Die Idee existiert schon lange. Sie kam den Brüdern Tim und Jan Edler erstmals 1998. Damals, als die beiden Architekten noch ihr Atelier am Monbijoupark hatten und die Spree direkt vor dem Fenster vorbeifloss. Da dachten sie, den Fluss muss man doch für die Stadt nutzbar machen. Die Idee zum Flussbad reifte in den folgenden Jahren heran, bis das Projekt 2011 zu einiger Bekanntheit gelangte. Da gewann es den ersten Preis der Europaausscheidung des Holcim Awards, einem Preis für nachhaltige Stadtplanung. Ein Jahr später dann, bei der weltweiten Ausscheidung, noch einmal Bronze. Doch nicht nur diese materielle Anerkennung – insgesamt 150.000 Dollar Preisgeld flossen in das Projekt – trug zur erhöhten öffentlichen Aufmerksamkeit bei. „In diesen 13, 14 Jahren zwischen erster Idee und Preis fand in Berlin eine subtile Perspektivveränderung statt“, berichtet Tim Edler. „Die Themen, die unser Projekt berührt - Nachhaltigkeit, Ökologie, Teilhabe am öffentlichen Raum -, die haben an Wichtigkeit gewonnen im öffentlichen Diskurs. Wir wurden ganz neu angeschaut von außen.“
Schwimmbereich zwischen Schlossplatz und Bodemuseum
Die Pläne und Beschreibungen des Projekts erscheinen sehr plausibel, nicht nur dem Laien. Davon zeugt die Liste der Förderer und Unterstützer, neben Architekten sind da Forscher und Elektroinstallateure, Biologen und Anwälte vertreten. Die Entwürfe sehen vor, den etwa eineinhalb Kilometer langen Spreekanal in drei Abschnitte zu teilen. Denkt man in Fließrichtung, von Südost nach Nordwest also, so befindet sich der geplante Schwimmbereich am Ende, zwischen Schlossplatz und Bodemuseum. Am Ostufer sollen ins Wasser führende Freitreppen entstehen, auf der gegenüberliegenden Seite eine Steganlage. Davor, von der Gertrauden- bis zur Schleusenbrücke, ein Filterbereich. Den Oberlauf des Kanals schließlich plant der Verein im Stil der Alt-Berliner Sumpflandschaft zu renaturieren und in eine große Parklandschaft zu verwandeln, ein „Biotop mit Lebensräumen für gefährdete Tiere und Pflanzen als wesentliche Stütze der ökologischen Funktionsfähigkeit der Spree“.
Vor allem soll das Vorhaben die Wasserqualität der Spree nachhaltig verbessern. Denn nicht zuletzt diese hält den Berliner, so er nicht in Sommernächten alkoholbedingte Mutproben zu erfüllen hat, von einem Sprung ins trübe Nass ab. Daran ist auch die Berliner Mischwasserkanalisation schuld. Immer, wenn es stark regnet und die Wassermassen das Fassungsvermögen der Kanalisation überlasten, gelangt übergelaufenes Abwasser ungefiltert in die Spree. Um dem entgegenzuwirken, sehen die Pläne des Vereins einen Bypass-Kanal im Schwimmbeckenbereich vor, eine Art Rückhaltesystem.
Dabei sind die Vereinsmitglieder nicht die ersten, die sich des Dreckwasserproblems der Spree annehmen. Vor kurzem erst entwickelte ein Jungforscher an der TU für seine Doktorarbeit schwimmende Inseln, mit Schilf und anderem Grün bepflanzt, die als natürliche Kläranlagen Sauerstoff an das Wasser abgeben und so die Spree mit reinigenden Organismen beleben könnten.
Berliner Abwasserproblem ist ein „Skandal“
Ein Rückhaltesystem wurde auch von Diplomingenieur Ralf Steeg erdacht, seit Herbst 2012 schwimmen seine Auffangcontainer für das dreckige Abwasser im Friedrichshainer Osthafen, als Pilotprojekt im Rahmen von „Spree 2011“. Interesse zur Kooperation gibt es, zumindest von der „Flussbad“-Seite. „Das muss man eigentlich zusammendenken mit uns“, so Tim Edler. „Steeg arbeitet am Abwasserproblem, und wir geben dem ein Ziel. Wir wollen den Fluss benutzbar machen.“ Als Skandal tituliert Edler das Berliner Abwasserproblem. „Die Spree kommt relativ sauber nach Berlin, im Müggelsee kann man noch schwimmen. Danach nicht mehr. Berlin kümmert sich wirklich nachlässig um seinen Fluss.“ Die Berliner Wasserbetriebe, die das Abwassersystem im Auftrag des Landes betreiben, waren bisher nur insofern involviert, als sie dem Projekt für den Förderungsantrag bei der Klassenlotterie kraft ihrer fachlichen Kompetenz Plausibilität bestätigten.
