Virus, Phishing oder Warenbetrug: Experten und Leser haben beim siebten Leserforum über Kriminalität im Internet diskutiert und gefragt, wie man sich davor schützen kann.

Das Internet bestimmt immer mehr den Alltag der Menschen – Onlinebanking, Einkaufen, Kommunikation. Und ob man will oder nicht, setzt man sich einem Risiko aus, Opfer von sogenannter Cyberkriminalität zu werden. Da dieses Thema sehr viele Menschen betrifft, hat es die Berliner Morgenpost ins Zentrum ihres siebten Leserforums gerückt und ist am Dienstag den Fragen nachgegangen „Internetnutzung – Was muss ich beachten? Internetkriminalität – Wie kann ich mich schützen?“

Als Experten diskutierten Justiz- und Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU), dessen Frau selbst mehrere Hundert Euro durch Cyberkriminelle verloren hat, Carsten Szymanski, der das Dezernat für Cybercrime im Berliner Landeskriminalamt leitet, Jan Wilschke von der Verbraucherschutzzentrale Brandenburg und die Journalistin Pia Frey, die vor einem Jahr eine visualisierte Presseschau entwickelte und als sogenannter „Digital Native“ mit dem Internet aufgewachsen ist. Moderator war Morgenpost-Autor und -Kolumnist Hajo Schumacher.

Die Experten auf dem Podium im Willy-Brandt-Saal des Rathauses Schöneberg wollten für die Leser ein bisschen Licht in die düstere Seite des Internets bringen, mit denen fast jeder Besucher des Forums schon einmal zu tun hatte. Zum Beispiel mit den falschen Rechnungen, die per E-Mail kommen. Als Jan Wilschke von der Verbraucherzentrale Brandenburg das Thema anspricht, geht ein Raunen und Nicken durch den Saal. „Die Leute kommen regelmäßig zu uns, weil sie E-Mails mit zip-Anhängen bekommen. In den Mails steht, man habe eine Rechnung nicht gezahlt. Nähere Informationen würde man im Anhang finden“, erzählt Wilschke. Klicken die Betroffenen dann auf den Anhang, holen sie sich den Schaden wie etwa einen Virus auf den Rechner.

Die dunklen Seiten des Internets

Ein Leser möchte wissen, ob es hilft, sich eine neue E-Mail-Adresse anzulegen. „Bedingt. Denn wenn man sich weiter verhält wie zuvor, können die falschen Rechnungen immer wiederkommen“, so der Verbraucherschutzexperte. Es gelte immer der Grundsatz der Datensparsamkeit, also seine Daten nicht unnötig im Netz zu verbreiten. „Natürlich lässt es sich manchmal nicht vermeiden, seine E-Mail-Adresse anzugeben. Aber Gewinnspiele sind überflüssig.“

Auch Carsten Szymanski hat einige Ratschläge parat: Die erste Regel sei, niemals die eigene E-Mail-Adresse ins Internet zu stellen – und sei es auf der Seite des Angelvereins. Ganz wichtig sei es auch, auf Spammails nicht zu antworten, denn das spielt den Kriminellen in die Hände. „Das macht die Adresse nur wertvoller, denn es zeigt, dass sich hinter ihr jemand verbirgt“, so Szymanski.

Für die Journalistin Pia Frey sind solche schadhaften E-Mails keine Bedrohung. Sie ist mit dem Internet groß geworden und hat im Gefühl, was gut ist und was nicht. „Mir ist das einfach total klar. Ich würde nie auf so einen Anhang klicken“, erzählt sie. Bisher scheint sie ihr Gefühl nicht zu trügen, sie wurde noch nie Opfer von Internetkriminalität. Oder jedenfalls nicht so, dass sie es gemerkt hätte. „Das Internet ist mir so unheimlich wie die reale Welt. Ich weiß, es gibt Ecken, in die sollte man einfach nicht gehen.“

Immer neue Schlupflöcher für Kriminelle

Doch wer kein Digital Native ist, dem stellen sich viele Fragen, zum Beispiel nach der Sicherheit des WLAN-Netzes zu Hause und des eigenen Computers. „In der Regel sind WLAN-Router relativ sicher“, beruhigt Szymanski. Doch was den eigenen Computer angehe, müsse man schon achtsam sein. „Wenn der Computer ein Update eines Programms vorschlägt, sollte man das auf jeden Fall machen“, rät der Polizeibeamte. Denn dass das Programm ein Update fordert, hieße, dass es irgendwo eine Sicherheitslücke gebe, die ein Einfallstor für Kriminelle sein könne. „Es ist wie bei einem Haus. Da muss man ja auch mal von Zeit zu Zeit nach Fenstern und Türen sehen, ob noch alles sicher ist.“ Und eine Sache gilt immer: Jeder sollte seine Daten regelmäßig extern auf einer Festplatte sichern. Denn auch wenn keine Kriminellen am Werk sind, kann der Computer mal den Geist aufgeben.

