Tausende Bewerber haben sich in Brandenburg nach dem Start einer überregionalen Werbekampagne gemeldet – darunter viele aus Berlin. Das Land will zum kommenden Schuljahr bis zu 1000 Lehrer einstellen.

Alexander Sontner bereut seine Entscheidung nicht. Die Arbeit an der Libertas-Grund- und Oberschule in Löwenberg (Oberhavel) mache ihm „viel Freude“. Nach dem Lehramtsstudium an der Humboldt-Universität und dem Referendariat an einer Grundschule in Berlin-Weißensee nahm der gebürtige Berliner vor drei Jahren in Brandenburg eine Stelle als Lehrer an. „Berlin suchte damals zwar auch Grundschullehrer, aber keine mit Geografie-Unterrichtsqualifikation“, sagt er.

In der Hauptstadt hätte ihn daher nur ein befristeter Vertrag als Aushilfslehrer erwartet, mit 14 Tagen Kündigungsfrist. In Brandenburg hingegen sicherte ihm das Schulamt in Perleberg (Prignitz) einen unbefristeten Vertrag zu. „Für mich als dreifachen Familienvater gab das den Ausschlag, nach Brandenburg zu gehen“, sagt Sontner. Ein zusätzlicher Anreiz: Im Gegensatz zu Berlin verbeamtet Brandenburg seine Lehrer. Zunächst pendelte der 38-Jährige. Inzwischen wohnt die Familie in Hohen Neuendorf.

Wie Alexander Sontner entscheiden sich immer wieder Lehrer, von der Hauptstadt Berlin ins Umland zu wechseln. Das Interesse ist sogar erstaunlich groß: Auf eine vom Land gestartete Werbekampagne haben sich inzwischen mehr als 5000 Bewerber aus ganz Deutschland gemeldet. „Wir sind überrascht von dem Ansturm“, sagte Bildungsministerin Martina Münch (SPD) der Berliner Morgenpost.

20 Millionen Euro für zusätzliches Lehrpersonal

Das Land will zum kommenden Schuljahr 2014/15 etwa 900 bis 1000 Lehrer einstellen – doppelt so viele wie im Vorjahr – und so viele wie noch nie auf einmal in der Geschichte Brandenburgs. Mehr als die Hälfte ersetzen Kollegen, die in den Ruhestand gehen. Doch sind 20 Millionen Euro für zusätzliches Personal eingeplant. „Mit etwa 400 Einstellungen entlasten wir die Lehrkräfte an Grund- und Oberschulen um eine Unterrichtsstunde pro Woche“, sagt Bildungsministerin Münch.

Das Ministerium hat in den vergangenen Wochen in mehreren überregionalen Zeitungen Werbeanzeigen geschaltet: „Wir brauchen Sie: Junge Lehrerinnen und Lehrer, die mit Ideen, Engagement und Leidenschaft Schülerinnen und Schüler unterrichten.“ Das Land konkurriert damit auf dem bundesdeutschen Markt mit Berlin und den anderen ostdeutschen Ländern. Auch sie suchen derzeit dringend nach Lehrern. Brandenburg wirbt in den Inseraten mit „attraktiven Arbeitsbedingungen“. Es würden alle Lehrkräfte, die dies wünschen und die Voraussetzungen erfüllen, verbeamtet. Lehrer an Grund- und Oberschulen profitierten zudem von einer Absenkung der Unterrichtsverpflichtung.

Willkommen seien vor allem Lehrkräfte mit Zweiter Staatsprüfung und einer entsprechenden Lehramtsbefähigung für Grundschulen und für Oberschulen, vor allem für Deutsch, Mathematik, Kunst, Musik, Englisch, Sport und Sachkunde, sowie Lehrkräfte für Sonderpädagogik. „Mitte Februar wurden bereits 200 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt“, sagt der Sprecher des Bildungsministeriums, Stephan Breiding. Weitere 130 Lehrer haben zum 1. August 2014 eine Zusage. „Mehr als ein Drittel des Bedarfs ist für das kommende Schuljahr gedeckt“, so Breiding.

Zu viele Referendare in Gymnasien

Die Opposition im Landtag wirft dem Ministerium seit Jahren vor, auf den drohenden Lehrermangel nicht vorbereitet zu sein. Dem widerspricht Breiding. „Brandenburg hat die Ausbildungsplätze für die Referendare in den vergangenen Jahren deutlich von 40 im Jahr 2005 auf 900 im Jahr 2012 ausgebaut.“

Alle 103 Lehramtskandidaten für Grund- und Oberschulen sowie Sonderpädagogen, die ihren Vorbereitungsdienst in Brandenburg beenden, erhalten laut Breiding ein Stellenangebot. Auch die Gymnasialreferendare. Da es aber im kommenden Schuljahr nur wenig Bedarf an Gymnasien gebe, biete das Land für sie vor allem Stellen an Oberschulen an. Diese seien aber niedriger dotiert.

Brandenburg hat nicht nur Inserate geschaltet. „Wir haben auch Kontakt mit den Bundesländern aufgenommen, die derzeit einen Überhang an Nachwuchslehrern haben“, so Breiding, „Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.“ Auf den Seiten des bayerischen und nordrhein-westfälischen Kultusministeriums gebe es Links zu den brandenburgischen Internetseiten. Nach Ostern will Brandenburg in diesen Ländern Informationstage veranstalten.

Bezahlung ist in Brandenburg schlechter

In Berlin wird Brandenburg nicht offensiv werben. Denn die Hauptstadt sucht selbst nach etwa 2200 Lehrern. „Wir haben keine große Kampagne gestartet“, sagt die Sprecherin der Bildungsverwaltung in Berlin, Beate Stoffers. Man habe aber Seminare in allen Bundesländern angeschrieben, die über den Bedarf hinaus ausbilden. Bislang lägen 4540 Bewerbungen vor, 2540 davon von Quereinsteigern. Am 10. Mai plane Berlin einen Aktionstag zur Lehrersuche.

Die Lehrergewerkschaft GEW in Brandenburg warnt allerdings, dass Brandenburg auch mit einer Abwanderung nach Berlin rechnen muss. „Die Arbeitsbedingungen sind längst nicht so gut wie das Land glauben machen will“, sagt GEW-Landeschef Günther Fuchs. Die Erfahrung zeige: Viele Lehrer ließen sich in Brandenburg zunächst verbeamten und wechselten dann nach fünf Jahren mit diesem Status nach Berlin.

„Bei der Arbeitsbelastung liegen Brandenburger Lehrer mittlerweile im Bundestrend“, sagt Fuchs. Und die Lehrer hätten zu wenig Aufstiegschancen. „Eine bei A 12 anfangs eingruppierte Grundschullehrkraft bleibt bei dieser Stufe“, sagt Fuchs. In Brandenburg werde ein Gymnasiallehrer nach A 13 bezahlt. In anderen Bundesländern könnten sie hingegen A 14 oder 15 erreichen.

„Wir dürfen uns da in Brandenburg nicht in die Tasche lügen“, so Fuchs. Viele Lehrer sind auch nicht bereit, fernab von Berlin zu arbeiten. Der Gewerkschaftschef schlägt daher ein Stipendiatenprogramm vor. „Das Land unterstützt die angehenden Lehrer bei der Ausbildung, damit sie nach dem Studium nach Brandenburg zurückkehren.“