Ciarán O'Leary

Earlybird-Investor: In Berlin fehlen Geld und Erfahrung

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Jürgen Stüber

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Er investiert Millionen in Start-ups. Ciarán O'Leary, Partner des Investors Earlybird, spricht über die Gründerszene. Was fehlt, sind Erfahrung und Geduld, sagt er. Für Börsengänge sei es zu früh.

Ciarán O'Leary gehört zu den wenigen Venture Capitalist, die sich in Berlin angesiedelt haben, um in Unternehmen der wachsenden Start-up-Branche zu investieren. Der Partner des Unternehmens Earlybird ist ein Visionär und Kenner der Szene. Die Berliner Morgenpost traf den Investor in seinem Berliner Büro.

Berliner Morgenpost: Welche Rolle spielt die Berliner Start-up-Szene in der globalen Liga?

Ciarán O'Leary: Berlin hat international immer noch die Rolle eines Underdog und muss härter kämpfen als internationale Hubs. Die Szene hat zwar schon viele Hausaufgaben gemacht, aber sie ist noch ganz weit weg vom Silicon Valley. Aber die Unfertigkeit von Berlin ist einer der wichtigsten Faktoren, der hier die Szene antreibt.

Was wünschen Sie ich für Berlin?

Eine Universität vom Kaliber Stanford oder dem Massachusetts Institute of Technology. Bis dahin sollten wir noch bessere Voraussetzungen schaffen, um die talentiertesten Leuten aus aller Welt nach Berlin zu bekommen. Und Computerwissenschaften müssten im Schul- und Universitätssystem viel besser verankert werden.

Brauchen wir darüber hinaus andere politische Rahmenbedingungen?

Wir brauchen steuerliche Anreize. In Deutschland ist es besser, in einen Altbau zu investieren und das abzuschreiben als in ein Start-up, das Arbeitsplätze schafft. Es fehlen auch die Bemühungen, um große Technologieunternehmen in die Stadt zu holen, an denen sich Gründer messen, reiben und austauschen können.

Sie sagten, es gebe auch zu wenig Kapital?

In Deutschland gibt es sechs Mal weniger Venture Capital in Relation zum Bruttosozialprodukt als in den USA. Und der der Begriff „Risikokapital“ hört sich schrecklich an.

Warum ist es im digitalen Zeitalter so wichtig, dass VCs nach Berlin kommen?

Man muss nicht hier sein, um gute Investments zu machen. Aber es macht für die Szene einen Unterschied, ob sich Kapitalgeber und Unternehmer auch mal zufällig auf der Straße begegnen, ob man Beziehungen aufbaut und in einem permanenten Dialog ist. Diese enge Verzahnung ist auch im Silicon Valley ausschlaggebend.

Worin unterscheiden sich Gründer im Valley und in Berlin?

Das durchschnittliche Gründerteam im Valley sind Leute, die vielleicht schon fünf Jahre bei Google gearbeitet und Erfahrungen gemacht haben. Das typische Start-up-Team in Berlin macht alles zum ersten Mal. Die Szene ist unerfahrener. Man probiert etwas aus. Und wenn es nicht klappt – Schwamm drüber. In Berlin ist jeder ein halber Überlebenskünstler.

Und wo sehen sie Berliner Standortvorteile?

Die talentiertesten Leute mögen inspirierende urbane Umgebungen. Hier herrscht diese Atmosphäre. Das ist das einzige, was langfristig zählt. In Berlin können Leute sehr gut leben, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen.

Berlin gilt als cool. Aber könnte es sein, dass das Ecosystem umkippt, wenn zum Beispiel die Mietpreise steigen?

Wenn das unser Wettbewerbsfaktor wäre, sähe es nicht gut aus.

Herrscht in der Berliner Szene zu viel Hype?

Die meisten kleineren Start-ups scheitern natürlich. Das ist Tagesgeschäft. Wichtig ist, ob die größeren Unternehmen wie zum Beispiel Soundcloud, Wooga, ResearchGate oder The Football App (iLiga) ein Erfolg werden. Entscheidend ist, wie viel Geld in das Ökosystem fließt. Doch es gibt in Berlin nicht den leistesten Ansatz von Hype-Bewertungen. Und es gibt wenige Start-ups, die signifikante Millionenbeträge einsammeln.

