Jeder trägt einen. Von Geburt an. Manchmal sogar vor dem Vornamen. Bei vielen ändert er sich im Laufe des Lebens: der Nachname. Bei etlichen Menschen bietet er eine Steilvorlage für Witzeleien, Verniedlichungen oder Spitznamen. Wie lebt es sich dieser Tage mit einem Nachnamen wie Heilig, Selig oder Papst, der direkt mit dem Papstbesuch in Zusammenhang steht? Muss Frau Papst zum Heiligen Vater ins Olympiastadion oder Herr Heilig mit Devotionalien am Straßenrand stehen? Verpflichtet der Nachname zu religiöser Begeisterung?
Mit einem Pfarrer als Schwiegersohn
„Ich frage mich, was genau der Papst in Berlin eigentlich will. Will er uns bekehren?“, sagt Max Selig, ehemaliger Bauingenieur aus Spandau. Der 96-Jährige teilt seinen Nachnamen mit 431 Berlinern. „Würde der Papst kommen und sich mal für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzen, das wäre was.“ Max Selig ist Protestant, in die Kirche geht er jedoch nicht regelmäßig. Da sein Schwiegersohn Pfarrer ist, wird er aber auch nicht aus der Glaubensgemeinschaft austreten. Obwohl er die Kirche grundsätzlich für „arrogant“ hält und sie als zu rückständig für die heutige Welt empfindet. „Die Kirche ist zu konservativ. Dabei verändert sich die Welt tagtäglich – und ich mache dabei mit, trotz meines Alters. Die Kirche nicht“, sagt er. Und: „Der Glaube ist doch eigentlich nur noch ein großes Geschäft. Die wollen ständig mein Geld, aber gekümmert haben sie sich nicht um mich. Das macht meine Familie und die Menschen um mich herum, deswegen sind die auch wichtiger für mich als jede Kirche.“ Sein Nachname sei für ihn nicht von besonderer Bedeutung gewesen. „Mein Name hat mich eigentlich nie beschäftigt. Ich denke, der Nachname eines Menschen ist doch unwichtig. Entscheidend ist sein Leben und das, was er daraus macht“, sagt Max Selig.
Die Namensforschung bezeichnet Nachnamen wie Heilig, Selig oder Papst als sogenannte Übernamen. „Derartige Namen wurden vor allem nach charakterlichen oder körperlichen Merkmalen des ersten Namensträgers gewählt“, sagt Silvio Brendler, Direktor des Leipziger Zentrums für Namensforschung. „Umgangssprachlich ausgedrückt sind es Spitznamen“, so der Wissenschaftler.
„Heilige“ gibt es gerade einmal 140 Mal in Berlin. Ralf Heilig (49) ist einer von ihnen. Er ist Versicherungsagent aus Kreuzberg und er ist Katholik. Seine Freundin Cornelia Valentin (49) bezeichnet sich selbst als Atheistin. „Das ist ein Streitpunkt zwischen uns beiden. Aber nicht, weil ich ihre Einstellung nicht respektiere. Sondern eher, weil sie meiner Meinung nach vom Wesen und von ihrer Art der gläubigste Mensch ist, den ich kenne“, sagt Ralf Heilig. Cornelia Valentin sieht den Papstbesuch skeptisch. Er koste viel zu viel Geld, sagt die 49-Jährige. „So funktioniert die Argumentation aber nicht. Wenn für Brad Pitt der rote Teppich ausgerollt wird, kostet das schließlich auch Geld. Und da beschwert sich keiner“, meint dazu Ralf Heilig. „Natürlich sehe ich trotzdem einige Kritikpunkte als berechtigt: Eine konkrete Umsetzung einer einzigen Lebenshaltung für alle Menschen gleich passend zu machen, das ist einfach nicht möglich.“
Eine bekannte Familien-Anekdote
Für ihn als Katholiken sei der Papst dennoch der höchste Vertreter eines schönen Gedankens: des christlichen Glaubens. Deshalb freut sich der gebürtige Westfale auch auf Papst Benedikt XVI., findet den Besuch des Kirchenoberhaupts „schön für die Stadt“. Er wird selbst aber nicht live dabei sein. Um Karten für das Olympiastadion hat sich der 49-Jährige nicht bemüht, da ihm der „Eventcharakter“ nicht gefalle. Eine passende Anekdote gibt es allerdings zu seinem Nachnamen. Aber unverbürgt, wie Heilig betont. „Es gibt die Geschichte, dass unser Familienname eigentlich Hillig lautete, es aber einen Ahnen väterlicherseits gab, der Pfarrer war. Dieser soll sich dafür eingesetzt haben, dass aus Hillig Heilig wurde.“ Fast jeder in der Familie kennt diese Geschichte.
„Sehr gut möglich, dass die Anekdote der Familie der Wahrheit entspricht“, sagt dazu Namensforscher Brendler. „Damit könnte das dann jemand sein, der tatsächlich sehr fromm ist – oder aber das ganze Gegenteil davon.“
Die 25-jährige Sandra Papst arbeitet als Kosmetikerin in Berlin. 95 Berliner Einträge zu Papst kennt das Zentrum für Namensforschung. Auch hier gilt das Prinzip des Spitznamens: „Ein Papst ist jemand, der sich würdevoll gibt, päpstlicher als der Papst ist – oder eben überhaupt nicht“, sagt Wissenschaftler Brendler. Sandra Papst wohnt in Moabit, kommt eigentlich aber aus Österreich: „Ich bin in der Steiermark geboren und deswegen natürlich auch römisch-katholisch. Aber ich lebe meinen Glauben zugegebenermaßen nicht sonderlich streng“, sagt sie. Der Glaube sei zwar ein Teil von ihr, aber sie lasse sich nicht vorschreiben, was ihr Glaube zu umfassen und wie sie damit umzugehen habe. Für die 25-Jährige ist die klare Hierarchie generell ein Problem des Glaubens, nicht nur in der römisch-katholischen Kirche. Sandra Papst: „Viele Menschen hören auf zu denken, sobald sie anfangen zu glauben. Ich hinterfrage eben viel. Und das schließt für mich ein, dass ich einen katholischen Pfarrer nicht ernst nehmen kann, wenn er mir etwas erzählt, was beispielsweise die Ehe betrifft.“
Für Sandra Papst hat der Papstbesuch in Deutschland nichts mit ihr und ihrem Glauben zu tun. „Ich habe mich nicht mit dem Besuch des Papstes in Berlin beschäftigt“, gibt Sandra Papst offen zu, „obwohl ich so heiße“. Zu ihrem Namen ist die junge Frau auf diese Art gekommen: „Mein Großvater wurde als Kind adoptiert und – zack – waren wir Papst. So schnell kann das gehen.“