Der SPD-Politiker Jürgen Zöllner war als Supersenator nach Berlin gekommen. Doch die Probleme häufen sich. Im jüngsten Eklat um die Einstein-Stiftung ging es erst um eine Personalie, doch nun geht es auch ums Geld.
Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) kommt nicht zur Ruhe. Erst ging es um eine brisante Personalie, jetzt geht es ums Geld. Auch einen Tag nach dem Rückzug seiner Lebensgefährtin vom lukrativen Job der Geschäftsstellenleiterin bei der Einstein-Stiftung forderten die Oppositionsparteien Aufklärung über das Finanzgebaren der Einrichtung. „Zöllners Schritt darf nicht davon ablenken, dass der eigentliche Skandal die Auszahlung von 200.000 Euro durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft ist, und zwar auf Grundlage eines rechtlich nicht haltbaren Zuwendungsbescheids“, so der Grünen-Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger, der einen Anfangsverdacht auf Untreue durch den Vorgang verursacht sieht. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja verlangte von Zöllner eine „Selbstanzeige“ beim Rechnungshof, damit die unabhängigen Prüfer den Vorgang durchleuchten. Und der CDU-Politiker Nicolas Zimmer verlangte Einsicht in alle Verträge der Einstein-Stiftung. Damit gerät ein Senator, der einmal als Supersenator nach Berlin geholt worden war, unter politischen Druck.
Gestartet als Supersenator
Kompetent in der Sache, angesehen in der ganzen Republik, ein Fachmann in Bildungsfragen – dieser Ruf eilte Jürgen Zöllner voraus, als ihn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) von Rheinland-Pfalz nach Berlin in den zweiten rot-roten Senat lockte. Als Umzugsprämie erhielt Zöllner auch ein Super-Ressort. Was sich zuvor zwei Senatoren geteilt hatten, übernahm nun Zöllner allein: Seit 2006 ist er für die Hochschulen mitsamt der Hochschulmedizin, der Charité, die Schulen, die Kitas und die Jugendpolitik zuständig. Doch schnell reifte die Erkenntnis, dass das zuviel war, selbst für einen gestandenen Bildungspolitiker wie es Zöllner ist.
Denn Bildungspolitik in der Großstadt Berlin unterscheidet sich wesentlich von der Schulpolitik im Flächen-Bundesland. Bei einer SPD-Fraktionsklausur am Anfang seiner Senatorentätigkeit in Berlin wunderte sich Zöllner noch. „Hier kommt wirklich jeder zu mir, wenn er eine kaputte Schultür hat“, sagte er in kleiner Runde. Als er noch Minister in Mainz war, wurden solche Probleme von unteren Verwaltungsebenen geregelt. Aber Berlin ist nicht Mainz.
Die Probleme der Hauptstadt sind gewaltig – auch an den Unis, den Schulen und Kitas. Mit viel Geld und einem Vertrauensvorschuss statteten SPD und Linke Zöllner aus. Mittlerweile steckt der Senat fast 20 Prozent seiner Ausgaben in die Bildung, 4,1 Milliarden Euro verteilt Zöllner. Doch die Erfolge lassen auf sich warten – und machen die Bildungspolitiker unruhig. Beim jüngsten Vergleichstest der Bundesländer landete Berlin wieder auf den hinteren Plätzen. Bei den Leseleistungen der Neuntklässler kam die Hauptstadt nur auf den 15 Platz. Schlechter war nur noch Bremen. Zöllner verweist dann häufig auf die besondere Problematik in den sozialen Brennpunkten durch die vielen Migrantenkinder. Zur Wahrheit in der Bildungspolitik gehört aber auch, dass Zöllner Erfolge erzielt hat. So konnte er die Zahl der Studienplätze in Berlin um 6000 aufstocken. Auch die Abiturleistungen der Berliner Schüler waren in diesem Jahr gut, so gut wie die in Bayern. Trotzdem: Der passionierte Pfeifenraucher wirkt in diesen Tagen aufgerieben zwischen den Forderungen der Eltern und Schüler, der Studenten und Rektoren – und nicht zuletzt des Koalitionspartners von der Linkspartei, die sich bei den Reformen in der Schullandschaft häufig als Antreiber für mehr Chancengleichheit versteht.
Als hätte er mit der Schulreform nicht schon genug zu tun, läuft es auch in anderen Bereichen unglücklich. Die Reform im Gesundheitswesen in Berlin, bei der es um eine bessere Zusammenarbeit bis hin zu einer Fusion von Vivantes und Charité geht, ist verschoben. Vor den Wahlen gab es nur noch eine 330-Millionen-Euro-Zusage für die Charité. „Holprig“ nannte Zöllner selbst den Start der Einstein-Stiftung, des Vorzeigeprojekts für die Unterstützung der Spitzenforschung in Berlin. Ausgerechnet seine Lebensgefährtin wollte er auf den Posten der Geschäftsstellenleiterin setzen. Am Montag zog Zöllner nach massiver Kritik auch aus der eigenen Partei, die nicht im Filz-Verdacht stehen wollte, die Reißleine und stoppte die Personalie. Doch selbst das reicht offenbar nicht. Der Wirtschaftsplan der Stiftung wurde im Abgeordnetenhaus gestoppt. In den nächsten Wochen soll Zöllner eine überarbeitete Fassung vorlegen. „Nach der Sommerpause muss umgehend eine konstruktive Debatte über die weitere Zukunft und mögliche Finanzierung der Einstein-Stiftung geführt werden“, so der FDP-Politiker Czaja.
Doch eigentlich hat Zöllner dafür keine Zeit. Denn mit Beginn des neuen Schuljahres steht die größte Bildungsreform der vergangenen Jahre an. Dann startet die neue Sekundarschule, in der die Haupt-, Real- und Gesamtschulen aufgehen. Wieder einmal eine Schulreform. Es ist die 23. der vergangenen zehn Jahre. Und es ist Zöllners wichtigste. Denn an ihrem Gelingen hängt die Zukunft der SPD, die nächstes Jahr bei den Wahlen wieder stärkste Partei werden will. Bildungsfragen werden im Wahlkampf eine wesentliche Rolle spielen. So blicken die sozialdemokratischen Strategen wie Parteischef Michael Müller und der Regierende Bürgermeister Wowereit genau auf die Bildungsverwaltung. „Die Reform muss klappen“, sagt ein führender Sozialdemokrat fast schon mahnend.
Der fast 65-Jährige hat angedeutet, gern noch weiter als Senator arbeiten zu wollen. Aber jetzt geht es wohl erst einmal um das nächste Jahr bis zur Wahl. Es wird für den ehemaligen Supersenator, der so hoch in Berlin gestartet war, ein Jahr in den Mühen der Ebene.