ein frommer Wunsch bleiben.