Bezirksbürgermeisterin Herrmann bezieht Stellung zu den Verhandlungen um die Zukunft der Flüchtlinge am Oranienplatz – und warnt: Werden Verhandlungsangebote nicht akzeptiert, wird der Platz geräumt.
Obwohl die Verhandlungen von Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) über die Zukunft der Flüchtlinge auf dem Oranienplatz immer noch laufen, kommt jetzt eine Warnung aus eher unerwarteter Richtung. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne), die bislang das Camp auf dem Oranienplatz geduldet hat, sagte gegenüber dieser Zeitung, dass es für die Flüchtlinge und Unterstützer schwierig werde, wenn sie alles ablehnten, was der Senat vorschlage.
Sie verwies darauf, dass das auch das Ende der Geduld bedeuten könnte. „Ich habe den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit so verstanden, dass er dann auch eine Räumung des Oranienplatzes mit Hilfe der Polizei nicht ausschließt.“
Monika Herrmann hat bereits betont, dass sie gegen die Hütten auf dem Oranienplatz nichts unternehmen wolle, weil sie keine Nebenverhandlungen führen könne. Über den Stand der Verhandlungen von Dilek Kolat mit den Flüchtlingen ist bislang nichts bekannt. „Ich gehe aber davon aus, dass Frau Kolat innerhalb der nächsten zwei Wochen gute Ergebnisse präsentieren wird“, sagt Monika Herrmann. Auch Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) äußerte diese Hoffnung.
Verhandlungen dauern mittlerweile sieben Wochen
Dass muss Kolat auch. Denn zum 31. März läuft das Kältehilfeprogramm aus. Flüchtlinge, die zwischenzeitlich in anderen Einrichtungen, zum Beispiel in Reinickendorf und Marienfelde, untergekommen sind, müssen die Gebäude dann wieder verlassen. Sie werden bereits von den Flüchtlingen auf dem Oranienplatz erwartet.
Aus den provisorischen Behausungen in Zelten ist mittlerweile ein Dorf mit etwa 40 Hütten geworden. Mehr als 70 Flüchtlinge leben derzeit in dem Camp. Die Zahl könnte sich wieder auf 200 erhöhen, wenn die anderen ihre Notunterkünfte verlassen haben.
Seit sieben Wochen verhandelt Dilek Kolat mit den Flüchtlingen. In der Zwischenzeit hat sich die Situation auf dem Oranienplatz zugespitzt. Voraussetzung für die Verhandlungen sollte der Abbau der Zelte sein. Mittlerweile sind daraus Holzhäuser geworden. Experten warnen vor einer Brandgefahr und sprechen von unhygienischen Zuständen.
Gravierende Hygienemängel am Oranienplatz und an besetzter Schule
Diese werden nicht nur auf dem Oranienplatz sondern auch in der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg kritisiert. Dort leben derzeit etwa 220 Flüchtlinge. Im Februar waren Vertreter der Senatsgesundheitsverwaltung und des Bezirks in der Schule, um sich die Lebensumstände vor Ort anzuschauen. Dabei herausgekommen ist ein siebenseitiger Bericht über gravierende Hygienemängel.
„Die Situation ist für mitteleuropäische Verhältnisse eine Katastrophe“, sagt Sascha Langenbach, Sprecher des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg, der in allen Angelegenheiten der Gerhart-Hauptmann-Schule Bezirksbaustadtrat Hans Panhoff (Grüne) vertritt. Die Schule sei aber auch nicht dafür gedacht, Menschen zu beherbergen. Es gehe daher nicht um eine Flüchtlingsunterkunft sondern um „ein im bezirklichen Eigentum befindliches Objekt“. In der Schule würden die Menschen im Rahmen der Kältehilfe seit Herbst 2012 geduldet. Allerdings gibt es dafür keine zeitliche Begrenzung, wie in den anderen Unterkünften.
Die Liste der Hygienemängel ist lang: Keine Duschen, unzureichende Toilettenartikel, zu wenig Platz für zu viele Menschen, Matratzenlager auf dem Boden, zugestellte Flure. Am Ende des Rundgangs, bei dem auch der Amtsarzt dabei war, hat die Senatsverwaltung dem Bezirk einen Forderungskatalog mit fünf Punkten übergeben. Der Bezirk sollte für eine Eingangskontrolle sorgen, die Qualität des Trinkwassers überprüfen, die Fluchtwege räumen lassen, den Brandschutz gewährleisten und Waschmaschinen aufstellen.
„Diese fünf Punkte sind weitestgehend abgearbeitet“, sagt Sascha Langenbach. Inzwischen stehe ein Sicherheitsfirma vor der Tür, Fahrräder und Sofas seien aus den Fluren verschwunden, die Verhandlungen mit einem Waschsalon um die Ecke liefen. Natürlich wäre auch eine Gemeinschaftsküche gut und der Einbau von Duschen eine Verbesserung. „Aber dafür fehlen die Ressourcen“, sagt Langenbach. Angesichts der Zustände müsste der Senat eigentlich eine Alternative in landeseigenen Flüchtlingsunterkünften anbieten.
CDU-Fraktion fordert Zwangsräumung
Das sieht die Senatsverwaltung für Gesundheit anders. „Wir bringen nur Flüchtlinge unter, die in Berlin ein geregeltes Asylverfahren durchlaufen“, sagt Sprecherin Constance Frey. Ob Personen in der Schule leben, die diese Bedingungen erfüllten, wüssten sie nicht. Sie spielt darauf an, dass sich auch Flüchtlinge aus Lampedusa und anderen Bundesländern in der Schule aufhalten.
Für die CDU-Fraktion in der Bezirksverordneten-Versammlung Friedrichshain-Kreuzberg gibt es nur eine Lösung des Problems. „Räumung der Schule“, sagt Timur Husein, Vize--Fraktionsvorsitzender. Dafür gebe es genug Gründe, nicht nur die mangelnde Hygiene sondern auch die verschiedenen Fälle von Körperverletzung in der Vergangenheit. Zudem seien unter den Flüchtlingen in der Schule auch 50 Sinti und Roma. „Das sind EU-Bürger und als solche können sie sich eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt suchen“, sagt Husein.
Um die Situation vor Ort auf dem Kreuzberger Oranienplatz zu entspannen, hat der Paritätische Wohlfahrtsverband jetzt die Anschaffungskosten von 3400 Euro für neue Toiletten übernommen. „Wir springen für den Staat ein, damit hygienische Mindeststandards auf dem Platz gesichert sind“, sagt die Vorsitzende des Landesverbandes, Barbara John. Die Anlage wurde am Dienstag in Betrieb genommen und an die Kanalisation angeschlossen.