Beim Verkauf von landeseigenen Grundstücken und Immobilien soll bald nicht mehr automatisch der Bieter den Zuschlag bekommen, der den höchsten Preis zahlen kann. Die rot-rote Koalition möchte wirtschaftspolitischen und sozialen Kriterien sowie Zielen der Stadtentwicklung einen größeren Stellenwert in der Liegenschaftspolitik einräumen. Das geht aus einem Antrag der Fraktionen von SPD und Linke hervor, der im Abgeordnetenhaus vorgestellt wurde.
Mit der Neuausrichtung der Verkaufspolitik soll verhindert werden, dass in einem Bezirk plötzlich Schulgebäude fehlen, obwohl der Bedarf wieder wächst, wie aktuell in Prenzlauer Berg. Endgültig vorbei ist damit auch die Zeit, in der der Liegenschaftsfonds der Stadt jährlich große Millionenbeträge in die klammen Kassen gespült hat.
„Bisher war der Liegenschaftsfonds vor allem darauf ausgerichtet, Gewinne zu machen“, sagt Jutta Matuschek, haushaltspolitische Sprecherin der Linken. „Es gab viele große Objekte, die man nicht brauchte, aber gut vermarkten konnte.“ Doch jetzt werde das Portfolio langsam schmaler, die großen Filetstücke seien verkauft und man müsse gezielter überlegen, was für einen Vorrat an Grundstücken Berlin auf lange Sicht brauche, sagt Matuschek. Etwa um soziale Infrastruktur zu sichern oder Wohngegenden in der Innenstadt zu stärken. Außerdem soll der Fonds künftig mehr dazu genutzt werden, Arbeitsplätze zu schaffen und die Klimapolitik zu unterstützen – zum Beispiel durch die Bevorzugung von Öko-Bauvorhaben.
Dafür muss die Arbeit des Fonds auf eine neue Basis gestellt werden. Bisher funktionierte er in groben Zügen so: Kam ein Bezirk zu der Ansicht, bestimmtes Grundeigentum nicht mehr zu benötigen, wanderte es in den Topf des Liegenschaftsfonds. Der kümmerte sich darum, das Objekt auszuschreiben. Der Käufer musste meist nur eine Bedingung erfüllen – den höchsten Preis bieten.
Dabei kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Fehlplanungen – wenn etwa plötzlich Schulgebäude gebraucht wurden und der Bezirk nichts passendes mehr besaß, weil einst geschlossene Schulen verkauft worden waren. So sind vor allem die Innenstadtbezirke schlecht auf den Babyboom der letzten Jahre vorbereitet. Die Folge: Berlin muss teuer einkaufen gehen.
Projekte gestoppt
Immer wieder kam es auch zu peinlichen Rückziehern mitten im laufenden Bieterverfahren, weil dem Land einfiel, das Objekt doch lieber unter politischen Gesichtspunkten als zum Höchstpreis verkaufen zu wollen. Jüngster Fall: Die Eisenbahn-Markthalle in Kreuzberg. Der Verkauf an einen Investor, der die Halle mit einer Supermarktkette füllen und dafür etwa 2,3 Millionen Euro zahlen wollte, wurde gestoppt. Das Land möchte dort lieber kleinteiligen Einzelhandel ansiedeln. Der Zusammenschluss junger Gastronomen für dieses Projekt kann aber beim Kaufpreis nicht mithalten. Nun wird eine zweite Ausschreibung vorbereitet.
„Bisher war jede Vergabe, die nicht unter finanziellen Kriterien abgewickelt wurde, völlig ungeregelt, politisch motiviert und nicht transparent“, sagt Jochen Esser, Finanzexperte der Grünen-Fraktion, die den Antrag unterstützen. „Das Portfolio muss von vornherein aufgeteilt werden und nicht erst nach der Ausschreibung in einer Schlammschlacht.“
So soll bei jedem der derzeit rund 4800 Objekte im Fonds nun anhand der neuen Ziele überprüft werden, ob das Land es noch braucht. Wenn nicht, landet es im Verkauf – unwiderruflich. Dort soll wiederum unterteilt werden: In Objekte, die zum Höchstpreis verkauft werden, und in solche, an deren Verkauf Bedingungen geknüpft werden. So soll es zum Beispiel Privatleuten, die sich zu Baugruppen zusammentun, erleichtert werden, mitzubieten.
„Chaos, wie wir es in der Vergangenheit häufig hatten, könnte durch die Neuausrichtung verhindert werden“, sagt der Geschäftsführer des Liegenschaftsfonds, Holger Lippmann. „Das würde uns ersparen, zurückrudern zu müssen und Investoren zu verprellen.“
Angesichts von jüngsten Schätzungen zu Steuerausfällen in Höhe von 160 Millionen Euro allein für 2011 stellt sich aber die Frage, ob Berlin es sich erlauben kann, auf Höchstpreise zu verzichten. Lippmann sagt dazu, der Fonds sei sowieso nicht mehr in der Lage, große Beiträge für den Haushalt zu leisten. Auch Jochen Esser winkt ab: „Die 150 Millionen Euro, die der Fonds jetzt noch erwirtschaftet, sanieren den Haushalt auch nicht mehr.“ Es komme darauf an, Berlin durch nachhaltige Politik wieder zum Blühen zu bringen.
Einen Nachteil sehen die Grünen darin, dass das neue System anfälliger für Korruption sei, weil die Politik darin eine größere Rolle spiele. „Hier geht es um ein Hineinbugsieren eines politischen Veto-Rechts“, sagt auch der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Uwe Goetze. Im Ergebnis führe das dazu, Verkäufe zu subventionieren. „Wir befürchten, dass die Koalition soziale und kulturelle Initiativen vor der Wahl zufrieden stellen will.“ Auch die FDP dringt deshalb darauf, die Ziele der Neuausrichtung konkreter zu formulieren. Für die Verhandlungen im Haushaltsausschuss haben aber alle Seiten Gesprächsbereitschaft signalisiert.