Auf den Gewaltexzess von rechten Schlägern folgte die Gegengewalt. Etwa 70 Vermummte deckten in der Nacht zu Mittwoch in Friedrichshain die Diskothek „Jeton“ mit einem Steinhagel ein. Mehr als eine halbe Stunde verging, bis die Polizei in ausreichender der Stärke von 200 Mann an der Frankfurter Allee Präsenz zeigte, behaupten Augenzeugen. Bis dahin haben sei es von 250 Personen der linksgerichteten Szene zu Steinwürfen auf Polizeiwagen, Beamte und Schaufenster gekommen. Randalierer errichteten Barrikaden, bevor sie der Ordnungsmacht fast ausnahmslos entkamen. Furcht vor weiteren Eskalationen macht sich breit. Für Sonnabend riefen Antifa-Gruppen zu einer „Demo gegen Neonazis“ auf, planen eine Kundgebung am Bersarinplatz. Die Polizei erwartet 500 Teilnehmer und will Ausschreitungen verhindern.
Schlägereien zwischen Anhängern der links- und rechtsextremen Szene an der Frankfurter Allee waren der Auslöser für die neu entfachten Auseinandersetzungen. Ein junger Student war am vergangenen Sonntag lebensgefährlich verletzt auf einer Intensivstation eingeliefert worden. Inzwischen ist der 22-Jährige wieder bei Bewusstsein. Vernehmungsfähig war Jonas K. bislang noch nicht.
Die Disko war an diesem Abend geschlossen
Die Wut des schwarzen Blocks entlud sich in der Nacht zu Mittwoch gegen 23.15 Uhr in blindwütigem Vandalismus. Sechs doppelt verglaste Scheiben der Außentreppe, die Leuchtreklame und drei Pkw, die zufällig vor der am Dienstag geschlossenen Disko standen, wurden im Steinhagel getroffen. Jene Diskothek, in der die vier rechten Schläger nach Erkenntnissen der Polizei gefeiert hatten, bevor sie Jonas K. misshandelten. Jeton-Inhaber Ronny Berkahn bestreitet das: „Hier ist auch kein Tummelplatz für Rechtsextreme. Bei mir gehen Araber, Vietnamesen und Dunkelhäutige ein und aus“, sagte Berkahn.
Fakt ist, dass das Quartett aus Brandenburg seit Montagabend wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft einsitzt. Am gleichen Tag hatten Linke am Tatort eine Mahnwache abgehalten.
Der Staatsschutz ermittelt wegen der Randale vor dem „Jeton“, der als Racheakt gewertet wird. Der Angriff auf die Diskothek erfolgte laut Augenzeugen blitzschnell. „Da kamen 60 oder 70 junge Leute vom S-Bahnhof angerannt, direkt auf mein Geschäft zu. Alle hatten Steine in den Händen, waren mit Schals und Kapuzen vermummt, trugen schwarze Kleidung“, sagte Imbissbetreiber Mohammad A. am Mittwoch. Ein Anführer habe noch gerufen, „Keine Steine auf den Imbiss“.
Ein Polizist wurde am Kopf verletzt
Minuten später waren die Randalierer verschwunden, ein Teil der Gruppe kehrte zum S-Bahnhof zurück, andere bewegten sich in Richtung Warschauer Brücke.
Es dauerte wieder nur einige Minuten, bis die Randalierer an den Tatort zurückkehrten. Als ein Streifenwagen durch die Pettenkofer Straße fuhr, bewarfen die Linken auch diesen. Sämtliche Scheiben auf der Fahrerseite gingen zu Bruch. Ein Polizist wurde im Wagen von einem Wurfgeschoss und Splittern am Kopf verletzt.
Nach Informationen von Morgenpost Online vergingen fast 35 Minuten nach den ersten Steinwürfen, bis alle drei alarmierten Einsatzhundertschaften zur Stelle waren. Diese standen dann allein an der Rigaer Straße etwa 250 Randalierern und deren Sympathisanten gegenüber. Auf der Fahrbahn türmten sich Hindernisse, wie zerschlagenes Baumaterial oder eine umgestürzte Bau-Toilette. Die Polizei sperrte die Frankfurter Allee ab und bezog in der Pettenkofer und an der Rigaer Straße Stellung.
„Ein Teil der Kräfte, die mit Steinen beworfen wurde, waren bereits ab 23.10 Uhr vor Ort. Innerhalb kurzer Zeit waren es 200 Beamte“, sagte Polizeisprecher Frank Millert. Gewerkschafter übten dennoch Kritik. „Hätten sich die Linken in der Nacht ein zweites Angriffsziel gesucht, wäre die Polizei aufgrund der Personalnot Berlin weit nicht mehr handlungsfähig gewesen“, so Michael Reinke, stellvertretender Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft GdP. Zudem sei nur ein einziger Steinewerfer gefasst worden.
Am Ring-Center gingen Schaufenster zu Bruch
Die Randalierer flohen vor der Polizei in kleinen Gruppen in umliegende Seitenstraßen, nicht ohne weiter Steine auf Fenster zu schleudern. Am Ring-Center gingen Schaufenster zu Bruch. Auch das Modelabel Berlinomat war betroffen. „Bei uns sind sechs Scheiben zerbrochen, ich kann mir das nicht erklären“, sagte Geschäftsführerin Helen Kühn.
Eine neuartige Problematik sieht die Senatsinnenverwaltung nicht. „Es wäre zu früh, aus den unbestritten gravierenden Vorfällen eine Tendenz abzuleiten“, sagte Isabelle Kalbitzer, Sprecherin des Innensenators Ehrhart Körting (SPD). Dass von Streitigkeiten zwischen Anhängern rechts- und linksextremer Personen ein Gefährdungspotenzial bestehe, sei nicht neu. Darauf habe auch der Berliner Verfassungsschutz in der Vergangenheit bereits mehrfach hingewiesen.