Osthafen

Letzte schwimmende Grenze soll verschwinden

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Sabine Flatau

Foto: picture-alliance/ dpa / dpa

Die Berliner Wasserbehörde lässt den letzten Grenzsteg am Osthafen abreißen. Die Stiftung Berliner Mauer und das Bezirksamt wollen die Anlage retten. Sie ist ein einzigartiges Geschichtszeugnis, sagt der Stiftungsdirektor.

Die vermutlich letzte schwimmende Grenzanlage in Berlin soll aus dem Stadtbild verschwinden. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin will den alten DDR-Zollsteg im Osthafen demontieren lassen, der aus der Zeit des Kalten Krieges stammt. Die Stiftung Berliner Mauer hofft, den geplanten Abriss verhindern zu können. „Es handelt sich um ein einzigartiges Zeugnis der Teilungsgeschichte Berlins“, sagt Direktor Axel Klausmeier. Auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat Bedenken. „Der Steg ist ein Stück Stadtgeschichte und zeigt die Art und Weise, wie sich Ost- und West-Berlin begegnet sind“, sagt Bürgermeister Franz Schulz (Grüne). Doch die Wasserbehörde des Bundes argumentiert, der Steg sei labil geworden und könne umstürzen. Die Rettungsbemühungen kommen möglicherweise zu spät.

Steg soll bis März 2011 verschwinden

Denn der Auftrag für den Abriss ist bereits öffentlich ausgeschrieben. Er schließt den Abtransport und die Entsorgung ein. Es geht um 2300 Tonnen Stahlbeton, die zu beseitigen sind. Bis zum 2. November können sich Firmen dafür bewerben. Bis zum 30. November will das Amt den Zuschlag erteilen. Ende Februar 2011 soll der Steg verschwunden sein. Er ist 480 Meter lang, fast zwei Meter breit und steht auf 258 Stahlbetonpfählen. Außerdem gibt es einen kurzen Zugangssteg. Längst verschwunden sind der Wachturm, die Lichtmasten und Geländergitter, ebenso der nördliche Teil der Anlage. Der Steg sei 1962 als Folge der spektakulären Flucht des Motorschiffs „Friedrich Wolf“ errichtet worden, sagt Stiftungsdirektor Klausmeier. „Nach jeder gelungenen Flucht wurden die Grenzanlagen so verändert, dass sie noch schwerer zu überwinden waren.“

Damals, im Juni 1962, waren 13 Menschen an Bord des Ausflugsdampfers der Weißen Flotte. Sie gelangten unbeschadet nach West-Berlin. Nur 15 Minuten soll die dramatische Fahrt vom Treptower Hafen bis in den Landwehrkanal in Kreuzberg gedauert haben, bei der die „Friedrich Wolf“ von DDR-Grenzsoldaten aus Schnellbooten intensiv beschossen wurde. Der Zollsteg soll auch bei der Rettung von Flüchtlingen eine Rolle gespielt haben. „Wir haben das Anschreiben eines Bürgers bekommen, der davon berichtet“, sagt Bezirksbürgermeister Schulz. Er habe sich an den Gedenkstättenbeauftragten des Senats, Rainer Klemke, gewandt, mit der Bitte zu prüfen, ob der Steg erhalten werden könne. An das Landesdenkmalamt habe sich der Bezirk schriftlich mit der Frage gewandt, ob der Steg unter Denkmalschutz gestellt werden könnte. „Wenn das nicht passiert, hätten wir kein Instrument, um den Abriss zu verhindern.“ Für das Wasser- und Schifffahrtsamt hat die Sicherheit auf der Spree oberste Priorität.

Gefahren für die Schifffahrt

„Wenn ein Schiff aufprallt oder treibende Eisschollen, dann fällt der Steg um“, sagt Amtsleiter Michael Scholz. Er habe schon im vergangenen Winter ein ungutes Gefühl gehabt. Grund der Labilität sind Scholz zufolge Risse und Rost in den Stahlbetonpfählen, auf denen der Steg ruht. Sie seien nicht mehr fest im Untergrund verankert, sondern locker. Der durchgehende Schiffsverkehr dürfe nicht gefährdet werden.

Jetzt will sich auch Klausmeier an das Landesdenkmalamt wenden, um den Steg zu erhalten. Der Direktor der Stiftung Berliner Mauer führt mehrere Gründe ins Feld: „Der Steg ist das letzte in Berlin sichtbare Element der Wassersperre und in seiner Größe einmalig.“ Die zahlreichen anderen Grenzanlagen in Spree und Havel seien bereits verschwunden. Außerdem sei der Zollsteg Teil eines Ensembles erhaltener Anlagen aus der Zeit des Kalten Krieges, zu dem die East Side Gallery und der Wachturm auf dem Speicher in Friedrichshain gehören, außerdem der Grenzwachturm im Schlesischen Busch und die Kunstfabrik am Flutgraben.

Klausmeier weist darauf hin, dass Berlin in den vergangenen Jahren viel Geld in das Mauergedenken investiert hat. Noch existierende Anlagen dürften deshalb nicht einfach verschwinden. „Man muss nach Lösungen suchen, um den Steg zu erhalten.“ Ihm seien Interessenten bekannt, die den Steg nutzen würden. Doch bislang sind private Projekte gescheitert, die das lang gestreckte Bauwerk gegenüber dem MTV-Gebäude im Osthafen einbeziehen wollten. Ein Yachthafen für rund 70 Boote wurde jahrelang geplant, jedoch nie realisiert. Auch ein Hotelprojekt wurde nicht verwirklicht. Derzeit gebe es keine aktuellen Pläne von Investoren, die den Steg nutzen wollen, heißt es aus dem Wasser- und Schifffahrtsamt.

Auch im Internet wird die Forderung laut, den Zollsteg zu erhalten. Nutzer des Forums DDR-Grenze fordern, „dass man so ein einmaliges Zeitdokument nicht einfach abreißen darf“. Es sei eines der letzten Zeugnisse des Kalten Krieges.