Interview

Warum die Forschung nicht auf Tierversuche verzichten kann

| Lesedauer: 3 Minuten
Tanja Laninger

Im Jahr 2007 haben die Pharmaunternehmen für Human- und Tierarzneimittel und Unternehmen der Medizintechnik 834.070 Tierversuche durchgeführt. Über die Rechtsgrundlage, Sinn und Alternativen hat Morgenpost Online mit Susan Knoll, Sprecherin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller gesprochen.

Morgenpost Online: Frau Knoll, wann sind Tierversuche sinnvoll – und wann sind sie gesetzlich vorgeschrieben?

Susan Knoll: Wenn ein Unternehmen ein neues Medikament entwickelt, kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo es erstmals ein Mensch probeweise einnehmen muss. Die Unternehmen sind moralisch verpflichtet, diesem Menschen wie allen weiteren Anwendern zusichern zu können, dass zuvor alles unternommen wurde, um zu prüfen, dass dieses Medikament nicht schadet. Dazu werden viele Reagenzglas- und Zellkulturversuche durchgeführt. Dazu sind aber auch Tierversuche nötig, weil sie zuverlässiger sind. Diese Tierversuche sind auch gesetzlich vorgeschrieben. Kein Medikament darf einem Menschen gegeben werden, ehe es nicht in Tierversuchen gut abgeschnitten hat.

Morgenpost Online: Warum sind Tierversuche verlässlicher als Zellkulturversuche?

Knoll: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Dies gilt auch für den Körper, der eben mehr ist als eine Ansammlung von Zellen. Um zu erkennen, was mit einem Wirkstoff im Körper geschieht, muss man sehen, was die verschiedenen Organe mit ihm machen.

Tier und Mensch sind nicht identisch, deshalb lassen sich mit Hilfe von Tieren leider nicht alle, aber doch sehr viele Gefahren erkennen und beseitigen, ehe ein Medikament mit Menschen erprobt wird. Deshalb wäre es verantwortungslos, wenn der Gesetzgeber oder die Pharmaunternehmen darauf verzichten würden.

Morgenpost Online: Inwieweit Sie sich bemühen, alternative Methoden einzusetzen?

Knoll: Pharmaunternehmen sind interessiert daran, möglichst viele Tierversuche durch andere Versuche zu ersetzen. Denn Tierversuche sind aufwendig und teuer. Unternehmen entwickeln deshalb selbst Alternativen und stellen gerne auf Alternativmethoden um, sobald diese von den Behörden als gültige Tests akzeptiert werden. So verwenden sie, wenn ein Stoff auf die Gefahr von Augenreizungen getestet werden soll, seit 2005 einen auf dem Häutchen im Hühnerei basierenden Test und keine Versuchstiere mehr.

Weil aber Tierversuche für viele Zwecke unverzichtbar sind, treiben sie ebenso viel Aufwand, um die Haltungsbedingungen für ihre Versuchstiere weiter zu verbessern. Dazu gehört beispielsweise, für die Tiere Stallungen mit Spielzeug und Rückzugsmöglichkeiten auszustatten.

Morgenpost Online: Welchen Anteil stellen alternative Versuche an allen Tests?

Knoll: Den Anteil, den Tier- und Alternativversuche an allen Versuchen insgesamt haben, können wir nicht quantifizieren. Denn anders als die Tierversuche werden die Alternativversuche nicht zentral erfasst.

Morgenpost Online: Wie befördern sie die Entwicklung alternativer Methoden?

Knoll: Unsere Wissenschaftler und Wissenschaftler in Forschungseinrichtungen haben in den letzten Jahren etliche Alternativmethoden erfunden und auf Verlässlichkeit getestet. Sie möchten sie künftig statt bestimmter Tierversuche verwenden. Das können sie jedoch erst, wenn auch die Gesetze für die Arzneimittel-Zulassung nicht länger die alten Tierversuche verlangen. Hier hoffen wir darauf, dass sich die Gesetze bald ändern.

Morgenpost Online: Wo sind Alternativen nicht möglich?

Knoll: Wie gesagt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Deshalb wird es nie möglich sein, alle Versuche mit Gesamtorganismen durch Versuche mit einzelnen Zellen oder Molekülen zu ersetzen.

Das Gespräch führte Tanja Laninger