Gerd Wogatzki aus Spandau: Meine Tochter besucht die achte Klasse der Maybach-Oberschule. Die Schule soll Sekundarschule werden und damit bis zum Abitur führen. Für unsere Tochter soll das aber nicht gelten. Warum nicht?
Jürgen Zöllner: Wir haben uns entschlossen, mit der Reform in den siebten Klassen anzufangen. Deshalb gilt für Ihre Tochter, die ja schon in der achten Klasse ist, noch die alte Schullaufbahn. Sie kann das Abitur deshalb noch nicht innerhalb der Maybach-Schule machen, sondern muss dafür später an ein Gymnasium oder eine andere Schule mit gymnasialer Oberstufe wechseln. Welche Schule infrage kommt, erfahren Sie von den Lehrern der jetzigen Schule.
Simone Weber, Mitte: Einige Schulexperten vermuten, dass verunsicherte Eltern ihre Kinder lieber am Gymnasium anmelden, als an den neuen Sekundarschulen. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Gymnasien überrannt werden?
Zöllner: Diese Gefahr sehe ich nicht. Es ist doch schon jetzt so, dass der Elternwille entscheidend ist und jeder sein Kind am Gymnasium anmelden kann.
Wolfgang Büllen, Wedding: Ich bin ausgebildeter Erzieher und möchte an einer Sekundarschule arbeiten. Wo muss ich mich bewerben?
Zöllner: Die Einstellung von Erziehern wird über die Schulen laufen. Wir werden die neuen Sekundarschulen finanziell so ausstatten, dass sie Ganztagsschulen werden. Dazu gehört, dass die Schulen dreieinhalb Erzieher oder Sozialarbeiter einstellen können. Sie können aber auch das entsprechende Geld anfordern und damit Projekte finanzieren. Was sie machen, sollen die Schulen selbst entscheiden. Die Senatsverwaltung wird eine zentrale Stelle einrichten, an der sich Erzieher bewerben können. Die Schulen werden dann auf diesen Pool zurückgreifen.
Patricia Zabel, Wilmersdorf: Wie werden die Lehrer fortgebildet, die an den künftigen Sekundarschulen unterrichten sollen? Ist diese Fortbildung verpflichtend?
Zöllner: Wir müssen da mehrere Ebenen betrachten. Zum einen werden die Schulleitungen fortgebildet. Entsprechende Veranstaltungen laufen bereits. Zum anderen schulen wir engagierte und besonders interessierte Lehrer. Diese geben ihr Wissen dann an ihre Kollegen weiter. Schließlich muss der Unterricht gewährleistet sein, deshalb können wir nicht alle Lehrer einer Schule auf einmal fortbilden. Insgesamt stehen in den kommenden Jahren sieben Millionen Euro für die Lehrerfort- und Weiterbildung bereit. Das zeigt, wie ernst es uns damit ist. Die Lehrer müssen lernen, noch besser auf die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Schülers einzugehen und jeden entsprechend zu fördern.
Patricia Zabel: Ich habe noch eine weitere Frage. Mein Sohn besucht zurzeit die Grundschule. Neben dem Lehrer ist da oft ein Erzieher mit in der Klasse. Ist das für die Sekundarschule auch vorgesehen?
Zöllner: Alle Sekundarschulen werden zu Ganztagsschulen ausgebaut. Dabei entscheiden die Schulen, ob sie gebundenen oder offenen Ganztagsbetrieb anbieten. Davon hängt dann ab, ob auch nachmittags Unterricht stattfindet und der Schulbesuch bis 16 Uhr verbindlich ist (gebundener Ganztagsbetrieb) oder ob nur vormittags unterrichtet wird und nachmittags Freizeitbeschäftigungen angeboten werden. Gebundene Ganztagsschulen haben auf jeden Fall mehr Personal. Grundsätzlich gilt, dass die Sekundarschule zusätzlich zwei Lehrerstellen und dreieinhalb Stellen für Erzieher oder Sozialarbeiter bekommt.
Alina Frenzel, Schöneberg: Meine Tochter besucht die Peter-Paul-Rubens-Grundschule. Im gleichen Gebäude soll eine neue Sekundarschule aufgemacht werden. Ich begrüße das und würde meine Tochter gern dort anmelden. Nur habe ich feststellen müssen, dass es im Gebäude bisher keine Fachräume gibt. Wie soll da naturwissenschaftlicher Unterricht stattfinden?
