Zahlreiche Schulen suchen aktuell sieben bis acht neue Kollegen. Vor allem Grundschulen brauchen dringend Pädagogen, dort gibt es 1000 offene Stellen. Experten kritisieren die mangelnde Ausbildung.

In Berlin fehlen zum neuen Schuljahr mehr als 2000 Lehrer. Besonders dramatisch ist die Lage an den Grundschulen. Allein dort müssen mehr als 1000 Stellen besetzt werden. Jörg Ramseger, Erziehungswissenschaftler an der Freien Universität, spricht von einem „Supergau“.

Viele Schulen suchen sieben bis acht neue Kollegen. Die Zahlen sind vor allem deshalb erschreckend, weil sich viel zu wenig Grundschullehrer in Berlin beworben haben. Ramseger dazu: „An den Grundschulen wird das Fundament für die Schülerkarrieren gelegt. Wenn es dort nicht genug gut ausgebildete Lehrer gibt, wird sich das später bitter rächen.“

„In Berlin werden viel zu wenig Grundschullehrer ausgebildet“, kritisiert der Erziehungswissenschaftler. Rein rechnerisch käme auf jede der 350 Berliner Grundschulen nur noch alle drei Jahre ein fertig ausgebildeter Lehrer. Die Zahl der Studienplätze für Grundschulpädagogik sei 2005 fast um die Hälfte reduziert worden. Grund sei die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge gewesen.

Lehrermangel und wachsende Schülerzahlen

An der Freien Universität und der Humboldt-Universität würden seitdem jedes Jahr insgesamt nur noch rund 150 Nachwuchslehrer fertig werden. Deutlich zu wenig angesichts der großen Anzahl von Lehrern, die jetzt und in den kommenden Jahren in Pension gehen würden. Dem Lehrermangel stehen in Berlin wachsende Schülerzahlen gegenüber. Ramseger warnt: „Vermutlich bekommen wir in Kürze wieder Grundschulklassen mit weit mehr als 30 Kindern wie in der Nachkriegszeit.“

Doreen Siebernick, Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), spricht ebenfalls von einer dramatischen Entwicklung. Aufgrund der stark wachsenden Schülerzahlen müssten viele Grundschulen zusätzliche erste Klassen aufmachen. Das erhöhe den Bedarf an Lehrern weiter. „Bei den regionalen Castings, die bisher stattgefunden haben, mussten wir feststellen, dass es vor allem Leiter von Grundschulen sind, die nach Lehrern suchen“, sagt Siebernick. Die meisten hätten kaum Erfolg gehabt. „Es sind fast nur Studienräte oder Sekundarschullehrer, die sich bewerben, kaum Grundschullehrer.“

Bildungsexperten gehen davon aus, dass nun auch an den Grundschulen Quereinsteiger eingesetzt werden müssen. Ramseger hält das für verheerend. „Wer Grundschüler unterrichtet, braucht eine gute methodische wie pädagogische Ausbildung“, sagt er. Lehrer, die von der Pädagogik des Anfangs nichts verstehen, würden Fehler machen, die in der späteren Schullaufbahn der Kinder nur schwer zu korrigieren seien.

Grundschulleiter bangen um ihre Konzepte und Projekte

Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), sagt, dass noch keine Bilanz gezogen werden könne. Die regionalen Auswahlverfahren würden noch bis zum Ende der kommenden Woche laufen. Danach folgten zentrale Castings. Es gebe noch viele Bewerber, so Stoffers. „Wir werden versuchen, so wenig Quereinsteiger wie möglich einzusetzen, vor allem an den Grundschulen wollen wir das vermeiden.“ Die Bildungsverwaltung werde sich aber vorbehalten, Lehrer von Oberschulen an Grundschulen abzuordnen, wenn nicht genug Grundschullehrer eingestellt werden könnten. „Die Abordnung ist aber freiwillig“, so Sprecherin Stoffers.

Viele Grundschulleiter bangen jetzt um ihre Schulkonzepte. Können sie die offenen Stellen nicht besetzen, sind Projekte und besondere Lernformen gefährdet. Ein Beispiel ist die Hans-Fallada-Grundschule in Neukölln. 92 Prozent der Schüler sind nicht deutscher Herkunft, darunter 80 Roma-Kinder. „Wir brauchen Kontinuität“, sagt Schulleiter Carsten Paeprer. Er sucht acht Lehrer.