Die prominente Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig hat sich selbst getötet. Bei der Obduktion sei ein Fremdverschulden am Tod der 48-Jährigen ausgeschlossen worden, teilte Staatsanwaltssprecher Martin Steltner am Sonntag mit. Weitere Einzelheiten nannte er nicht.
Nach tagelanger Suche hat die Polizei die Leiche der seit Montag vermissten Juristin gefunden. Die Tote sei am Sonnabend 13.45 Uhr in der Nähe des Fundortes von Heisigs Auto in einem Waldstück der Nähe der Straße Elchdamm im Stadtteil Heiligensee entdeckt worden. Das bestätigte Polizeisprecher Frank Millert, ohne zunächst Angaben zur Identität der gefundenen Person zu machen. Allerdings würden die Kleidungsstücke darauf hindeuten, dass es sich bei der Toten um die vermisste Richterin handelt. Spuren einer Fremdeinwirkung, die zum Tode führten, seien dem Augenschein nach nicht erkennbar gewesen. Möglicherweise hat Kirsten Heisig sich erhängt. Darauf deuten Informationen der Berliner Morgenpost hin. Noch am Abend wurde die Leiche obduziert.
Am Sonnabend waren noch im Reinickendorfer Ortsteil Heiligensee fünf Trupps mit Leichenspürhunden im Einsatz. Gegen 8.30 Uhr war die Suche wieder aufgenommen worden. Dabei wurde zunächst auf einem 15 Hektar großen Getreidefeld nach der Richterin gesucht. Am Freitagabend hatten speziell ausgebildete Spürhunde die Beamten zu dem Feld geführt, das sich mehr als einen Kilometer entfernt von der Stelle befindet, wo das Auto der 48-Jährigen abgeschlossen und geparkt entdeckt worden war. „In der Nacht war dort ein Hubschrauber der Bundespolizei mit Wärmekamera eingesetzt worden“, sagte ein Polizeisprecher. Der Einsatz war erst in der Nacht gegen 0.30 Uhr beendet.
Nachdem zunächst unterschiedlich spezialisierte Spürhunde keine Erkenntnisse brachten, stieg erneut ein Helikopter über dem Getreidefeld auf. Aus geringer Höhe wurden zahlreiche Fotos geschossen und anschließend ausgewertet. Anschließend wurde nach Polizeiangaben eine an der Ruppiner Chaussee stationierte Einsatzhundertschaft zur Suche in einen Teil des Feldes geschickt, der vom Hubschrauber nicht so gut einsehbar war. Die Beamten bildeten eine Kette und suchten mit Stöcken, bahnten sich dabei einen Weg durch die hoch gewacgsene Vegetation.
Später ging die Suche entlang der Heiligenseestraße weiter, wobei sich die Suchtrupps in Richtung Elchdamm bewegten. Zwischen dem Schauflerpfad und der Heiligenseestraße ließ die Einsatzleitung einen Teil des Elchdammes und ein größeres angrenzendes Waldstück vorübergehend absperren. Nach Angaben von Polizeisprecher Burkhard Opitz sollte die Suche der Beamten dort ungestört und ohne Anwesenheit von Passanten und Joggern vorangetrieben werden. Dazu mussten die Anwohnerstraßen frei gehalten werden. In den frühen Abendstunden sollten die Spürhunde, nach einer ausgedehnten Erholungspause, erneut die Arbeit aufnehmen. Stattdessen wurde – beinahe überraschend – der Leichnam entdeckt. Bis zuletzt war gehofft worden, die couragierte und sportliche Frau unversehrt zu finden.
Bereits am Montag war die plötzliche Abwesenheit von Frau Heisig in ihrer Dienststelle am Amtsgericht Tiergarten aufgefallen. Am gleichen Tag war sie nach Polizeiangaben abends noch bei Verwandten in Reinickendorf gewesen. Ihnen war den Ermittlern zufolge an Kirsten Heisigs Verhalten nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Auch habe sie keinerlei Andeutungen über persönliche Probleme gemacht. Am Dienstag hatte dann ihr Ehemann, ebenfalls ein Jurist, Kirsten Heisig als vermisst gemeldet.
Justizsenatorin tief erschüttert
Die Richterin war mit ihrem konsequenten Vorgehen gegen kriminelle Jugendliche bekannt geworden. Sie war für den Problembezirk Neukölln zuständig. „Wir in Neukölln haben eine kluge Ratgeberin und gute Freundin verloren“, sagte gestern der sichtlich geschockte Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), der mit der Richterin gut befreundet war. „Das ist eine so tragische Geschichte, Frau Heisig war so ein lebenslustiger Mensch“, sagte Buschkowsky. Ihr Tod sei für ihn unfassbar. „Mir werden die Diskussionen mit ihr sehr fehlen“, sagte der Bezirkschef, der mit der 48-Jährigen mehrere Reisen nach London, Rotterdam und in andere Großstädte unternommen hatte, um sich dort über die Integration jugendlicher Migranten zu informieren.
Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sagte: „Ich bin tief erschüttert über ihren Tod. Mein Mitgefühlt gilt ihrer Familie, die jetzt mit dem schrecklichen Gefühl fertig werden muss.“ Die Senatorin hatte die Presse in die Justizverwaltung geladen, um die Spekulationen zu beenden und das Wirken der Jugendrichterin zu würdigen. „Kirsten Heisig war eine außerordentlich engagierte und mutige Richterin. Sie hat sich große Verdienste im Kampf gegen die Jugendkriminalität erworben, insbesondere im Bereich der Gewaltkriminalität.“
In ihrer unerschütterlichen und beharrlichen Art sei sie persönlich in Schulen, Jugendämter und zu Eltern gegangen, um dort ihre Anliegen zu vertreten. Sie habe es geschafft, Strafsachen auf einem kurzen Weg zu ahnden und die Verfahren damit zu beschleunigen. „Kirsten Heisig hat sich nie gescheut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Unser Auftrag wird es sein, ihr Anliegen weiterzuführen. Wie werden sie sehr vermissen“, sagte die Senatorin.
Mit großer Bestürzung reagierte CDU-Chef Frank Henkel: „Ich bin zutiefst erschüttert und frage mich, welche menschliche Tragödie dahinter steckt. Mein ganzes Beileid gilt jetzt der Familie.“
Ramona Pop und Volker Ratzmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, würdigten Heisigs Verdienste: „Kirsten Heisig war eine streitbare und engagierte Richterin. Mit großem Einsatz hat sie sich dem Problem der Jugendkriminalität gewidmet. Mit ihrem Namen ist die Entwicklung des sogenannten Neuköllner Modells verbunden. Das ist das beschleunigte Gerichtsverfahren gegen junge Straftäter, das in ganz Berlin umgesetzt wird und bundesweit Beachtung findet.“