Moviepilot

In Berlin gründet sich alle 20 Stunden ein Start-up

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Jürgen Stüber

Foto: Rae Grimm/moviepilot) / Rae Grimm/moviepilot

Es war ein Muster-Start-up, das sich Klaus Wowereit zur Präsentation der Studie über die digitale Wirtschaft in Berlin ausgesucht hatte – erfolgreich, international, profitabel.

Alle 20 Stunden wird in Berlin ein neues Internetunternehmen gegründet. Insgesamt 469 waren es im vergangenen Jahr, wie der Blick in die neue Studie der Investitionsbank Berlin (IBB) über die digitale Wirtschaft zeigt. Ein Beispiel für eine solche Gründung ist Moviepilot in Kreuzberg, vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Ort für die Präsentation der Studie ausgesucht.

Die mit rund 3,5 Millionen monatlichen Nutzern nach eigenen Angaben größte Plattform für Filmbegeisterte in Deutschland wurde im Jahr 2007 gegründet. Die Internetseite wird monatlich von acht Millionen Menschen besucht und hat mehr als 1,8 Millionen Facebook-Fans. Sie bietet Informationen zu mehr als 50.000 Filmen und 120.000 Stars. Nutzer von Moviepilot erhalten Filmempfehlungen, die auf ihrem individuellen Geschmack basieren, den sie mit Äußerungen auf der Plattform dokumentieren.

Das Unternehmen mit 60 Beschäftigten verdient sein Geld mit der Optimierung von Verleihkampagnen für Filme und hat inzwischen auch eine Filiale in Los Angeles. Wie Mitgründer Jon Handschin sagte, ist das Unternehmen die zurzeit am schnellsten wachsende Film-Community in den USA.

Zweistellige Zuwachsraten

Die Zahl solcher Betriebsgründungen stieg im Zeitraum von 2008 bis 2012 in Berlin um 44,2 Prozent. Im Kernbereich der digitalen Wirtschaft – das sind Datenverarbeitung, Webhosting und Programmierung – betrug die Steigerung sogar 59,6 Prozent. Nur Berlin und Dresden (+ 10,4 Prozent) können im Vergleich zu 2008 einen positiven Saldo bei den Betriebsgründungen aufweisen. Alle anderen Städte liegen im Minus (München -23,4 Prozent; Hamburg -9,1 Prozent)

Im nationalen Vergleich liegt Berlin ganz vorn: 11,8 Prozent aller im Jahr 2012 in der digitalen Wirtschaft in Deutschland gegründeten Unternehmen hatten ihren Sitz in Berlin. München hat 6,8 Prozent aller Gründungen, Hamburg kam auf 4,1 Prozent. Auch bei den Beschäftigtenzahlen zieht Berlin eine positive Bilanz: Im Vergleich 2008/2012 gab es hier ein Plus von 12.292. In München sieht es mit 10.940 zusätzlichen Beschäftigten ähnlich aus. Frankfurt/Main und Hamburg legten um jeweils 6000 Stellen zu.

Vom Silicon Valley weit entfernt

Ulrich Kissing, der Vorstandsvorsitzende der IBB, führt den Boom der Berliner Internetwirtschaft auf die drei großen Ts zurück: Technologie, Talente und Toleranz seien die herausragenden Merkmale, die zur Entwicklung des Berliner Ecosystems beigetragen hätten. Als weiteren Faktor nennt er die enge Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Da stimmt ihm Jan Beckers, der Gründer und Geschäftsführer der HitFox Group zu, einem führenden Berliner IT-Unternehmen: „Berlin ist ein hervorragender Standort für Start-ups – vor allem wegen des guten Zugangs zu hochqualifizierten Mitarbeitern. Die HitFox Group bekommt beispielsweise jeden Monat über 500 Bewerbungen, davon mehrere hundert aus dem EU-Ausland“, erklärt Beckers.

Berlin in zehn Jahren „reich und sexy“

Die Start-ups garantieren Berlin ein nachhaltiges Wachstum in wichtigen Zukunftsindustrien. „In zehn Jahren wird Berlin auch gesamtwirtschaftlich im Vergleich mit anderen Metropolen sehr gut dastehen“, so Beckers. „Im Moment ist Berlin noch ,arm und sexy’. Dann ist es möglicherweise ,reich und sexy’.“

Trotz aller positiven Zahlen sei die digitale Wirtschaft in Deutschland und in Berlin aber noch weit vom Silicon Valley entfernt: Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung haben Beteiligungsfonds ins Deutschland im Jahr 2011 insgesamt 926,1 Millionen Euro in Start-ups investiert. Im Valley seien es umgerechnet 30 Milliarden Euro, die im gleichen Zeitraum in Frühphaseninvestments geflossen seien.

Moviepilot arbeitet seit 2012 profitabel

Auch Moviepilot wurde in seinen Anfangsjahren durch Venture Capital gefördert – unter anderem von Grazia Equity, T-Venture und der IBB Beteiligungsgesellschaft sowie einigen Business Angels (wie Stefan Glänzer). Seit 2012, sagt Mitgründer Jon Handschin stolz, arbeite der deutschsprachige Teil der Plattform profitabel. Für Wowereit ist Moviepilot eine Muster-Start-up: Früher, sagte er, sei es ja fast unanständig gewesen, einem Gründer die Frage nach einem Geschäftsmodell zu stellen. Heute sei das anders.