Investoren-Tag

Die besten Gründer-Ideen aus dem Startupbootcamp

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Jürgen Stüber

Foto: Dieter H. Engler / Startupbootcamp/Engler

Drei Monate Arbeit, 600.000 Zeilen Programmcode, drei Terabyte Internetdaten – Elf Berliner Start-ups haben drei Monate hart gearbeitet. Jetzt präsentierten sie Investoren ihre Innovationen.

Drei Monate nach dem Start haben elf Start-ups aus dem Acceleratorprogramm Startupbootcamp Investoren ihre Projekte vorgestellt und um Unterstützung ihrer Ideen geworben. Start-ups finden in so genannten Acceleratorenprogrammen finanzielle Unterstützung und Rat von Experten.

„Unsere Teams haben 600.000 Zeilen Code geschrieben, und wir hatten drei Terabyte Internet-Traffic“, sagte Bootcamp-Gründer Alex Farcet. Er hob besonders den für die Branche überdurchschnittlich hohen Frauenanteil des Accelerators von 23 Prozent hervor. 500 Gäste besuchten den „Demo Day“ im Kreuzberger Umspannwerk.

Die Gründer zeigten ein breites Spektrum – nutzwertige Programme für Endverbraucher wie die Mütter-App Babywatch, hilfreiche Werkzeuge für App-Entwickler wie 1SDK.

Das Startupbootcamp wurde im Jahr 2010 von Alex Farcet gegründet – fand zunächst in Kopenhagen statt, inzwischen wird es einmal jährlich in Amsterdam, Berlin und Tel Aviv veranstaltet. Weitere thematisch spezialisierte Bootcamps für Start-ups, die sich mit Mobilität (Kopenhagen), Hightech (Eindhoven), Gesundheit (Dublin und London) sowie Nahfeldkommunikation (Amsterdam) beschäftigen, ergänzen das Angebot. Farcet konnte für das Berliner Programm unter anderem Mercedes Benz, Bosch und HDI als Sponsoren gewinnen.

Büros und Startkapital

Die Teilnehmer des Acceleratorprogramms hatten außer Arbeitsräumen an der Markgrafenstraße in Kreuzberg und einem Mentor-Programm pro Team einen Betrag von 15.000 Euro erhalten. Sie haben die Möglichkeit, die Büroräume in Kreuzberg für weitere drei Monate zu nutzen. Als Gegenleistung erhält Startupbootcamp acht Prozent der Unternehmensanteile.

Ralf Lamberti, Telematik-Chef beim Sponsor Daimler AG, hob die Bedeutung der Start-ups für die Automobilindustrie hervor und ermutigte die Gründer sich mit Fragen der Automatisierung des Fahrens und der Kommunikation zwischen Autos zu beschäftigen. „Autonome Autos sind zur Zeit das Hauptthema und die Konnektivität wird immer wichtiger“, umschrieb er sein Arbeitsfeld.

Alle Nachrichten auf einen Blick

Flux hat sich vorgenommen, E-Mails, SMS, Twitter, Facebook und andere soziale Netzwerke in einem Programm auf dem Smartphone zu bündeln. „Das ist unsere Vision des Messaging“, sagte Gründer Daniel Rieth. Die App soll es Nutzern erlauben, Nachrichtenströme zu gewichten und so den Überblick zu behalten. Nachrichten können auch Offline geschrieben werden, wenn ein Nutzer im Flugzeit sitzt. Sobald es wieder Internet gibt, werden die Benutzerkonten synchronisiert. Im April 2014 soll die Plattform nach einer Testphase freigeschaltet werden.

Achieved ist ein Werkzeug für das Studium oder die Weiterbildung in Unternehmen, mit dem Lernende den Überblick über ihr Studienpensum behalten. Sie setzen sich ein Ziel, entdecken Bildungsinhalte und protokollieren ihren Fortschritt. „Wir wollen Wissen transparent machen“, sagt Gründer Rob Hermans.

Dazu gibt es in der Tablet-App eine Seite, auf der Freunde ihren Mitlernenden Kurse oder Bücher empfehlen können. Betriebe können mit dem Programm die Weiterbildung ihres Personals steuern. Erste Kunden hat das Start-up schon gefunden: SoundCloud, GetyourGuide und Wooga testen die neue Plattform, die im zweiten Quartal 2014 frei verfügbar sein soll.

Avuxi ist eine Smartphone-App, die Geodaten und Empfehlungen nutzt. Wer zum Beispiel nach einem Restaurant in der Umgebung sucht, sieht eine Straßenkarten und farbige Wolken, die aussehen wie Fotos einer Wärmebildkamera: Die angesagtesten Orte sind in Rot markiert, mittelmäßig bewertete in Gelb. „In den drei Wochen, seit unsere App erhältlich ist, hatten wir bereits 7700 Downloads“, sagte einer der Gründer.

Seine Vision ist es, die Datenbank um Augmented Reality zu ergänzen. Dann könnte ein Nutzer sich die Umgebung durch die Kamera seines Smartphones ansehen und die besten Empfehlungen würden eingeblendet – oder durch eine Datenbrille.

Tablet wird zum Bordcomputer

ChatLingual hat ein automatisches Übersetzungsprogramm für Instant-Messaging erfunden. Dieses Angebot ist insbesondere für Call-Center gedacht, die den Kundenkontakt von Handelsmarken organisieren. Ein Algorithmus übersetzt die Anfragen in die Muttersprache des Call-Center-Agenten und übersetzt dessen Antworten in die Sprache des Kunden. „Nächsten Monat werden fünf Unternehmen unsere Plattform nutzen – darunter der Audio-Streamingdienst SoundCloud“, sagt Gründer Justin Custer. Die Plattform hat mehr als 60 Sprachen im Angebot.

