Bei den Grünen sammelt man Spitzenpersonal, das mit Renate Künast den Wahlkampf zur Abgeordnetenhauswahl 2011 bestreiten soll. Es wird schon über Regierungsposten diskutiert.

Einen Tag nach der Bekanntgabe der Spitzenkandidatur Renate Künasts für die Berliner Wahlen im kommenden Herbst hat die Diskussion über das mögliche Regierungspersonal der Grünen begonnen. Die mitgliederschwächste der vier großen Parteien SPD, CDU, Grüne und Linke verfügt nur über eine dünne Personaldecke. Zugleich aber gibt es bei den Grünen in den Länderparlamenten eine lange Tradition, parteilose Kandidaten für Senatoren- und Ministerposten zu nominieren. „Natürlich versuchen wir ständig, qualifizierte Leute für uns zu gewinnen“, sagt Landeschef Stefan Gelbhaar. „Aber ich bin guter Dinge.“

Als sichere Anwärterin auf einen Senatorenposten gilt Sibyll Klotz. Sie war im Abgeordnetenhaus Fraktionschefin sowie Spitzenkandidatin ihrer Partei, bevor sie 2006 als Sozialstadträtin nach Tempelhof-Schöneberg auf die Bezirksebene wechselte. Klotz ist weit über die Partei hinaus als Fachfrau anerkannt. Zudem hat sie in den vergangenen vier Jahren gelernt, eine Behörde zu leiten.

Auch an Fraktionschef Volker Ratzmann wird kein Weg vorbei führen. Der Jurist galt zunächst als Kandidat für das Wirtschaftsressort, inzwischen wird er aber als künftiger Innensenator in Berlin gehandelt. Er selbst hält die Personaldiskussion für verfrüht. „Das ist wirklich nicht unser Thema der Stunde“, sagte er gestern auf dem Rückweg von der Anti-Atom-Demonstration in Gorleben. „Zuerst wollen wir den Bären erlegen.“

Als ministrabel sehen die Grünen auch ihren Baustadtrat aus Pankow, Jens-Holger Kirchner, an. Der 51-Jährige aus Prenzlauer Berg ist seit Langem in Berlin politisch aktiv und gilt als kompetenter Politiker, dem die Grünen zutrauen, das Ressort Stadtentwicklung zu führen. Zurzeit zieht er sich den Ärger der Autofahrer in Prenzlauer Berg zu, weil er zu viele Bauarbeiten gleichzeitig auf den Straßen zulässt.

Der Posten des Stadtentwicklungssenators könnte auch mit Michael Cramer besetzt werden. Cramer war lange verkehrspolitischer Sprecher im Abgeordnetenhaus und sitzt derzeit für die Grünen im Europaparlament. Seine Berufung wäre ein klares politisches Votum für eine ökologisch geprägte Verkehrspolitik. Cramer kämpft seit Jahrzehnten für einen fahrradgerechten Ausbau der Straßen und ist Initiator des Berliner Mauerradweges.

Als ausgemacht gilt, dass der enge Vertraute der designierten Spitzenkandidatin, Andreas Schulze, mindestens Vizeregierungssprecher wird. Der Leiter der Präsidentschaftskampagne Joachim Gaucks und jetzige Künast-Stratege war bereits Pressesprecher von Renate Künast, als sie Bundesministerin für Verbraucherschutz war. Für Schulze, wie für Klotz und Kirchner auch, spricht ihre Herkunft aus dem Ostteil der Stadt in der sonst west-dominierten Parteispitze.

Aussichten auf das Kulturressort hat Alice Ströver. Sie war bereits 2001 Staatssekretärin im rot-grünen Übergangssenat unter Senatorin Adrienne Goehler. Der Abgeordnete Oliver Schruoffeneger gilt als sicherer Kandidat für ein Staatssekretärsamt in der Finanzverwaltung. Unklar ist dagegen, welches Amt für Jochen Esser denkbar ist. Der „Wirtschaftsweise der Partei“ könnte eine zentrale Aufgabe in der Senatskanzlei übernehmen.

Seine politische Zukunft offen lässt zurzeit noch Landeschef Stefan Gelbhaar. Bis zum Ende des Jahres will er sich entscheiden, ob er erneut für den Landesvorsitz kandidiert oder den Sprung ins Abgeordnetenhaus wagt. Er wäre der erste Landesvorsitzende der Berliner Grünen, dem das gelänge.

Dagegen sieht es für die Kreuzberger Bezirksmannschaft schlecht aus. Ausgerechnet zum Beginn der Schulstrukturreform am Ende der Sommerferien waren die beiden entscheidenden Stadträtinnen in Urlaub. So konnten Schulstadträtin Monika Herrmann (Grüne) und Baustadträtin Jutta Kalepky (parteilos, für die Grünen) nicht miterleben, wie der Start der Reform in Friedrichshain-Kreuzberg gründlich danebenging. In keinem anderen Bezirk standen so viele Schulumzüge an, aber es lief einiges schief, während die beiden Frauen abwesend waren. Der Vorfall warf kein gutes Licht auf die Bezirkspolitiker der Grünen in Kreuzberg.

Auch der langjährige Kreuzberger Stadtrat und Bezirksbürgermeister Franz Schulz gilt vielen Grünen als rotes Tuch. Sein Verhalten im Streit um Mediaspree und um das Gleisdreieck, wo er den geplanten Sportplatz zugunsten einiger Kleingärten aufgab, werten Kritiker als Unzuverlässigkeit.

Das wohl größte politische Talent der Berliner Grünen ist die 33 Jahre alte Fraktionschefin Ramona Pop. Für die Arbeits- und Sozialexpertin käme ein Regierungsposten jedoch wohl zu früh. Ihr wird deshalb wahrscheinlich die Aufgabe zukommen, die neue – und viel größere – Fraktion im Abgeordnetenhaus weiter zu führen und zusammenzuhalten.

Völlig unklar ist, was aus Wolfgang Wieland wird. Vor der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2001 war abgemacht, dass Wieland an die Spitze der Innenverwaltung wechseln wird. Doch dann kam es anders, die SPD koalierte mit der PDS (heute Linke), und Ehrhart Körting, der das Amt nur übergangsweise bekleiden wollte, übernahm den Posten. Aus dem geplanten halben Jahr sind inzwischen zehn Jahre geworden. „Wir werden sehen“, sagt Wieland jetzt mehrdeutig. Er werde sich jedenfalls nicht in den Vordergrund drängen, sondern müsse gefragt werden.