Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat seine Partei dazu aufgerufen, geschlossen und kreativ für einen erneuten SPD-Regierungsauftrag nach der Wahl 2011 zu kämpfen. Die SPD stehe für das soziale Miteinander, für eine offene und tolerante Stadt, die andere Kulturen respektiere und niemanden ausschließe, sagte Wowereit am Sonnabend auf einem Landesparteitag der Berliner SPD. „Das wird nicht leicht sein, die SPD steht zu dieser Stadt, wir sind die Berlin-Partei“, betonte Wowereit, der sich am 18. September 2011 zur dritten Wiederwahl seit Juni 2001 stellt. Seine kämpferische, knapp eineinhalbstündige Rede wurde von den rund 220 Delegierten minutenlang beklatscht.
Wowereit verwies auf die Erfolge des SPD-geführten, roten-roten Senats mit Konsolidierung des Haushaltes, gebührenfreier Bildung in Kitas und Hochschulen und laut Wowereit mehr als 100.000 neuen Arbeitsplätzen seit 2005. „Wir versprechen keine Arbeitsplätze, wir schaffen Arbeitsplätze“, sagte er mit einem Seitenhieb auf das Wahlversprechen der Grünen. Die SPD wolle Berlin zu einer Hauptstadt der Elektromobilität ausbauen, wobei sie nicht nur Testmarkt sein solle. „Wir wollen auch die Produktion hier.“
Auch sprach er sich erneut für den umstrittenen Weiterbau der Autobahn aus. „Solarzellen hüpfen nicht aus der Fabrik auf das Dach des Ökohauses, da braucht man Infrastruktur dazu gehört manchmal auch ein Teilstück Autobahn.“
"Sexy bleiben wir sowieso"
Deutlich verteidigte Wowereit seinen früheren Leitspruch, „Berlin ist arm aber sexy“ gegen Kritik gerade von seiner Herausforderin, der Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast. Menschen in aller Welt hätten verstanden, was er damit habe sagen wollen, betonte der 57-Jährige. Berlin könne bei Wohlstand nicht mit Hauptstädten wie Paris oder London mithalten. „Aber diese Stadt hat etwas, was man mit Geld nicht kaufen kann: Eine Ausstrahlung, eine Anziehung, eine Wildheit und eine Schönheit, wie es sie in dieser Kombination nicht nochmal auf dieser Welt gibt. Und das bedeutet, arm aber sexy sein“, rief Wowereit unter dem Jubel der Delegierten. Die Stadt und der Senat hätten hart daran gearbeitet, weniger arm zu sein, was zumindest vor der Finanzkrise mit ausgeglichenen Haushalten in 2007 und 2008 gelungen sei. „Sexy bleiben wir sowieso, das lassen wir uns nicht abnehmen.“
Die SPD werde für mehr Arbeitsplätze gerade in nachhaltigen Zukunftstechnologien kämpfen, für weiterhin bezahlbare Mieten und eine saubere Umwelt, sagte Wowereit. Die SPD steht nach den Worten des Regierungschefs auch zum Ausbau des künftigen Hauptstadtflughafens BBI und zu seinen Landesbetrieben. Sie nähmen wichtige Versorgungs- und Kontrollfunktionen in der öffentlichen Daseinsvorsorge wahr. Das wollten die Sozialdemokraten auch auf den Wasser- und Energiesektor sowie auf den öffentlichen Nahverkehr ausweiten. Der Regierende machte sich somit für eine Rekommunalisierung von ehemals landeseigenen Betrieben stark. Als Beispiel nannte er die S-Bahn oder die Wasserbetriebe. Dabei handele es sich nicht, wie von der Industrie- und Handelskammer (IHK) befürchtet, um „Verstaatlichungsphantasien“. „Wir wollen aber darüber diskutieren, wie wir im Bereich der Daseinsvorsorge noch mehr Verantwortung übernehmen können.“
Wowereit will mehr Aufstiegswillen einfordern
Wowereit sagte weiter, die Stadt sei angewiesen auf Zuwanderung. Integration dürfe aber nicht nur gepredigt, sondern müssen auch gelebt werden. Derjenige, der beispielsweise eine andere Religion, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung habe, müsse respektiert werden.