Zöllner: Wir haben den Bezirken zusätzlich 196 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm von Bund und Ländern zugewiesen, damit sie vor allem die Gebäude der künftigen Sekundarschulen entsprechend umbauen können. Alle Baumaßnahmen sind natürlich noch nicht in Angriff genommen. Das läuft aber. Insgesamt stehen den Schulen bis zum Jahr 2011 eine halbe Milliarde Euro für Baumaßnahmen zur Verfügung. Von diesem Geld bekommen auch die Gymnasien etwas ab. Jedes Gymnasium soll eine Mensa bekommen. Das ist dringend erforderlich, weil durch die Schulzeitverkürzung von 13 auf 12 Jahre an den Gymnasien auch nachmittags unterrichtet wird. Die Schüler brauchen ein Mittagessen.
Rainer Geyer, Marzahn-Hellersdorf: Die Lerngruppengröße der Hauptschulen liegt gegenwärtig bei 11,4. Wie sollen diese Schüler künftig besser gefördert werden, wenn sich die Lerngruppengröße an den Sekundarschulen wie geplant auf 24 erhöht?
Zöllner: Entscheidend ist die Schüler-Lehrer-Relation. Die wird sich an der neuen Sekundarschule gegenüber der Hauptschule nicht ändern. Für Hauptschüler bleibt also alles wie gehabt. Realschüler werden es sogar besser haben, da die Sekundarschulen wesentlich besser ausgestattet sind als die jetzigen Realschulen. Jede Sekundarschule kann selbst entscheiden, ob sie kleinere Lerngruppen einrichtet oder die Lerngruppen größer macht, bestimmte Schüler dafür aber speziell betreut.
Florian Schäfer, Reinickendorf: In Reinickendorf werden viele Hauptschulen in Sekundarschulen umgewandelt, ohne dass diese Schulen mit anderen Schulen fusionieren oder neue Lehrkräfte an diese Schulen kommen. Dennoch sollen diese Schulen jetzt auch Schüler auf das Abitur vorbereiten. Wie soll das gehen?
Zöllner: Alle Sekundarschulen müssen den Schülern die Möglichkeit anbieten, das Abitur abzulegen. Schulen, die eine eigene gymnasiale Oberstufe aufbauen wollen, müssen natürlich Lehrer einstellen, die die Lehrbefähigung dafür haben. Schulen, die keine eigene gymnasiale Oberstufe haben, werden mit Oberstufenzentren zusammenarbeiten. Dort können die Schüler dann das Abitur ablegen. Klar ist natürlich auch, dass eine Sekundarschule die durch die Fusion von Haupt- und Realschule entsteht, wahrscheinlich mehr Schüler hat, die das Abitur machen wollen, als eine Sekundarschule, die vorher eine Hauptschule war. Wir hoffen aber, dass auch an solchen Schulen künftig mehr Kinder angemeldet werden, die einen weiterführenden Abschluss machen wollen. Voraussetzung ist, dass die Eltern feststellen, dass diese Schulen die Schüler gut auf den mittleren Schulabschluss vorbereiten und eine zweite Fremdsprache anbieten, beides wird der Fall sein.
Andreas Reinhard, Spandau: Mein Sohn geht in die 6. Klasse einer Grundschule. Im Unterricht gehen die Lehrkräfte fast ausschließlich auf die leistungsschwächeren Schüler ein und begründen dies damit, dass leistungsstarke Schüler keine Förderung benötigen würden. Im Schulgesetz steht jedoch, dass alle Schüler gefördert werden müssen. Wenn bereits jetzt das Schulgesetz nicht beachtet wird, wie wollen Sie dann sicherstellen, dass an den Sekundarschulen die leistungsstarken Schüler tatsächlich gefördert und auf das Abitur vorbereitet werden?
Zöllner: Wenn die Situation in jener Grundschule so ist, bedaure ich das. Besonders begabte Schüler müssen natürlich genauso gut gefördert werden wie schwache Schüler. Die neue Sekundarschule wird sich sogar besonders gut um die Förderung hochbegabter Schüler kümmern können, weil sie sehr gut ausgestattet ist.
Elke Schmidt, Spandau: In unserem Bezirk werden wahrscheinlich mehrere Realschulen erst später mit der Reform starten. Ist das ein Problem?
Zöllner: Es ist natürlich günstiger, wenn in einem Bezirk alle Oberschulen zum selben Zeitpunkt mit der Reform beginnen. Wenn aber einige Schulen meinen, dass sie noch etwas Vorbereitungszeit brauchen, dann muss man darauf Rücksicht nehmen. Das dürfte kein Problem sein.
Jakob Müller, Treptow: Wir müssen unsere Tochter im März für eine weiterführende Schule anmelden. Wo können wir uns beraten lassen?
Zöllner: Am besten ist es, Sie sprechen mit den Lehrern der Grundschule, die Ihre Tochter derzeit besucht. Die kennen die Schüler sehr genau und wissen, welche Alternativen es im Bezirk für sie gibt.