Auf wachsende Konkurrenz reagiert der Taxi-Verband mit einem „Premium Service“. 60 Fahrer sind bereits geschult, doch der Otto-Normal-Berliner wird davon erst mal nichts bemerken.
Ein freundlicher Fahrer, der dem Fahrgast die Tür aufhält, der fragt, ob er die Heizung wärmer stellen soll oder die Musik leiser und am Ende eine Zahlung mit der EC-Karte akzeptiert: So soll Taxifahren in Berlin künftig aussehen.
Damit das klappt, wollen die Berliner Taxi-Unternehmen möglichst viele Fahrer zu Premium-Fahrern ausbilden. Sie dürfen dann das Logo „VIP Quality Taxi Service“ oben an die Windschutzscheibe kleben, um den Fahrgast wissen zu lassen, dass er es mit einem besonders höflichen Fahrer zu tun hat. Wer sein Taxi telefonisch ruft, kann gleich bei der Bestellung angeben, dass er ein VIP-Taxi möchte – übrigens ohne Aufpreis.
Zunächst für Gewerbekunden
Die ersten 60 Taxifahrer sind bereits geschult, der Normal-Berliner hat davon allerdings noch nichts: Vom 10. Februar an bieten die Taxi-Unternehmen den Service erst einmal nur für registrierte Gewerbekunden wie zum Beispiel Hotels an. „Anders geht es nicht“, sagt Hermann Waldner, der mit seiner Firma Taxi Funk Berlin Fahraufträge vermittelt. Es gebe noch nicht genügend geschulte Fahrer, um den Service für alle anzubieten. Andererseits wollen die Taxi-Unternehmer die schon geschulten Fahrer auch nicht zu lange warten lassen, bis sie ihr Höflichkeits-Siegel anbringen dürfen. Erst wenn es genügend Fahrer mit Qualitäts-Zertifikat gibt, können alle Berliner ein solches Taxi bestellen.
Hermann Waldner hat das Konzept für das Siegel entwickelt, und zwar nicht, weil es zu viele Beschwerden gegeben habe, wie er betont: „Ein paar hundert Beschwerden pro Jahr gehen bei uns ein, bei acht Millionen Fahraufträgen – die sind nicht der Anlass.“ Vielmehr wolle man die „gefühlte Qualität“ anpassen. Ein bisschen deutlicher wird Detlev Freutel, Vorsitzender der Taxiverbandes Berlin-Brandenburg: „Die Mobilität verändert sich, der Kundenanspruch verändert sich, es gibt neue Mobilitätsangebote, der Konkurrenzdruck wächst.“ So machen den Taxi-Unternehmen etwa die Zusammenarbeit der BVG und der Deutschen Bahn mit Carsharing-Firmen zu schaffen. Außerdem gibt es in Berlin inzwischen viele Chauffeur-Service-Anbieter, die nicht nur über saubere und moderne Fahrzeuge verfügen, sondern nicht selten auch preisgünstiger sind.
Das Taxi-Gewerbe habe diese Entwicklung „etwas verschlafen“, sagt Freutel. „Wir müssen reagieren. Unser Ziel ist, die Taxe bereitzustellen, die der Kunde erwartet. Im besten Fall soll er besser gelaunt aussteigen als er eingestiegen ist.“ Zwei Tage müssen die Taxifahrer zur Schulung, um sich zum VIP-Fahrer fortzubilden. Jeweils vier Stunden werden sie in den Themenbereichen Fahrverhalten, Rechtslage und Dienstleistung geschult. Am Ende steht eine Prüfung: Zehn Fragen müssen die Teilnehmer beantworten, bevor sie ihr Zertifikat bekommen. Immerhin jeder Fünfte ist dabei in den ersten Kursen durchgefallen. Der Kurs kostet 40 Euro, hinzu kommt der Verdienstausfall für die meist selbstständigen Fahrer.