Wie stark investieren Sie in Berlin?

In den vergangenen zwölf Monaten haben wir zehn Investments gemacht und davon sind sieben in Berlin, zum Beispiel Auctionata. Oder iLiga, die Fußball-App, in die wir zehn Millionen Euro investiert haben. Keiner kannte die und wir haben sie durch Zufall getroffen. Von diesen Start-ups gibt es in Berlin noch viel mehr.

Sind Sie eher auf Consumer- oder Business-Start-ups fokussiert?

In unserem Portfolio sind ein Drittel Consumer-Start-ups, ein Drittel Enterprise und ein Drittel ist beides – wie zum Beispiel6Wunder.

Was brauchen wir, damit es mit der Szene aufwärts geht. Exits oder einen Börsengang?

Auf jeden Fall ein richtiges Ökosystem, in dem es viele Angels gibt, die schon Erfahrung haben. Am besten man hat Leute mit Erfahrung und Geld. Aber in Berlin haben wir beides nicht in einer ausreichenden Masse.

Einige Exits gab es schon.

Natürlich gab es im Umfeld von Rocket Internet einige sehr große Exits – CityDeal oder Zalando. Aber das ging immer an sehr wenige Leute. Wenn irgendwann ReseachGate, Soundcloud, Wooga, 6Wunderkinder oder iLiga verkauft würden, hätte man schlagartig Dutzende Millionäre, die Erfahrung haben und Lust, andere zu unterstützen und etwas Neues zu machen. Das fehlt. Aber wenn man sieht, wie jung die Unternehmen sind, dann muss man denen noch ein, zwei oder drei Jahre Zeit lassen.

Die letzten großen Börsengänge aus dem Earlybird-Portfolio – InterHyp und Tipp24 – waren 2005 bis 2007.

Nach der Dot.com-Blase haben wir einen neuen Fonds aufgelegt, der 2009 bis 2011 die meisten Investments getätigt hat. Die Unternehmen sind also erst im Schnitt zwei bis drei Jahre im Portfolio. Man rechnet in der Regel mit drei bis fünf Jahren bis zu einem Exit. Bis zu einem großen Börsengang dauert es sechs oder sieben Jahre. Es mag sein, dass es dieses Jahr die ersten größeren Exits gibt, aber wir müssen jetzt nicht verkaufen. Wenn wir ein Unternehmen wie B2X in München im Portfolio haben mit einem dreistelligen Millionenbetrag an Umsatz, das immer noch signifikant wächst, dann wären wir ja verrückt, wenn wir das nicht noch einige Jahre behalten würden.

Wo sehen Sie den nächsten Exit-Kandidaten in der Berliner Start-up-Szene?

Soundcloud, ResearchGate, 6Wunderkinder, Zalando, Wooga, Trademob, Madvertise – da gibt es so viele, die man heute für gute Preise verkaufen könnte. Aber es wäre eine Schande, diese Unternehmen sich nicht noch mindestens ein oder zwei Jahre entwickeln zu lassen. Oder iLiga, mit seiner Reichweite von einer Milliarde Page-Impressions pro Monat. Bei vielen habe ich den Eindruck, dass die erst am Anfang stehen und noch sehr viel machen wollen.

Werden wir nur Exits oder auch Börsengänge sehen?

Zalando scheint mir der am ehesten geeignete Kandidat von den großen Unternehmen. Man muss immer entscheiden, wo man die besseren Preise bekommt. Und in Europa sind die Kapitalmärkte für junge, schnell wachsende Technologieunternehmen total im Eimer. Die Hürde, um ein Unternehmen für einen IPO vorzubereiten, ist hoch. Damit muss man zwei Jahre vorher anfangen. Deswegen würde ich darauf tippen, dass die überwiegende Zahl der Exits in Berlin richtige Trade Sales, also Verkäufe, sein werden.

Wie castet ein Venture Capitalist seine Investments?

Mit müssen uns so viel und so aggressiv wie möglich Start-ups anschauen. Das sind mehrere Tausend im Jahr. Und dann suchen wir uns die besten raus. Dabei stellt sich die Frage, ob das Unternehmen zu unserer DNA passt. E-Commerce ist ein sehr gutes Geschäft, aber wir glauben, dass wie andere Dinge besser können – zum Beispiel Online-Unternehmen, die Netzwerkeffekte haben.