Der 85. Geburtstag steht an, der 100. ist fest im Blick. Das ist bei einer Firma, die sich im Konkurrenzkampf behaupten muss, mutig, aber bei diesem Betrieb nicht weiter verwunderlich. Schließlich existiert Konnopke’s Imbiss, den Apostroph im Namen gab es schon zu DDR-Zeiten, an der Schönhauser Allee seit 1930 – und genauso lang ist das Geschäft in Familienbesitz. Vier Gesellschaftssysteme hat es überstanden, einen Familienkrach, wahrscheinlich gab es mehrere, aber nur einer wurde aktenkundig, und ebenso die schwäbischen Zuzügler, die im Zuge des nicht ganz ernst gemeinten „Spätzle-Kriegs“ Anfang 2013 eine Mauer aus Maultaschen um den Currywurst-Tempel errichteten.
Für Lokalpatrioten wie den Pankower Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) ist Konnopke, gelegen am U-Bahnhof Eberswalder Straße unter dem „Magistratsschirm“, so wurden die Kolonnaden unter der Hochbahn genannt, „die wohl bekannteste Imbissbude der Stadt“. Kreuzberger könnten entgegnen, das sei ja wohl Curry 36, aber diese Diskussion fällt in die Rubrik Glaubenskrieg. Ebenso wie die Frage, wo es die beste Currywurst in Berlin gibt. Fakt ist: Konnopke existiert seit 85 Jahren - und zum Jubiläum erscheint am morgigen Montag ein Buch, dass die wechselvolle Geschichte dieser Berliner Institution nacherzählt.
1929 wird Max Konnopke Wurstverkäufer
Streng genommen einen Tag zu spät, aber sonntags hat der Imbiss zu. Am 4. Oktober 1930 verknüpfte der 28-jährige Max Konnopke sein persönliches Glück mit dem geschäftlichen, er heiratete an diesem Tag die neun Jahre jüngere Charlotte und gründete das Geschäft, das anfangs zwei Mitarbeiter hatte, Max und seine Frau. Der Landwirtssohn aus dem Spreewald war nach der Weltwirtschaftskrise nach Berlin gekommen, der Börsencrash 1929 hatte die legendären „Goldenen Zwanziger“ in der Metropole abrupt beendet. Es herrschte Massenarbeitslosigkeit. Womit Geld verdienen? Das war die zentrale Frage. Konnopke versuchte sich als „Wurstmaxe“. Die gab es in Berlin schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts, sie boten ihre Brühwürste an belebten Straßenecken an. Das Arbeitsgerät, einen Kessel samt Trageriemen, stellte die Fleischfabrik zur Verfügung, die die Waren lieferte.
Der Standort begünstigt den geschäftlichen Erfolg
Für den geschäftlichen Erfolg mitentscheidend dürfte der Standort gewesen sein. Konnopke entschied sich für die Ecke Danziger Straße und Schönhauser Allee unter der Hochbahn, Charlotte verkaufte an der Ecke Schönhauser und Stargarder Straße – nicht weit davon entfernt an der Kopenhagener Straße wohnte das frisch vermählte Paar.
Gearbeitet wurde anfangs von 7 Uhr abends bis fünf Uhr morgens. Offenbar lief das Geschäft gut. 1933 konnte sich der Betrieb ein Motorrad mit Beiwagen leisten - und damit den Aktionsradius beträchtlich vergrößern. Konnopke machte den Wurstmaxen auf dem Reichsparteitag in Nürnberg im Sommer 1933, die Nazis hatten mittlerweile in Deutschland das Kommando übernommen. Ein Foto im Buch zeigt ihn am Steuer des vollgepackten Motorrades samt Anhänger. In Nürnberg stellte er Aushilfen ein, um das Catering, so würde man es heute bezeichnen, zu bewerkstelligen.
Im Februar 1936 wurde Tochter Waltraud geboren, die Mutter blieb zu Hause, das Motorrad wurde durch ein Auto ersetzt. Am 1. September 1939 überfiel die Wehrmacht Polen, der Zweite Weltkrieg begann. Die Versorgungslage verschlechterte sich, Fleisch wurde knapp. Konnopke stellte auf Reibekuchen um. Bei der Geburt des Sohnes Günter im April 1941 war er bereits an der Front.