Was die Entwicklung der Kriminalität im Internet angeht, konnten die Experten wenig Mut machen. Zwar werden viele Kriminelle gefasst, besonders solche, die Warenbetrug begehen. Aber man muss zwei Arten der Kriminalität unterscheiden: Die eine nimmt das Internet als Unterstützung der Straftat. Zum Beispiel beim genannten Warenbetrug. Der funktioniert theoretisch auch über Telefon. Die andere Art ist mit dem Internet entstanden, zum Beispiel Onlinebanking-Betrug oder die Fernsteuerung eines Rechners, um Unternehmen zu schaden.

Und die Möglichkeiten werden mehr. Denn das Internet entwickelt sich ständig weiter und eröffnet immer neue Schlupflöcher für Kriminelle. „Das Internet ist flüchtig, anonym und schnell“, sagt Verbraucherschützer Wilschke. Die Jagd nach den Tätern im virtuellen Raum ist entsprechend schwierig. „Solange die Fahndung im Internet so schwierig ist, wird die Kriminalität dort auch zunehmen“, sagt Justizsenator Heilmann. Außerdem sei die Resozialisierungsquote der Täter die geringste von allen Tätergruppen. „Sie denken nicht, sie hätten etwas Schlechtes getan, sondern überlegen, wo sie einen Fehler gemacht haben und wie sie den in Zukunft vermeiden könnten“, erzählt Heilmann.

Bewertungen prüfen

Es hilft nur, sich selbst zu schützen. Um Warenbetrug zu vermeiden, empfiehlt der Justizsenator, sich an den Bewertungen der Onlineverkäufer zu orientieren – nicht nur, ob sie positiv sind, sondern auch, in welchem Zeitraum sie entstanden sind. „Wurden die Bewertungen innerhalb weniger Tage erstellt, ist das verdächtig“, erklärt Heilmann. „Absolute Sicherheit wird es nicht geben“, ergänzt Szymanski, „aber das ist schon ziemlich sicher.“

Doch es gibt auch Bereiche, in denen kann der einzelne Netznutzer nichts ausrichten. Wenn er etwa seine Daten in die Hände anderer gibt, zum Beispiel in die der Berliner Verwaltung. Die meisten Computer der Verwaltung laufen mit dem Microsoft-Betriebssystem Windows XP. Doch zum 8. April beendet Microsoft seine Unterstützung für das bald 13 Jahre alte System. Dann wird es keine Sicherheitsupdates mehr geben, zumindest nicht kostenlos, und es entstehen Lücken, die Hacker nutzen können. Der Senat zahlt Microsoft nun Geld, um wenigstens die Unterstützung für einen Teil der Rechner zu verlängern.

Thomas Heilmann malt ein düsteres Szenario

Einem Besucher des Leserforums bereitet es Sorgen, dass die Verwaltung mit der Umstellung hinterher hinkt. „Wenn ich meine Daten an die Verwaltung gebe, will ich, dass damit auch sorgsam umgegangen wird.“ Thomas Heilmann kann zumindest für sein Haus beruhigen. „Wir haben ein großes Programm zur Modernisierung aufgelegt“, erklärt er und gibt zu, dass die Systeme, die er beim Amtsantritt in seiner Verwaltung vorgefunden hat, „letztes Jahrhundert“ seien. Auf die Frage, warum die Entwicklung so schleppend gehe obwohl seit langem bekannt sei, dass Microsoft den Support für XP einstellt, sagt Heilmann: „Als Verwaltung gehen wir natürlich weniger Risiken ein, als es ein Unternehmen in der freien Wirtschaft tut. Wir müssen für Sicherheit, Solidität und Zuverlässigkeit sorgen. Wir können nicht einfach mal ausprobieren, was wir für eine gute Idee halten.“

Auch im Fall eines Angriffs auf kritische Infrastruktur wäre der normale Internetnutzer machtlos. „Wenn man zum Beispiel Vattenfall in Berlin lahmlegt, und es in Berlin zwei Tage keinen Strom gibt, wenn die Notstromaggregate auch ausfallen, sterben Menschen“, malt Thomas Heilmann ein düsteres Szenario. Doch ist das aktuell realistisch? „Nicht mehr“, sagt Carsten Szymanski, „die Unternehmen sind heute gut geschützt.“ Trotzdem: „Der Schutz kritischer Infrastruktur ist bei der Polizei ganz oben auf der Liste.“ Denn niemand weiß, welche Möglichkeiten es in der Zukunft gibt.