Für appetitliches Wasser im Schwimmbecken soll auch der vorgeschaltete Filterbereich sorgen, nach einem der Natur abgeschauten Prinzip. Schilf und andere Wasserpflanzen filtern das Wasser ebenso wie eine sandige Kiesschicht am Kanalgrund auf 300 Meter Länge. Durch den jetzt schon bestehenden natürlichen Höhenunterschied von etwa eineinhalb Metern auf Höhe der Schleusenbrücke wird das Wasser auf natürliche Weise durch die Filterschicht gepresst, in am Grund verlaufende Drainagerohre, die es dann ins Schwimmbecken leiten. Gut durchdacht scheint das Projekt zu sein. Das muss es auch, denn an einem Fluss zu arbeiten ist komplex, sagt Tim Edler. „Wir müssen ja bis Köpenick denken, ob dort dann bei Hochwasser die Wasserstände Probleme machen.“
Auf dem Kanal fahren seit 100 Jahren keine Schiffe mehr
Charlotte Hopf, Dombaumeisterin am Berliner Dom, ist eines der Gründungsmitglieder und im Vereinsvorstand. 2011, als sie gerade eine Ausstellung in der Bauakademie zu historischen Bädern mitorganisierte, hatte sie erstmals von dem Projekt gehört. Und war sofort begeistert. „Ich hab hier in meinem Turmbüro aus dem Fenster geguckt und gedacht, das wär doch nett, hab die Herren Edler angerufen und gesagt, das machen wir“, lacht die Architektin. „Man kann einfach schwer dagegen sein. Die Frage der Wasserqualität stellt sich irgendwann ja von alleine.“
Problematisch sind allerdings die Eigentumsverhältnisse. Generell gehören Flüsse, so auch die Spree, dem Bund. Für ein solches Projekt müsste aber das Land Berlin als Träger fungieren. Der Spreekanal ist als Wasserstraße registriert und das Baden darin deshalb verboten. Allerdings fahren auf dem Kanal seit über 100 Jahren keine Schiffe mehr. Als Ende des 19. Jahrhunderts die Mühlen an der Spree, beispielsweise am Mühlendamm, durch die fortschreitende Industrialisierung obsolet wurden, mussten die Schiffe nicht länger auf den unbequemeren Seitenarm ausweichen, sondern konnten die breitere Hauptspree passieren. Auch deshalb kann man das Schwimmen im Spreekanal nicht als Neunutzung bezeichnen, im Gegenteil, es wäre historisch. Denn nachdem der Kanal für die Schifffahrt verzichtbar wurde, entstand beispielsweise an der Jungfernbrücke eine Badeanstalt.
„Wir sind ein kleiner Verein mit Fördermitgliedern und Spendern“, meint Ulrike Rose. „Aber wir wollen ein großer Verein werden, der sich auch langfristig um das Projekt kümmern kann.“ Problematisch dürfte das nicht werden, die Resonanz ist bisher durchweg positiv. Ein klarer Vorteil ist, dass sie nichts bauen wollen, weiß auch Tim Edler. „Da gibt es kein Kampfobjekt. Wir behandeln lediglich eine funktionale Brachfläche.“ Auf politischer Ebene gebe es eine heftige Diskussion, was aus der Stadtmitte werden soll. Die Gestaltung des Zentrums sei stark vergangenheitsbezogen, so Edler, aber sie sollte auch als Plattform für gesellschaftliche Selbstdarstellung dienen. Und eine beschwimmbare Spree passe bestens zu einer so weltoffenen Stadt, deren Einwohner dann endlich wieder einen Grund hätten, ins Zentrum zu fahren, das bisher von Verwaltung und Tourismus dominiert werde. Ulrike Rose glaubt, in Berlin auch weiterhin auf wenig Widerstand zu stoßen. „In Hamburg, wo die Schifffahrt ein wirtschaftlich viel wichtigerer Faktor ist, wäre so ein Vorhaben politisch schwieriger durchsetzbar“, so Rose.
Auch die Anzahl der Leidtragenden ist gering. Einige Boote werden sich andere Parkflächen suchen müssen. Bisher parken sie unterhalb des Freiheits- und Einheitsdenkmals, dort sollen nach den Flussbad-Plänen dann Umkleidekabinen und Toiletten entstehen.
Verschiedene Konzepte zur Lösung des Abwasserproblems
Ein unabsehbarer Faktor sind die Kosten. Kürzlich hat der Verein einen Antrag auf Förderung bei der Stiftung Deutsche Klassenlotterie gestellt, um das Projekt weiter vorantreiben zu können und hofft auf ein positives Ergebnis Ende Februar, dann sollen gemeinsam mit Ingenieurbüros die genauen Kosten des Projekts ermittelt werden. Vorab sind diese nicht einzuschätzen. Die entscheidenden Behörden hat der Verein zumindest als Sympathisanten ins Boot geholt. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller (SPD), fänden die Idee toll, berichtet Ulrike Rose begeistert. „Das ist sicherlich ein sehr interessantes Projekt, dass die Berliner Innenstadt um ein weiteres Highlight bereichert“, so die Sprecherin der Senatsverwaltung, Petra Roland. Allerdings sehe man ohne ein Finanzierungskonzept keine Umsetzungsmöglichkeit von heute auf morgen. Natürlich habe die Stadt Interesse an einer Verbesserung der Wasserqualität. Momentan würden verschiedene Lösungskonzepte für das Abwasserproblem untersucht. Das Flussbad spiele zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Rolle in der Planung, aber: „Das Ziel ist dasselbe“, so die Sprecherin.
Tim Edler glaubt, ähnlich wie beim Schloss müsse auch hier die Initiative aus der Bevölkerung kommen. Das Projekt sei einfach zu groß, um eine witzige Idee von ein paar Architekten zu sein.
Mit einer Mischung aus Städtebauförderung vom Bund, EU-Mitteln, anderen Fördermitteln und eventuell Crowdfunding sollte es machbar sein, da ist der Architekt zuversichtlich. „Bisher fließt der Unterhalt des Bundes doch in ein rein dekoratives Element.“