Wenn Barack Obama am Donnerstag nach Berlin kommt, wird er nach Meinung von Historikern versuchen, Posen seines berühmten Vorgänger John F. Kennedys einzunehmen. Ein hochgestecktes Ziel – schließlich hat sich Kennedys Rede in das Gedächtnis der Deutschen eingegraben.
Selten genug gibt es Sätze, die Stimmungen und Situationen derart einfangen, dass sie in die kollektive Erinnerung einsickern und zum geflügelten Wort werden. Dank eines solchen Satzes ging eine Rede John F. Kennedys in die Geschichte ein: „Ich bin ein Berliner“, rief er am Mittag des 26. Juni 1963 auf Deutsch den rund 300.000 Zuhörern vor dem Schöneberger Rathaus zu, und die Menge jubelte begeistert und gerührt.
Knapp zwei Jahre nach dem Mauerbau war Kennedy zum 15. Jahrestag der Luftbrücke in den Westen der geteilten Stadt gekommen. Seine Rede war ein Zeugnis der Solidarität mit den „Insulanern“, wie sich die von der DDR umzingelten Westberliner empfanden, und eine Beschwörung der Freiheit. „Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger Berlins, und deshalb bin ich als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner“, lautete der Kernsatz. Dass er sein Bekenntnis in deutscher Sprache ablegte, war der Clou.
Dabei geholfen hatte der US-Journalist Robert Lochner, der als Sohn des damaligen AP-Korrespondenten Louis Lochner vor dem Krieg in Berlin zur Schule gegangen war und nun neben seiner Tätigkeit als RIAS-Direktor auch wichtige Dolmetscheraufgaben übernahm. Er übte mit Kennedy vor der Rede im Amtszimmer des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt die Aussprache des Satzes, der berühmt werden sollte, mit Hilfe einer lautschriftlichen Notiz ein. „Ish bin ein Bearleener“ stand auf dem linierten Zettel – und es funktionierte.
Eine Gedenktafel am Rathaus Schöneberg erinnert an Kennedys berühmte Rede an diesem Ort – und daran, dass sich vier Monate später in der Nacht des 22. November 1963 ebendort die Berliner versammelten und um den ermordeten Präsidenten der Vereinigten Staaten trauerten. Mehrere seiner Nachfolger haben seither versucht, mit einer großen öffentlichen Rede, einem prägnanten Satz, einem symbolischen Wort in Berlin die Herzen des Publikums zu gewinnen und über den Tag hinaus in Erinnerung zu bleiben.
Annähernd gelungen ist das nur Ronald Reagan. „Mr. Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor!“, rief er am 12. Juni 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins auf der Westseite vor dem Brandenburger Tor, „reißen Sie diese Mauer nieder!“ Der frühere Schauspieler wirkte eher pathetisch, wie er da stand, hinter sich Mauer und Tor, vor sich geladene Gäste, abgeschirmt vor Gegendemonstranten – und im Rückblick beinahe prophetisch, als zwei Jahre später tatsächlich die Mauer fiel und das Tor geöffnet wurde.
Dazwischen hatte Richard Nixon am 27. Februar 1969 Westberlin besucht und vor Siemens-Arbeitern gesprochen. Ein bedeutender Ausspruch, der im Gedächtnis hängen geblieben wäre, ist nicht überliefert. Jimmy Carter kam am 15. Juli 1978 zu einem Kurzbesuch, sprach in der Kongresshalle im Tiergarten und am Luftbrückendenkmal in Tempelhof. „Was immer sei, Berlin bleibt frei“, sagte er da.
Als nächster nach Reagan kam Bill Clinton. Am 12. Juli 1994 sprach er vor dem Brandenburger Tor und rief der Menge zu: „Amerika steht an Ihrer Seite, jetzt und für immer.“ Bei den Feiern zum 50. Jahrestag der Luftbrücke probierte auch er es am 14. Mai 1998 auf dem Flughafen Tempelhof in deutscher Sprache: „Berlin bleibt doch Berlin!“
Der jetzige US-Präsident George W. Bush hat bislang auf keiner öffentlichen Veranstaltung in der deutschen Hauptstadt gesprochen. Bei seinem Besuch am 23. Mai 2002 hielt er eine Rede im Bundestag.
Mit welchem Satz sich der aktuellen Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten Barack Obama wohl verewigen will?