Konnopke setzt auf Currywurst und erfindet eine Sauce dazu
Alle überlebten. Als Max Konnopke heimkehrte, errichtete er an seinem alten Standort an der Schönhauser eine Bretterbude, in den 50er-Jahren kam eine Filiale in Weißensee dazu. Kurz vor dem Mauerbau 1961 entdeckte Max im Westteil der Stadt eine neue Art der Wurstherstellung: Bratwurst ohne Darm. Er will das Produkt kopieren, experimentiert mit einem Fleischermeister aus Weißensee. Sie spritzen das Brät durch einen Schlauch in einen Eimer mit Eiswasser, darin bildet sich eine lange Schlange Wurst: Zusammen mit der bis heute nach einem „Geheimrezept“ selbst hergestellten Sauce war das die Geburtsstunde der Currywurst bei Konnopke.
In der DDR konnte sich Konnopke als privater Unternehmer behaupten. Auch, weil der Imbiss prominent war, wie Tochter Waltraud, die seit ihrer Heirat Ziervogel heißt, und mit ihren 79 Jahren sonnabends immer noch im Geschäft steht, sich erinnert. „Wir wurden mitunter bevorzugt beliefert, weil wir eine Art Aushängeschild der DDR waren.“
Nach der Wende geht es weiter und das Sortiment wird erweitert
Es soll sogar das Sprichwort gegeben haben: „Wenn Konnopke keine Wurscht mehr hat, ist die DDR am Ende.“Bekanntlich war die DDR irgendwann am Ende, aber Wurst wurde bei Konnopke auch in den Wendejahren 1989/90 verkauft. Und danach. Nach der Wende wurde das Sortiment erweitert, nicht nur die Limonade eines Brauseherstellers aus den USA kam dazu.
Doch viele Stammkunden zogen weg, die Bevölkerungsstruktur von Prenzlauer Berg änderte sich grundlegend. „Da drüben an der Ecke, da wohnt noch eine alte Frau, die kenne sich schon lange“, sagt Waltraud Ziervogel mit Betonung auf „eine“. Wir sitzen im „Garten“, einem halboffenen Häuschen neben der Imbissbude. Die U2 rattert über unsere Köpfe hinweg. Es gibt ruhigere Arbeits- und Essensplätze in der Stadt.
Touristen sind jetzt die treuesten Kunden der Currywurstverkäufer
Die Speisekarte gibt es auch auf Englisch, seit Konnopke’s in Reiseführern als Kultimbiss bezeichnet wurde, zählen Touristen zu den treuen Kunden.Auch eine vegane Wurst wird angeboten. 15 Angestellte arbeiten hier neben den beiden Chefinnen.
Dagmar Konnopke, Enkelin des Firmengründers, leitet die Firma gemeinsam mit ihrer Mutter Waltraud. Sohn Mario hat vor ein paar Jahren seinen eigenen Imbiss (Ziervogel’s Kult-Curry) „nur 800 Meter entfernt“ am Senefelder Platz eröffnet. Es gab Streit, der ging vor Gericht, die Wogen haben sich inzwischen geglättet, die gastronomische Konkurrenz ist eh stark in diesem Teil von Prenzlauer Berg.
Linda Konnopke studiert jetzt, vielleicht steigt sie in den Familienbetrieb ein
Zum Fototermin erscheint auch die vierte Generation. Linda Konnopke hat nach dem Abitur eine Lehre als Hotelfachfrau gemacht, jetzt studiert die 22-Jährige Marketing. Dagmar Konnopke hätte nichts dagegen, wenn die Tochter irgendwann in den Betrieb einsteigen würde. Auch mit Blick auf die 100-Jahr-Feier.
Das Buch: Waltraud Ziervogel/Dagmar Konnopke (Hg.): „Konnopke’s Imbiß. Das Original in Berlin seit 1930“, Berlin Story Verlag, 120 Seiten, 16,95 Euro.