Weil Beweise schwach waren und Zeugen “wenig überzeugend“, ist Alexandra R. ist wieder frei: Die junge Frau soll in Berlin Autos angezündet haben und saß deshalb in Untersuchungshaft. Inzwischen aber besteht kein dringender Tatverdacht mehr. Für Berlins Justiz ist das die zweite Niederlage in Sachen Auto-Brandstifter.
Im Zusammenhang mit den anhaltenden Brandanschlägen auf Autos in Berlin laufen in Moabit derzeit zwei Prozesse. Und in beiden Verfahren mussten die Ermittlungsbehörden jetzt schwere Schlappen hinnehmen. Nach teilweise entlastenden Gutachten und "wenig überzeugenden" Aussagen eines wichtigen Belastungszeugen sind die Angeklagten Christoph T. (23) und Alexandra R. (21) nach monatelanger Untersuchungshaft wieder freigelassen worden. Das Verfahren gegen T. wurde zudem ausgesetzt. In beiden Fällen werde ein Freispruch der Angeklagten aus Mangel an Beweisen jetzt immer wahrscheinlicher, heißt es aus Justizkreisen.
Der Haftbefehl gegen Alexandra R. wurde aufgehoben, weil nach derzeitigem Stand der Ermittlungen "kein dringender Tatverdacht mehr besteht", sagte Justizsprecher Robert Bäumel gestern. Am Tag zuvor waren in der Verhandlung bei den Richtern erhebliche Zweifel aufgekommen, ob Alexandra R. tatsächlich die „dunkel gekleidete Frau“ gewesen war, die ein Polizeibeamter am 18. Mai dieses Jahres direkt nach einem Brandanschlag auf einen Pkw an der Liebigstraße in Friedrichshain in unmittelbarer Nähe des Tatorts gesehen haben will.
Auf die Frage der Verteidigung, warum er dazu in seinen früheren Vernehmungen beim Landeskriminalamt (LKA) abweichende Aussagen gemacht habe, antwortete der Beamte: „Das kann ich mir auch nicht erklären.“ Die Aussage einer LKA-Chemikerin, am Tatort seien keine DNA-Spuren von der Angeklagten gefunden worden, war ebenfalls alles andere als geeignet, den Tatverdacht gegen Alexandra R. zu erhärten.
Auch Christoph T., der Angeklagte im zweiten Prozess, ist nach dreimonatiger Untersuchungshaft wieder frei. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, am 17. Juni an der Pettenkoferstraße in Friedrichshain einen Pkw in Brand gesetzt zu haben. Hauptbelastungsindiz der Ermittler waren dabei Bestandteile von Lampenöl, die unmittelbar nach Festnahme des 23-Jährigen an seinen Händen, seiner Kleidung und seinem Rucksack entdeckt wurden.
Doch am Freitag erklärte vor Gericht ein Gutachter zur großen Verwunderung und zum Entsetzen der Anklagevertreter, dass an dem angezündeten Fahrzeug keine Spuren von Lampenöl gefunden wurden. Zudem, führte der Gutachter weiter aus, könnten die Substanzen auch aus Ausdünstungen von Öllampen herrühren und schon Wochen alt sein. Als die Richter nach diesem Vortrag andeuteten, der Prozess laufe auf einen Freispruch für Christoph T. hinaus, beantragte die Staatsanwaltschaft als letztes Mittel ein weiteres Gutachten durch einen Chemiker des Bundeskriminalamts. Wann das Gutachten vorliegt und der Prozess gegen T. wieder aufgenommen werden kann, ist noch unklar.
Bäumel wies darauf hin, dass der Prozess gegen Alexandra R. weitergeführt werde, auch wenn der jetzige Tatverdacht für eine Untersuchungshaft nicht ausreiche. Dennoch ist bei den Ermittlern der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamts bereits Ernüchterung eingetreten. Beide Behörden hatten sich viel von den Verfahren versprochen, insbesondere richtungweisende Urteile mit abschreckender Wirkung auf die linksextremistischen Serienbrandstifter.
Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus, ganz im Gegenteil. In Internetforen der linken Szene wurden die Freilassungen der beiden Verdächtigen als „Sieg über die Klassenjustiz“ gefeiert. „Die fühlen sich jetzt vermutlich ganz stark. Das könnte denen noch mal einen richtigen Schub geben“, sagte ein Ermittler gestern. Dennoch, fügte der Beamte hinzu, müsse man mit dieser Entwicklung leben, auch wenn sie enttäuschend sei: „Wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn die Beweise nicht ausreichen, kann es auch keine Verurteilung geben.“
Unterdessen brannte auch in der Nacht zu gestern ein Pkw. An der Rigaer Straße in Friedrichshain traf es einen BMW. Das Fahrzeug wurde stark beschädigt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus, der Staatsschutz ermittelt.
hhn/hed