Deutschlands zweitgrößte Airline ringt um ihre Zukunft. Die Bilanz-Pressekonferenz wurde zweimal verschoben. Eine Pleite würde nicht nur 9000 Jobs in der Region kosten.
Das Schicksal von Air Berlin hängt am seidenen Faden. Zwei Mal sagte Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft kurzfristig ihre Bilanz-Pressekonferenz ab. Jetzt wollen die Airliner die Zahlen für 2013 spätestens Ende April vorstellen.
Bis dahin muss ein Zukunftskonzept für die hoch verschuldete und weiterhin defizitäre Airline stehen. „Die Air Berlin arbeitet weiter an Maßnahmen für eine Rekapitalisierung, die Eigenkapital und Liquidität der Air Berlin Gruppe stärken würde“, lautet die dürre Stellungnahme aus der Unternehmenszentrale am Saatwinkler Damm. Das Unternehmen setze die Gespräche dazu mit seinen Gesellschaftern und weiteren Parteien fort.
In Berlin und Brandenburg schaut man mit Sorge auf das, was Air Berlin-Chef Wolfgang Prock-Schauer zu bereden hat mit den Chefs seines größten Anteilseigners, der Etihad Airways aus dem Golf-Emirat Abu Dhabi. Denn Air Berlin ist der mit Abstand wichtigste Kunde der Berliner Flughäfen. Jeder dritte der 26 Millionen Berliner Passagiere flog mit einem Jet mit der roten Heckflosse.
Eine Pleite von Air Berlin würde nicht nur 9000 Jobs kosten, davon viele in der Region, sondern den Umsatz der finanziell unter Druck stehenden Flughafengesellschaft empfindlich schrumpfen lassen. Der BER, vor allem für die Bedürfnisse des Platzhirsches als Drehkreuz konzipiert, könnte einen Wegfall der Air-Berlin-Verbindungen kaum verkraften, ein wirtschaftlicher Betrieb rückte in weite Ferne.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) äußerte sich besorgt. „Wir verfolgen die Entwicklung bei der Fluggesellschaft Air Berlin mit großer Aufmerksamkeit“, sagte er der Berliner Morgenpost. Die Airline sei für den Standort Berlin eine sehr wichtige Gesellschaft. Er erwarte möglichst schnell Klarheit, wie es mit der Fluggesellschaft weitergeht.
Mit Expansionsstrategie verhoben
Offiziell dringt nichts nach außen. Einige Spekulationen haben sich zuletzt verdichtet. Etihad könnte seine Anteile von bisher knapp 30 auf knapp 50 Prozent aufstocken. Zudem werde über eine Verschmelzung mit Alitalia nachgedacht, die die Araber ebenfalls ihrem wachsenden Imperium einverleiben wollen.
Sollte dieser Plan aufgehen, sehen Luftfahrtexperten für Berlin eher positive Folgen. „Wenn Etihad sich mehr engagiert, ist das weder für Berlin schlecht noch für den BER“, sagte ein Berliner Fachmann. Dass die Etihad-Eigentümer Air Berlin fallen lassen, wird eher nicht angenommen. Zwar sind die Berliner mit 800 Millionen Euro verschuldet, für das abgelaufene Jahr gehen Beobachter erneut von einem Verlust von deutlich mehr als 150 Millionen Euro aus. Dennoch mache es für die Araber wenig Sinn, ihre bisher schon in die deutsche Nummer zwei investierten Millionen wegzuwerfen und Air Berlin pleite gehen zu lassen.
Denn Air Berlin hatte sich zwar unter dem Gründer und Ex-Chef Joachim Hunold mit seiner rasanten Expansionsstrategie verhoben und hat immer noch nicht so richtig festgelegt, ob man nun Billigcarrier, Mallorca-Shuttle, City-Airline oder Langstreckengesellschaft sein will. Aber die Berliner haben etwas, was arabische Fluggesellschaften dringend suchen: nämlich Verkehrsrechte und Slots an europäischen und amerikanischen Flughäfen.
Arabische Konkurrenz braucht nationale Carrier
Selbst an gefragte Orte im Westen zu fliegen, wird den schnell wachsenden arabischen Konkurrenten meist auf politischen Druck der Etablierten wie der Lufthansa verweigert. So bleibt den Arabern nur der Weg, sich mit existierenden Fluglinien zusammenzuschließen. Sie einfach zu schlucken, geht auch nicht. Dann würden die begehrten Landerechte verloren gehen. „Sie brauchen Carrier mit der jeweiligen Nationalflagge auf dem Flügel“, so ein Experte.
Die Netze von Etihad und Air Berlin und gegebenenfalls auch Alitalia sind nach Einschätzung eines Luftfahrtexperten durchaus kompatibel. Nur in Richtung Asien werde die Expansion von Air Berlin ausgebremst, weil Etihad selbst ein Interesse habe, Langstreckenpassagiere über sein eigenes Drehkreuz in Abu Dhabi nach Fernost zu fliegen. Aber als Passagiersammelstelle für Verbindungen nach Europa und Nordamerika könnte Air Berlin gut ins Konzept passen.
Tegel war nie für Umsteigeverkehr gedacht
Und wenn die Araber mit ihren neuen Alliierten tatsächlich die Lufthansa attackieren, sei das zwar schlecht für die ehemalige Staatsairline und ihre Drehkreuze Frankfurt am Main und München. Aber für Berlin könnte sich ein solcher Kurs durchaus positiv auswirken. Deshalb hört man in Berlin auch kaum böse Worte über Etihad. „Air Berlin ist ein extrem wichtiger Baustein für den Erfolg Berlins“, sagte der oberste Tourismuswerber der Stadt, Burkhard Kieker, „ich möchte, dass dieser Baustein stabil bleibt. Egal wie.“
Jede mögliche Expansionsstrategie von Air Berlin und ihren Gesellschaftern hängt jedoch am BER. Tegel war nie für Umsteigeverkehr gedacht, entsprechend schwierig ist es für Air Berlin, Passagiere und Gepäck schnell genug von einem Flieger in den nächsten zu schaffen. Der Schaden, den die Fluglinie durch die Verzögerung des Starts ihres Drehkreuzes erleidet, dürfte weit größer sein als die 48 Millionen Euro, die Air Berlin gegen die Flughafengesellschaft geltend macht. Der Prozess wird am 4. Juni fortgesetzt. Es laufen aber auch Gespräche über eine außergerichtliche Einigung.