Personalmangel

Bildungsnotstand – Berlin fehlen mehr als 100 Schulleiter

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Regina Köhler und Florentine Anders

Foto: Julian Stratenschulte / dpa

In Berlin hat etwa jede siebte Schule keine vollständige Schulleitung. Insgesamt sind rund 830 Funktionsstellen unbesetzt. Welche Bezirke und welchen Schultyp es besonders hart trifft.

An Berliner Schulen fehlen derzeit 126 Schulleiter oder stellvertretende Leiter und rund 700 Fachleiter. Das sind so viele unbesetzte Funktionsstellen wie noch nie in den vergangenen sechs Jahren. Etwa jede siebte Schule hat demnach keine vollständige Schulleitung. Allein an den Sekundarschulen fehlen 312 Fachleiter. An den Gymnasien sind 284 dieser Stellen nicht besetzt.

Besonders schwierig ist die Situation in den Bezirken Mitte, Tempelhof-Schöneberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau. Die Zahlen gehen aus der Antwort der Bildungsverwaltung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Stefanie Remlinger hervor.

Laut Bildungsverwaltung werden am Ende dieses Schuljahres aufgrund von Pensionierungen zudem weitere 86 Funktionsstellen frei. Im Laufe des Schuljahres 2014/15 werden noch einmal 134 Funktionsstellen frei werden, hat die Verwaltung berechnet. Für die Schulqualität ist es vor allem dann gefährlich, wenn die Schulleitung über einen längeren Zeitraum nicht besetzt ist. Das haben nicht zuletzt Brandbriefe der Rütli-Schule oder auch der Heinrich-Mann-Schule in Neukölln gezeigt. In beiden Fällen haben sich die Kollegien mit einem verzweifelten Brief an die Schulaufsicht gewandt, in dem das Klima an der Schule als gewaltbereit, respektlos und frustriert beschrieben wurde.

Vor allem Grundschulen betroffen

Die Zahlen der Bildungsverwaltung zeigen zudem, dass vor allem Grundschulen betroffen sind. 30 Schulleiterstellen von insgesamt 370 öffentlichen Grundschulen sind vakant. Zudem fehlen 48 stellvertretende Schulleiter. Gunilla Neukirchen, Vorsitzende der Berliner Schulleitervereinigung, spricht von einer Katastrophe. „Wenn Schulen eine längere Zeit ohne eine vollständige Schulleitung arbeiten müssen, dann hat das negative Auswirkungen auf die gesamte Schulentwicklung“, sagt sie.

Darunter würden sowohl die Kollegen als auch die Schüler leiden. Für Schulen, die ohnehin schon große Probleme hätten, wie etwa Brennpunktschulen, sei das verheerend. Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), betont indes, dass es in Berlin keine Schule ohne zumindest kommissarische Schulleitung gebe. Sie räumt allerdings auch ein, dass die Besetzungsverfahren lange dauern würden. Das sei problematisch und liege vor allem daran, dass bis zu einer Entscheidung jegliche eingegangene Bewerbung berücksichtigt werden müsse. Als positiv bewertete Stoffers hingegen die Tatsache, dass inzwischen fast alle freien Leitungsstellen auch ausgeschrieben sind. Das war in den vergangenen Jahren nicht der Fall.

Schnelle Besetzung gefordert

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Stefanie Remlinger, fordert die zuständige Bildungsverwaltung auf, die freien Leitungsstellen so schnell wie möglich zu besetzen. „Für die Qualität einer Schule ist es ungemein wichtig, dass das Leitungsteam komplett ist“, sagt sie. Insbesondere vor dem Hintergrund der vielen Neueinstellungen, die zum kommenden Schuljahr fällig würden, sowie der Einstellung vieler Quereinsteiger sei es wichtig, dass jede Schule einen Schulleiter und einen Konrektor habe. Mindestens 2400 neue Lehrer werden in Berlin zum neuen Schuljahr benötigt.

Kritisch sieht Remlinger, dass Berlin mit der Sekundarschulreform viele zusätzliche Fachleiterstellen geschaffen hat. „Wir geben dafür mehr Geld aus, als andere Bundesländer“, sagt sie. Wenn das aber schon so entschieden sei, dann müssten die Fachleiterstellen auch besetzt und stärker in das Leitungsteam der Schule einbezogen werden. „Das ist eine Chance für mehr Teamarbeit bei der Unterrichts- und Qualitätsentwicklung an den Schulen.“ Außerdem entlaste es die unmittelbare Schulleitung und diene der Entwicklung von Leitungsnachwuchs.

Die Sprecherin der Bildungssenatorin, Beate Stoffers, erklärt die Ursache für den enormen Einstellungsstau bei den Fachleitern mit der Tatsache, dass es an den ehemaligen Haupt- und Realschulen keine derartigen Stellen gegeben habe. Im Zuge der Reform wären für die Sekundarschulen nun erstmals solche Stellen geschaffen worden. Mit den Ausschreibungen dafür habe vor knapp zwei Jahren begonnen werden können. Bis all diese Stellen besetzt seien, würde es deshalb noch einige Zeit dauern.