Dr. S. ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Eine seiner Patientinnen war nach einer Bauchstraffung gestorben. Kurz vor Ende des Prozesses vor dem Berliner Landgericht kam es nun zum Eklat. Denn der Arzt steht plötzlich ohne Verteidiger da.

Erwartet wurde von Anwalt Klaus Gedat eigentlich das Abschlussplädoyer. Doch es sollte anders kommen: Der erfahrene Strafverteidiger legte im Prozess gegen den wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagten Dr. S. überraschend sein Mandat nieder. Der Arzt ist angeklagt, eine 49-jährige Patientin, die am 12. April 2006 nach einer Fettabsaugung kollabierte, unsachgemäß behandelt und so ihren späteren Tod verursacht zu haben.

Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinen Mandanten sei irreparabel gestört, erklärte Anwalt Gedat am Montag im Saal 537 des Moabiter Kriminalgerichts. Er habe sich mit dem Arzt am Sonntag verabredet, um das weitere Vorgehen in dem Strafprozess zu klären. S. sei dem Treffen aber unentschuldigt ferngeblieben.

Stattdessen sei er am Montag mit neuen Beweisanträgen zum Prozess gekommen, von denen der Anwalt keine Kenntnis hatte. Das Schwurgericht vertagte daraufhin den Prozess auf den 23. März und beauftragte den Arzt, sich binnen fünf Tagen um einen neuen Wahlverteidiger zu kümmern. Sollte das nicht geschehen, werde ihm die Kammer einen Pflichtverteidiger beiordnen.

Anwalt Gedat gab zu seiner Entscheidung keine weiteren Kommentare. Es liegt aber nahe, dass er nicht zum ersten Mal von dem illoyalen Verhalten des Arztes überrascht worden war und der Fall nun eine für ihn eine nicht mehr erträgliche Grenze erreicht hatte.

So war am 10. Dezember während des Prozesses herausgekommen, dass S. eine Zeugin massiv zu beeinflussen versuchte. Er hatte einer jungen Frau, die im April 2006 in seiner Praxis als Arzthelferin beschäftigt war, einen Brief geschrieben. Dort hatte er ihr mit fiktiven Fragen und Antworten genau vorgeschrieben, was sie als Zeugin aussagen soll. Die Kammer hatte den Arzt wegen akuter Verdunkelungsgefahr sofort in Untersuchungshaft genommen. Er kam erst nach Zahlung einer Kaution von 30.000 Euro wieder auf freien Fuß.

Die Fachanwältin für Medizinrecht, Ruth Schultze-Zeu, betreut nach eigener Auskunft fünf weitere ehemalige Patienten, die dem angeklagten Chirurgen eine unsachgemäße Behandlung vorwerfen und ihn deswegen verklagt haben.

Der Prozess wurde von einem weiteren mutmaßlichen Opfer des Chirurgen besucht. Der heute 67 Jahre alte Horst R. war von S. im Jahr 2004 wegen seiner Hämorriden operiert worden. Er wohnte in Charlottenburg über der Praxis des Chirurgen und kannte ihn schon seit Jahren. Nach der OP, sagte Horst R., habe er schreckliche Schmerzen verspürt. Er sei dann von Rettungssanitätern ins Westend-Krankenhaus gebracht und dort sofort notoperiert worden. Dabei hätten die Ärzte festgestellt, dass S.. bei der OP den Darm durchstochen habe. Das Strafverfahren wurde eingestellt. Horst P. prüft aber eine Klage auf Schmerzensgeld.