„Nicht so scharf bremsen“
„Dass wir trotzdem so eine hohe Nachfrage haben, ist ein gutes Zeichen“, sagt Verbandschef Freutel. „Viele Taxifahrer wünschen sich, dass der Kunde ‚gute Fahrer‘ erkennen kann.“ Sie ärgerten sich über „schwarze Schafe“, die mit Unhöflichkeit, Rücksichtslosigkeit oder sogar Abzocke für schlechte Stimmung bei den Fahrgästen sorgten. Erst im Januar stand ein Taxifahrer vor Gericht, der Touristen, aber auch Berlinern drastisch überhöhte Summen abgenommen hatte.
Der Taxiverband Berlin-Brandenburg, die Taxi-Innung, der Landesverband von Taxi Deutschland und der Taxi-Funk Berlin, die sich für die Qualitätsoffensive zusammengeschlossen haben, arbeiten an einem „Kontroll-Management“, um zu prüfen, ob die Fahrer das Weiterbildungswissen auch anwenden: Es wird Kontrollen geben, kündigt Freutel an: „Fahrtablehnung ist ein No-Go. Bargeldlose Zahlung annehmen ist Pflicht. Und zum Beispiel im Hotel an der Rezeption Wind machen, wenn etwas schiefgelaufen ist, geht auch nicht. Dann wird das Siegel für ein Jahr entzogen.“
Einer der Taxifahrer, die für gute Laune sorgen sollen, ist Metin Saltik. Der 29-Jährige hat den ersten der beiden Schulungstage schon absolviert. „Ich dachte, ich passe gut dazu“, sagt er, „ich bin sowieso immer höflich.“ Jetzt hat er vier Stunden lang gelernt, wie er dem Kunden gegenübertritt: „Zum Beispiel, dass man sich umdreht und ‚Guten Tag‘ sagt, wenn der Kunde einsteigt.“ Über den Fahrstil hätten sie auch gesprochen, „dass man nicht so scharf bremst“ etwa, und darüber, wie man mit schlecht gelaunten Kunden umgeht oder mit denen, die unter Zeitdruck zum Flughafen müssen: „Einfach ruhig bleiben“, etwas anderes bringe sowieso nichts.
Die Qualität der Taxifahrt liege zu 90 Prozent am Fahrer, sagt Freutel. Der aber müsse bisher nur drei Voraussetzungen erfüllen, um in Berlin als Taxifahrer arbeiten zu dürfen: „Er muss gesund sein, einen Führerschein haben und eine Ortskenntnisprüfung bestehen.“ Möglichst viele sollen deshalb die Weiterbildung besuchen. Langfristig soll es nicht bei den 600 bis 800 VIP-Fahrern bleiben, die bis zum Sommer ausgebildet werden. Bei einigen der 18.000 Fahrer mit Taxischein in Berlin würde eine Schulung wohl ohnehin nichts bringen, meint Freutel. Für die übrigen aber hat er ein klares Ziel aufgestellt: „Wir müssen weg von dem Satz: ‚Ich seh den Fahrgast doch sowieso nie wieder.‘“
Das erlebten Morgenpost-Redakteure bei Taxifahrten
Mit Ansage in die Rushhour Die Strecke von der Baerwaldstraße Ecke Gneisenaustraße bis zur Zimmerstraße in Kreuzberg fahre ich oft. Auf dem kürzesten Weg, welchen ich kenne, kostet sie meist 6,80 Euro. Denn über den Mehringdamm zu fahren ist ein Umweg, genauso wie durch die Zossener Straße. Zu Beginn der Fahrt sage ich meist: „Bitte fahren Sie durch die Baerwaldstraße und durch die Blücherstraße.“ Und selten klappt das ohne Widerspruch. Vor ein paar Wochen wollte sich eine Taxifahrerin gar nicht überzeugen lassen. Es war etwa 9 Uhr, sie favorisierte den Mehringdamm. Nach einigem Hin und Her lenkte ich ein: „Also gut, wenn Sie unbedingt wollen...“ Sie wollte, und wir blieben an der Ampel Mehringdamm – Rushhour – schön lange stehen. Sie meckerte: „Ich fahre schon 20 Jahre Taxi, so ein Stau war hier noch nie.“ Dann überfuhr sie beinahe noch einen Radfahrer, der Grün hatte, und schimpfte: „Es gibt solche Tage, die fangen einfach schlecht an.“ Tja, ich war ihr schlechter Start, sie meiner, der auch noch 8,20 Euro kostete. Diana Zinkler
