Der Venture Capitalist und Serienerfinder Stefan Glänzer steckt Millionen in die Berliner Start-up-Szene. Jetzt coacht er Investoren und verrät, wie er Start-ups findet, die zu Welterfolgen werden.
Stefan Glänzer investiert aus dem Bauch heraus. „Wenn ich ein Start-up treffe, fällt die Entscheidung meist in den ersten 15 Minuten“, sagt er. Sein Erfolg gibt ihm Recht. Der Serienerfinder und Investor hat bei zahlreichen Exits viele Millionen erwirtschaftet. Als Gründungspartner des Venture-Fonds Passion Capital investiert der Wahl-Londoner seit zwei Jahren in Start-ups.
Stefan Glänzer teilte seine Erfahrungen mit den Besuchern des angelsbootcamp, einem neuen Veranstaltungsformat von Alex Farcet, dem startupbootcamp-Erfinder. Farcet will potenzielle Investoren auf ihre neue Tätigkeit vorbereiten und ihnen das erforderliche Wissen für diese Aufgabe vermitteln. Zum ersten Workshop dieser Art hatte Farcet erfahrene Risikokapitalgeber nach Berlin eingeladen. Glänzer war einer von ihnen.
Start-ups sollen Probleme lösen
Die Menschen stehen für Glänzer bei Investitionsentscheidungen im Mittelpunkt. „Wir unterstützen kein Geschäft, sondern Leute“, sagt er. „Wir investieren, wenn die Gründer ein Problem aus dem wirklichen Leben durch Einsatz digitaler Technologie besser als andere lösen können“, sagte Glänzer in einem Gespräch über Unternehmensbewertung von Start-ups.
Die zentrale Frage sei, ob Entrepreneure das Potenzial haben, aus ihrem Konzept ein großes Unternehmen zu entwickeln. „Think big – nicht kleckern, sondern klotzen“, darauf komme es an.
Über den Erfolg entscheidet der Markt
Gründer sollen sich nach Glänzers Meinung zunächst auf ihre Idee konzentrieren. Von Businessplänen in der Gründungsphase hält der Investor wenig. „Damit können sie sich später befassen“, sagt er und widerspricht damit dem insbesondere bei E-Commerce-Gründungen verbreiteten Trend, mit minimaler Kreativität in kürzester Zeit eine maximale Monetarisierung zu erreichen. „Über den Erfolg entscheidet am Ende ohnehin der Markt“, sagt er.
„Businesspläne sind eine Art Science Fiction“, sagt Glänzer. „Ich weiß das, denn ich habe selbst schon viele geschrieben.“ Internet-Gründer sollten sich auf andere Dinge konzentrieren. Die Gründer von Skype wollten, dass jeder kostenlos telefonieren kann“, sagt er. Die hätten bestimmt nicht mit einem Businessplan angefangen.
Persönlichkeit der Gründer entscheidet
Investoren brauchen Menschenkenntnis. Glänzer interessiert sich für die Biografie von Entrepreneuren. „Die DNA eines Gründers zeigt sich bereits im Teenager-Alter“, weiß er. Waren sie Klassensprecher? Treiben sie Sport? Liegen sie im Urlaub am Strand oder trauen sie sich auf Reisen etwas zu? „Das sagt viel über ihre Persönlichkeit und ihre Eignung als Unternehmer aus.“ Und ganz wichtig ist ihre Ehrlichkeit. Gibt es da Zweifel, zieht Stefan Glänzer sofort die rote Flagge hoch.
Die Ausstrahlung der Gründer ist entscheidend. „Ich war kein Freund der komplizierten Idee von DailyDeal“, nennt er ein Beispiel aus dem Jahr 2010. „Aber ich habe in das Unternehmen investiert, weil mich die Gründer Fabian und Ferry Heilemann überzeugten.“ Das Berliner Start-up DailyDeal baute seinerzeit nach dem Vorbild von Groupon ein Geschäft mit Rabattgutscheinen auf. Glänzer war einer der Seed-Investoren des später an den Internetkonzern Google verkauften Unternehmens.
22 Millionen Pfund für Last.fm-Anteile
Stefan Glänzer ist unter anderem Co-Founder des Schweizer Online-Marktplatzes für Auktionen, Ricardo.de, des Portals myblog.de und des Wissenschaftsnetzwerks mendeley.com. Er hat in KaufDa (gehört zu Axel Springer, wo unter anderem auch die Berliner Morgenpost erscheint), Amiando, Moviepilot, Last.fm, wahanda.com und zahlreiche andere Unternehmen investiert.
Der Musikstreamingdienst Last.fm wurde 2002 erfunden. Der frühere DJ Glänzer investierte im Jahr 2004 in das Portal und wurde sein Vorstandsvorsitzender. Als die Plattform 40 Millionen Mitglieder hatte, verkaufte Glänzer die Firma an den amerikanischen Fernsehsender CBS und erhielt für seine Anteile 22 Millionen britische Pfund. Heute wären das 26 Millionen Euro.
Millionenerlös für Forschernetzwerk
Das von Glänzer mitgegründete Netzwerk Mendeley, größter Mitbewerber des Berliner Start-up ResearchGate, ging Anfang des Jahres laut Techcrunch für einen Betrag von 70 bis 100 Millionen Dollar an den niederländischen Wissenschaftsverlag Elsevier. Glänzer ist seit 2007 Aufsichtsratsvorsitzender des Netzwerks für Forscher.
Den Auktionsmarktplatz ricardo.de startete Glänzer im Jahr 1998, führte es 1999 an die Börse und verkaufte ihn bereits ein Jahr später an das britische Online-Auktionshaus QXL.
Engagement in Innovationen
Im Jahr 2011 gründete Glänzer den in London angesiedelten Frühphaseninvestor Passion Capital. „Wir investieren in Innovationen, nicht in E-Commerce. Und mit Gaming kennen wir uns nicht aus“, beschreibt er seinen Fonds. Zum Portfolio des Unternehmens gehören unter anderem die Berliner Foto-Community EyeEm, die Animationsplattform Loopc.am (ebenfalls aus Berlin), das Echtzeit-Analysetool für Websites, GoSquared, die Spendenplattform Flattr, die Lifelogging-Kamera Memoto und das E-Book-Lesegerät Readmill (Berlin). Auch als Business Angel ist Glänzer weiter in Europa aktiv, so unter anderem in Divimove (Berlin) oder Kreditech (Hamburg).
Berlin ist für Glänzer neben London, Stockholm und Tallin (Estland) eine der vier wichtigsten europäischen Start-up-Metropolen. Hamburg habe in der Vergangenheit zwar größere Internetunternehmen hervorgebracht (unter anderem das Businessnetzwerk Xing, den Spieleentwickler Bigpoint, die Empfehlungsplattform Qype) als Berlin, sagt er als gebürtiger Hanseate nicht ohne Stolz.
Doch in der Hauptstadt stehe etwas anderes im Mittelpunkt: „In Berlin es geht um die Schaffung eines neuen Ecosystems.“ Und zur oft geäußerten Klage, in Berlin fehle Risikokapital, sagt Glänzer: „Geld ist beweglich. Erst kommt das Ecosystem und dann kommt auch das Kapital.“