High Mobility ist eine App „für die dritte Ära der Mobilität – dem Internet in Autos“, wie Holger G. Weiss, CEO der Anfang 2013 an Panasonic verkauften Berliner Musikplattform Aupeo, in seiner Laudatio sagte. High Mobiliy, ein Start-up aus Estland, verbindet das Tablet des Autofahrers per Bluetooth über eine eigens erfundene Hardware-Komponente mit der Bordelektronik eines Fahrzeugs.

Das Gerät soll neben Navigation die drahtlose Steuerung der Bordelektronik vom mobilen Endgerät aus ermöglichen. Das Start-up sieht sich als ein Angebot für die Automobilindustrie. Die Autoentwickler können über eine Software-Entwicklungs-Plattform Funktionen der Bordelektronik für das Endgerät freigeben.

Foodzai vermittelt „gute Köche für Feinschmecker und viel beschäftigte Leute“, sagt einer der Gründer. Die Idee: Hobbyköche bieten auf der Internetplattform ihre Gerichte an. Kunden bestellen dort und lassen sich die Speisen ins Haus liefern. Wer Kochinspirationen sucht, kann sich die im Pinterest-Stil konzipierte Plattform ansehen und in den Rezepten oder Porträts der Köche stöbern. „Ohne Werbung haben sich schon 2600 Interessenten angemeldet“, sagt der Gründer. Immer mehr Menschen hätten den Wunsch am gemeinsamen Konsum mit anderen Menschen. Laudator Gunnar Froh, Auslandschef des Zimmervermietungs-Community Airbnb, lobte „das beeindruckende Design und das Engagement der Nutzer“.

Datentransfer ohne Internet

Avuba will das Girokonto neu erfinden. Nutzern soll es möglich sein, mit der Kreditkarte gebührenfrei an allen Geldautomaten abheben zu können. Überweisungen sollen direkt vom Smartphone aus möglich sein – mit SMS-TANs, die direkt auf das Handy gesendet werden. Die App enthält ferner ein Haushaltsbuch, in dem Nutzer Einnahmen und Ausgaben sehen. Das Produkt soll im Sommer soweit entwickelt sein, dass es der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann. Bei der Einlagensicherung arbeitet das Start-up mit der net-m Privatbank zusammen. Ferner wird das Rechenzentrum der Volks- und Raiffeisenbanken benutzt.

1sdk ist ein Software-as-a-Service-Dienst für das mobile Bezahlen in App-Stores. Das Start-up will seine App, die Analysewerkzeuge für das Nutzerverhalten enthält, Software-Entwicklern zur Verfügung stellen. Sie können von einer Benutzeroberfläche auf verschiedene Appstores zugreifen. Bevor sie sich mit ihrem Projekt selbstständig machten, haben die Gründer für den Mobilfunkarbeiter Vodafone gearbeitet.

Anil Kutty hat dort einen App Store aufgebaut. Während dieser Tätigkeit kam ihm die Idee eine Plattform für App-Entwickler zu schaffen, die es ihnen ermöglicht, die optimalen Preise für In-App-Goods, also virtuelle Güter, die man innerhalb von Apps und Spielen für Smartphones kaufen kann, heraus zu finden. Anil will es damit kleineren, unabhängigen Entwicklern ermöglichen, sich besser gegen größere Firmen durchzusetzen.

Shoutr ist ein Start-up aus Berlin, das Smartphones per WiFi untereinander verbindet, ohne dass Mobilfunknetze oder das Internet dafür benötigt werden. Zwischen den Geräten werden so genannte Adhoc-Netzwerke über Peer-to-Peer-Verbindungen aufgebaut. So lassen sich große Datenpakete wie Videos und Fotos ohne Netz und damit ohne Kosten tauschen.

An dem Programm, das 60.000 Zeilen Code enthält, haben die Gründer 13 Monate lang gearbeitet und ihre Erfindung nun als Patent angemeldet. Die App ist beliebt und wurde schon mehr als 50.000 Mal aus dem Google-Play-Store heruntergeladen und auf Android-Smartphones installiert, wie Gründer Sebastian Winkler sagte. Später soll die App auch für Internet-Armbanduhren, so genannte Smart Watches, zur Verfügung stehen.

Herztöne auf Soundcloud

Reccy versteht sich als „Airbnb für Foto- und Film-Locations“. Immobilienbesitzer können ihre Location auf der Plattform anbieten. Produktionsfirmen, Filmemacher und Fotografen mieten sie dort. Wer einen interessanten Aufnahmeort sucht, findet auf der iPhone-App Fotos. Zunächst für Berlin verfügbar, sollen Angebote aus anderen Metropolen bald folgen.

Babywatch Dieses Start-up verbindet einen Ultraschallsensor mit einer Smartphone-App. Schwangere Frauen können damit die Herztöne ihres Kindes aufzeichnen, die Audiodatei bei SoundCloud speichern und in sozialen Netzwerken teilen. Ärzte können die Daten begutachten. „Weltweit werden 66 Milliarden Dollar für Schwangerschaftsprodukte ausgegeben“, beschreibt Gründerin Urska Srsen die Marktlage.

Das Start-up räumte Anfang November 2013 bei der Start-up-Konferenz Pioneers Festival in Wien den ersten Preis ab. Das Team arbeitet bereits an der nächsten App, Tediknows.com, mit dem Eltern die motorischen und intellektuellen Fähigkeiten ihrer Kinder dokumentieren können.