Selbstverständlich sei in der Integration nicht alles gelungen und die Probleme dürften nicht ignoriert werden, räumte der Regierende Bürgermeister ein. Er lasse sich aber nicht einreden, dass Multi-Kulti gescheitert sei. Diese Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei „Wirklichkeitsverweigerung“ davor, dass „wir in einer Gesellschaft leben, in der unterschiedliche Kulturen zusammenkommen“.
Es dürfe aber nicht geduldet werden, dass junge Menschen dem Unterricht fernbleiben oder kriminell werden, fügte der SPD-Politiker hinzu. Es müsse ein Aufstiegswille eingefordert werden, „der sich Bahn bricht“. Dies gelte für Deutsche und Nicht-Deutsche.
Müller greift Künast an
Der Berliner SPD-Chef Michael Müller sagte, „wir wollen dafür kämpfen, dass diese Partei die Nase vorn hat und stärkste Kraft bleibt“. Der Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast warf er vor, bislang keine inhaltlichen Aussagen gemacht zu haben. Ohne Künast beim Namen zu nennen, hielt er ihr, die Stadt und ihre Bewohner nicht zu kennen. Müller bezog sich auf ein Interview von Künast, in dem sie die Berliner aufgefordert hatte, sich anzustrengen. „Die Frau war offenbar sehr lange sehr weit weg“, kritisierte Müller. Künast habe offenbar nicht mitbekommen, dass die Berliner sich in den vergangenen Jahren zusammen mit dem Senat schon sehr angestrengt hätten. Vor allem habe sich das bei ihrem jahrelangen rund zehnprozentigen Einkommensverzicht im Rahmen des Solidarpakts gezeigt. Viele Mitarbeiter im öffentlichen Dienst wie Polizisten, Erzieher und Lehrer arbeiteten oft länger als vorgeschrieben. „Sie alle haben es nicht nötig, Nachhilfeunterricht in Sachen Engagement zu bekommen.“ Ansonsten habe Künast viel Kritik an dem aus ihrer Sicht untätigen Senat und einer angeblich blockierten Stadt geübt, sagte Müller. Doch die Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin habe anschließend wenig an eigenen Ideen und Konzepten geboten. „Das war enttäuschend.“
Der SPD-Kreisvorsitzende von Charlottenburg-Wilmersdorf, Christian Gabler, rief die Delegierten dazu auf, sich in Zeiten der „Renate-Festspiele“ nicht „irre machen zu lassen“. Weder in Deutschland noch in Berlin sei die Sozialdemokratie „überflüssig“. „Wir haben allen Grund, selbstbewusst in die nächsten zehn Montage zu gehen“, sagte er mit Blick auf die Wahl am 18. September kommenden Jahres.
Hannelore Kraft findet Berlin vorbildlich
Als Gastrednerin ermutigte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Berliner SPD, mit Zuversicht in den Wahlkampf zu gehen. „Lasst Euch nicht kirre machen, Kopf hoch, Brust raus – für diese Inhalte gibt es eine große Mehrheit in Deutschland“, sagte Kraft mit Blick auf die hohen Umfragewerte für die Grünen, die mit zuletzt 30 Prozent mehrere Punkte vor der SPD lagen. Berlin sei Vorbild in schulischer Bildung und Kita-Betreuung, dem die SPD in NRW nacheifern wolle. 14.000 zusätzliche Kita-Plätze, Gebührenfreiheit und Ganztagsschulen, dieses Angebot in Berlin könne sich sehen lassen.
Am Nachmittag wollten die Delegierten erste Teile ihres Wahlprogramms beraten. Im Mittelpunkt stehen die Themen innovative Industriepolitik und mehr öffentlicher Einfluss auf die Versorgung mit Strom, Gas und Wärme. Auch die Zukunft der S-Bahn nach eineinhalb Jahren Chaos soll diskutiert werden. Dabei überlegt die SPD, die S-Bahn in kommunale Regie zu übernehmen, wenn der Mutterkonzern Deutsche Bahn nicht bald wieder den vollen S-Bahn-Verkehr zusichern kann.