Er kennt sich nur in Steglitz richtig aus Landung am Sonntagmorgen um 7.15 Uhr in Tegel. Mit dem großen Koffer geht es zum Taxistand, Terminal C. „Nach Prenzlauer Berg, Helmholtzplatz, bitte“, sage ich. „Wo liegt der Helmholtzplatz? Den kenne ich nicht. Da müssen Sie mich lotsen“, antwortet der Fahrer deutscher Herkunft – ohne zu zögern. Ich habe keine Lust auf Streit, also sage ich ihm, wie er fahren soll. Auf der Fahrt stellt sich heraus, dass er seit gut zwei Monaten den P-Schein besitzt. „Ich bin eigentlich nur in Steglitz unterwegs“, erzählt der Mann. Denn die Nummer seines Taxi-Unternehmens rufen vor allem die West-Berliner an, die im Ostteil der Stadt wählen noch immer eine andere. Und wie war das mit der Prüfung für den Taxischein? „Den Kollwitzplatz kenne ich, den Bersarinplatz auch“, antwortet er. Aber vom Helmholtzplatz habe er noch nie etwas gehört. Sonntagmorgen sind die Straßen leer, wir kommen rasch nach Prenzlauer Berg. Nein, hier war er noch nie, sagt der Taxifahrer. Er ist ein Berliner. Christine Richter
Geschäftsmodell Möbeltaxi Sonnabend, vor einem Berliner Ikea. Der Palettenwagen ist voll beladen mit Möbelpaketen. Per Handy bestelle ich bei der Taxizentrale ein Kombi-Taxi mit Rückbank zum Umlegen. Die Auskunft: „Das Taxi kommt in fünf bis sieben Minuten.“ Doch kaum zwei Minuten später steigt ein Taxifahrer aus seinem Wagen, der schon die ganze Zeit vor dem Haupteingang gestanden hat. „Sie haben doch ein Taxi bestellt?“ „Genau.“ Der Fahrer ist höflich, hilft mit, die Pakete in seinen Kombi zu laden. Dabei sagt er nebenbei: „Das kostet aber einen Zuschlag.“ „Ok.“ Auf der Fahrt frage ich ihn, ob er jeden Sonnabend vor Ikea stehe. „Ja“, so die knappe Antwort. Und ob er nach meiner „Fuhre“ gleich wieder dorthin fahre. Wieder „ja“. Am Ziel zeigt das Taxameter 12,70 Euro. Allerdings ist da noch der Zuschlag. „Sagen wir 35 Euro“, so der Fahrer. „Immer noch billiger als ein Möbeltaxi.“ Ich zahle. Ob das rechtens ist, frage ich nicht. Denn es stimmt: Jede andere Alternative wäre teurer gewesen. Auch ein Geschäftsmodell. Alexander Uhl
Rallyefahrt in der Zimmerstraße Ein wichtiger Termin in Mitte, ich stehe am Flughafen Tegel und habe nur noch 20 Minuten Zeit. Zu spät zu kommen ist undenkbar. Also ab zum nächsten Taxistand. Offenbar an der Reihe ist ein Hybrid-Auto. Hoffentlich fährt der Fahrer heute nicht besonders sparsam, denke ich. „Guten Abend, bitte einmal in die Zimmerstraße.“ Hinterm Steuer sitzt ein schmaler Mann, Mitte 40. „Und wenn es geht, bitte ganz, ganz schnell“, sage ich. Offensichtlich ein Signal für ihn, eine Art Turbo zu zünden. Kurz nach dem Abbiegen in den Saatwinkler Damm werde ich von der Beschleunigung in den Sitz gedrückt, das Hybrid-Auto röhrt plötzlich sehr laut. Wir fliegen über die Straße, kleinere Bodenwellen sind nicht mehr spürbar, größere leider sehr. So stelle ich mir Rallyefahren vor. Die Augen des Fahrers blitzen mich im Rückspiegel belustigt an. Nach nicht einmal 15 Minuten rollen wir in die Zimmerstraße. Ich bin superpünktlich, aber mein Herz klopft noch ein Weile. Karoline Beyer