Namen oder Nummer

Polizeigewerkschaft will Kennzeichnung kippen

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Jens Anker
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Entscheidung zwischen Nummer oder Name

Als erstes Bundesland führt Berlin vom 1. Januar an die individuelle Kennzeichnung von Polizisten ein. Die Beamten tragen künftig an ihrer Uniform Schilder mit ihrem Namen oder einer Nummer. Die Entscheidung für eine der beiden Möglichkeiten liegt bei dem einzelnen Polizisten.

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Durch Namensschilder oder Nummern müssen die Beamten im Dienst identifizierbar sein. Für Innensenator Körting ein guter Kompromiss, für die Gewerkschaft der Polizei nicht akzeptabel – sie will klagen.

Uniformierte Polizisten in Berlin haben künftig die Wahl, ob sie Abzeichen mit ihrem Namen oder einer Nummer darauf tragen. Das entschied die Einigungsstelle für Konfliktfälle im öffentlichen Dienst des Landes am Freitag. Die Polizeigewerkschaften, die die Kennzeichnung der Polizisten ablehnen, wollen allerdings gegen die Einführung der Namens- oder Nummernpflicht klagen. „Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Entscheidung des Parlamentes im Wahljahr zu erzwingen oder die Zwangskennzeichnung zu kippen“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Purper.

Der Polizeipräsident und der Senat befürworteten die Einführung, der Hauptpersonalrat und die Landes-CDU lehnen sie dagegen ab. Den Ausschlag für die Entscheidung gab der Arbeitsrichter, der dem Gremium vorstand, das paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Der Richterspruch entspricht seinem Mitte November vorgestellten Kompromissvorschlag.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, er halte die Entscheidung für einen „vernünftigen Kompromiss“, der zur Beruhigung beitrage und Ängste nehmen könne. Die Befürchtung, dass Beamte durch die Kennzeichnung Repressalien ausgesetzt werden, hält er für eine „ideologische Schutzbehauptung“. Er sieht die Entscheidung vielmehr als Zeichen von Bürgerfreundlichkeit. Zudem gehe er davon aus, dass die Einführung per Dienstanweisung ausreichend sei. Wer die Regelung per Gesetz einführen wolle, müsse vor Gericht ziehen. Nach Überzeugung des Innensenators wird das Vorbild Berlins Nachahmer finden. „Was Berlin jetzt gemacht hat, wird irgendwann zu einem Dominoeffekt führen.“ Andere Bundesländer lehnen die individuelle Kennzeichnung der Beamten bislang weitgehend ab.

Der Vorsitzende des Innenausschusses, Peter Trapp (CDU), hält den gefundenen Kompromiss dagegen für „ein Unding“. Der Senat solle ehrlich sagen, dass er seinen Polizisten nicht traue. Er hält die Begründung, die Polizei solle bürgernäher erscheinen, für vorgeschoben. „Es ist nicht bürgernah, den Polizisten mit einer Nummer anzusprechen“, sagt Trapp. Der Innenpolitiker sieht die Beamten einer Gefahr ausgesetzt. Schon jetzt kursierten Namen von Polizisten in extremistischen Kreisen. Die Zwangskennzeichnung mache eine Identifizierung nun leichter. Vor allem die Familien der Beamten würden darunter leiden, sagte Trapp.

„Schwarzer Tag“

Die Vorsitzende des Hauptpersonalrates, Benita Hanke, ist nach eigenen Angaben ebenfalls „nicht glücklich“ mit der Entscheidung. Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Bodo Pfalzgraf, sprach von einem „schwarzen Tag“ für die Berliner Beamten. Er kündigte an, die Entscheidung rechtlich sorgfältig prüfen zu lassen und dann gegebenenfalls zu klagen. Die Grünen halten die Regelung für einen „sinnvollen Kompromiss“, sagte Innenexperte Benedikt Lux.

Andere Bundesländer lehnen die individuelle Kennzeichnung der Beamten ab. Nach Bekanntwerden von Übergriffen von Polizisten wie etwa bei der Demonstration „Freiheit statt Angst“ im vergangenen Jahr oder nach dem Polizeieinsatz gegen „Stuttgart 21“-Gegner mit zahlreichen Verletzten waren jedoch immer wieder Forderungen laut geworden, Beamte bei Einsätzen identifizierbar zu machen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte sich kurz vor der Entscheidung dafür ausgesprochen, Polizisten zum Tragen von Namens- oder Nummernmarken zu verpflichten. Er glaube nicht, dass ein Polizeibeamter sich fürchten müsse, nur weil er zu identifizieren sei, sagte er. Es sei sinnvoll, dass der Bürger wisse, mit wem er es zu tun habe.

Europaweit ist die namentliche Kennzeichnung die Ausnahme, wie aus einem Gutachten hervorgeht, dass der sächsische Landtag eingeholt hat. Demnach tragen Beamte in Tschechien, Großbritannien, Spanien und Nordirland individuelle Nummern, in den Niederlanden ist ein Namensschild außer für Beamte von geschlossenen Einheiten Pflicht. Dem Gutachten zufolge hat die Polizei in New York, Los Angeles und Chicago gute Erfahrungen mit der namentlichen Kennzeichnung von Polizisten gemacht. In Los Angeles sei das Ansehen der Polizei bei den Bürgern gestiegen. Dagegen sieht ein weiteres Gutachten der Freien Universität in der Kennzeichnung keine Wirkung auf das Ansehen. „Die vorliegende Untersuchung bestätigt in keiner Weise die Vermutung, dass eine individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten die Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsorgane wesentlich erleichtern würde“, heißt es in dem bislang nicht veröffentlichten Gutachten.