Nachnutzung

Aus Tempelhof soll eine Filmstadt werden

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Katharina Dockhorn

Die Leuchtbuchstaben „Zentralflughafen" sind erloschen, der Flugbetrieb Geschichte. Und die Zukunft: vielleicht eine Filmstadt. Studio Babelsberg will aus dem stillgelegten Flughafen ein Produktionszentrum machen. Dafür soll sogar eine ganze Straße von Babelsberg nach Tempelhof verlegt werden.

Die berühmteste Kulisse der Babelsberg-Studios in Potsdam, die "Berliner Straße", soll ab 2010 in der Stadt stehen, die ihr ihren Namen gab: auf dem Gelände des einstigen Flughafens Tempelhof. Die 7000 Quadratmeter große Außenkulisse aus 26 Fassadenteilen war 1998 für Leander Haußmanns "Sonnenallee" gebaut worden und wurde unter anderem für Roman Polanskis "Der Pianist", Margarethe von Trottas "Rosenstraße", Roland Suso Richters "Der Tunnel" und Leander Haußmanns "Herr Lehmann" in die jeweilige Zeit versetzt.

Ende 2010 läuft jedoch der Pachtvertrag für das Gelände in unmittelbarer Nähe des Studios aus. Die Kulisse muss umziehen. Sie hätte auf dem weitläufigen Studiogelände bleiben können - aber die Studioeigner Christoph Fisser und Carl Woebcken haben sie in ihre "Filmhafen Tempelhof" getaufte Vision einer Medienstadt integriert. Über die Nachnutzung des in den Dreißigerjahren vom Architekten Ernst Sagebiel entworfenen imposanten Gebäudekomplexes des Flughafens hatten die von ihnen geführte "Filmbetriebe Berlin Brandenburg GmbH" seit 2006 mit der Bundesagentur für Immobilienangelegenheiten unter Einbeziehung des Berliner Senats verhandelt.

Lola-Gala zurück in Tempelhof

Wo bis gestern noch Flugzeuge starteten und landeten, könnten sich künftig in mehreren hochmodernen Studios Film- und Fernsehschaffende aus aller Welt treffen. Auf dem angrenzenden Außengelände soll die "Berliner Straße" ihren Platz finden. Die Fläche ist jedoch groß genug, um weitere Kulissen aufbauen zu können. Abgerundet wird das Angebot durch den Umbau vorhandener Gebäude zu Büros und einem Hotel- und Appartementkomplex, der auf die speziellen Bedürfnisse der vielen Kreativen zugeschnitten ist, die für einige Monate in der Stadt sind.

Nicht zuletzt denken Christoph Fisser und Carl Woebcken auch an die vielen Filmfans - sie können vom ehemaligen Flughafenturm einen Blick auf das Geschehen werfen. Im Event-Zentrum soll eine internationale Show Einzug halten. Und wer weiß, vielleicht kehrt auch die Lola-Gala an den Platz zurück, an dem 1997 bereits einmal die Verleihung der Deutschen Filmpreise gefeiert wurde.

Die neue Medienstadt im Herzen Berlins soll das vorhandene Angebot in der Region abrunden. Angst vor einem Aufbau von Überkapazitäten durch die eigene Expansion haben Fisser und Woebcken nicht. Die Nachfrage nationaler und internationaler Produzenten sei konstant hoch. Ein weiterer Komplex neben Babelsberg, wo sie in den vergangenen Jahren schon die ehemaligen Lokschuppen zu Studios ausgebaut haben, und den aufs Fernsehen spezialisierten Zentren in Adlershof und den Studios der Union-Film in Tempelhof, rechne sich. Letztere kalkulieren allerdings vorsichtiger und strichen einen geplanten Neubau.

Ein wahrer Boom war in Babelsberg 2007 durch den Deutschen Filmförderfonds ausgelöst worden - mit 60 Millionen Euro unterstützt der deutsche Steuerzahler das Entstehen von deutschen Filmen und Koproduktionen. Die "Matrix"-Macher, die Brüder Wachowski, kamen mit "Speed Racer", Tom Cruise drehte hier "Operation Walküre", und Stephen Daldry verfilmte mit Kate Winslet und David Kross den "Vorleser". Momentan stehen Til Schweiger, Christoph Waltz und August Diehl neben Diane Kruger und Brad Pitt für Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" in der traditionsreichen Filmstadt vor den Toren Berlins vor der Kamera.

Doch auch wenn Kulturstaatsminister Bernd Neumann schon die Verlängerung des Deutschen Filmförderfonds für die Jahre 2010 bis 2012 angekündigt hat: Langfristig wollen Christoph Fisser und Carl Woebcken nicht am Tropf der Förderung hängen. Wie von der Politik bei der Schaffung des Fonds gewünscht, investieren sie Gewinne in den Ausbau ihres Geschäfts.

Ein Risiko geht das einzige deutsche Studio, das so konsequent auf die Bedürfnisse des internationalen Markts ausgerichtet ist, trotzdem ein. Die Babelsberger wissen genau, dass die Konkurrenz nicht schläft. Die Londoner Pinewood-Studios, wo Zauberkünstler "Harry Potter" seine Abenteuer erlebt, haben einen vergleichbaren Service aufgebaut. Und nicht zuletzt wird in anderen europäischen Ländern intensiv darüber nachgedacht, wie der momentane Vorsprung der deutschen Studios im Wettbewerb um attraktive amerikanische Riesen-Budget-Filme mit Steuererleichterungen wettgemacht werden kann.

Langfristig wird sich dabei nur der durchsetzen können, der neben staatlichen Fördermaßnahmen auch exzellente Bedingungen für den Dreh anbieten kann. Und dafür soll in Tempelhof der Grundstein gelegt werden.