Vor dem heutigen dritten S-Bahn-Krisengipfel hat der Berliner Fahrgastverband Igeb die Deutsche Bahn dazu aufgerufen, den Kreis der zu entschädigenden Fahrgäste zu erweitern. "Die Ausfälle bei der S-Bahn haben im Juli ein solches Ausmaß erreicht, dass eine Entschuldigung nur mit Worten zu wenig ist", sagte der Verbandschef Christfried Tschepe.
Der Verband hält es für nicht gerechtfertig, dass nur Fahrgäste mit einer Entschädigung rechnen können, die Abonnenten von Monatstickets oder Käufer von Jahreskarten sind.
Bei Bekanntgabe des Notfahrplans für die S-Bahn vor vier Wochen hatte Bahn-Vorstand Ulrich Homburg auch eine "freiwillige Kompensationsleistung" für Stammkunden angekündigt. Alle, die im Dezember noch über ein Abonnement oder eine Jahreskarte für die Tarifbereiche AB, BC oder ABC verfügen, sollen einen Monat lang "freie Fahrt" haben. Dabei sei es unerheblich, ob der Kunde sein Abo bei der S-Bahn, der BVG oder einem anderen Unternehmen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) abgeschlossen hat. Berücksichtigt werden auch das Abo 65plus sowie Schüler-, Auszubildende- und Firmentickets. Nach Bahn-Angaben wird diese Entschädigungsregelung, deren genaue Modalitäten erst noch bekannt gegeben werden sollen, das Unternehmen bis zu 25 Millionen Euro kosten. Laut VBB können mehr als 500 000 Abonnenten auf einen Monat Gratisfahrt hoffen.
Der Fahrgastverband begrüßt die Kulanzregelung ausdrücklich. Allerdings grenze die bisherige Differenzierung wichtige Stammnutzer öffentlicher Verkehrsmittel aus. Dazu zählten etwa Fahrgäste, die per Einmalzahlung ihre Jahreskarte am Fahrkartenschalter oder am Automaten gekauft haben. Auch wer eine Monatskarte für den Juli am Schalter oder am Automaten gekauft hat, sei in fast allen Fällen Stammkunde.
"Es gibt nicht wenige, die sich eine Monatskarte nur im Winter kaufen und ansonsten Fahrrad, Motorrad oder Auto nutzen. Aber es gibt fast keinen Kunden, der eine Monatskarte nur im Hochsommer kauft", argumentiert der Verband. Als diskriminierend bezeichnet er den Ausschluss der etwa 135.000 Studenten, die ein Semesterticket haben. So werde ausgerechnet eine große Kundengruppe verprellt, die als "Vollzahler der Zukunft" gehalten werden müsste. Der Verband empfiehlt, Monatskarten aufzuheben und vorzulegen.
Der Senat hat sich aus der Entschädigungsdebatte bisher weitgehend herausgehalten. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) äußerte jetzt zwar Verständnis dafür, dass auch Nichtabonnenten Ansprüche anmelden. Ob es dafür Spielraum gebe, müsse aber die Bahn entscheiden.