Ein Berliner Öko-Stadtwerk könnte nach vier bis fünf Jahren schwarze Zahlen schreiben. Diese Prognose wagt jetzt die Münchener Beratungsgesellschaft K. Group. Im Auftrag von Umweltsenator Michael Müller (SPD) haben die Energieexperten die Potenziale für ein Stadtwerk untersucht. Die Gutachter sehen „weitgehend geringe betriebswirtschaftliche Risiken“.
Die Studie bildet die Grundlage für eine Senatsvorlage, die Müller noch im September einbringen will. Sollten sich SPD und CDU verständigen, könnte der Senat das Stadtwerk noch vor dem Volksentscheid zur Energiepolitik am 3. November auf den Weg bringen.
Investitionen von zehn Millionen geplant
Die Gutachter gehen beim Stadtwerk von einem Basismodell aus, das schrittweise erweitert werden kann. Sie sind überzeugt, dass ein kommunales Öko-Stadtwerk 100.000 Stromkunden gewinnen könnte. Dazu seien Investitionen von zehn Millionen Euro nötig, um die Organisationsstruktur aufzubauen, einen Vertrieb zu installieren und Werbekampagnen zu starten. Im ersten Jahr müssten 4,3 Millionen Euro investiert werden.
Die ersten Verluste würden anschließend sinken, ehe im fünften Jahr ein Überschuss zu erzielen sei. Es sei möglich, ein „grünaffines Kundenportfolio“ mit dem Angebot von im Berliner Umland erzeugtem Öko-Strom zu gewinnen. „Wir werden auf keinen Fall den Haushalt mit einem Stadtwerk ruinieren“, sagte Senator Müller. Das Stadtwerk soll sich nicht nur als Händler von Strom aus erneuerbarer Energie betätigen, sondern auch selbst grünen Strom produzieren. Die Gutachter schlagen vor, zunächst mit fünf eigenen Windrädern zu starten. Diese könnten auf Flächen der Berliner Stadtgüter im brandenburgischen Umland entstehen.
Eigenkapitalrentabilität von fünf bis sechs Prozent
Lokal zertifizierter Ökostrom sei in Deutschland nichts Neues, so Müller. Die Stadtgüter stünden bereit. Nach Angaben ihrer Geschäftsführung haben sie sowohl Geld als auch mögliche Standorte. Für diese Investition von insgesamt 25 Millionen Euro bräuchten die Stadtwerke 20 Prozent Eigenkapital, also fünf Millionen Euro. Wenn die Anlagen Strom liefern, sei das Ergebnis ab dem vierten bis fünften Jahr positiv, richtig lukrativ werde die Investition, wenn ab dem 16. Jahr die Kredite getilgt seien, heißt es im Gutachten. Die Experten sehen eine Eigenkapitalrentabilität von fünf bis sechs Prozent als realistisch an.
Denkbar wäre es auch, das ganze Stadtwerk doppelt so groß anzulegen und auf 200.000 Kunden zu setzen. Das würde die Kosten zur Kundengewinnung auf 15 Millionen Euro erhöhen, für zehn Windkraftanlagen wären dann mindesten zehn Millionen Euro Eigenkapital nötig. In weiteren Schritten könnten Partner wie die Berliner Stadtreinigung, die Berliner Energieagentur und Wohnungsgesellschaften hinzukommen. Auch über Blockheizkraftwerke könnte Strom erzeugt werden.
Leuchtturmprojekte für die Stadtplanung
Eine Reform des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG) würde die Einschätzung für ein Berliner Öko-Stadtwerk nicht verändern. Davon gehen die Gutachter der K.Group aus. Berlin habe Möglichkeiten, unter anderem im Wohnungsbau, um die Chancen der Dezentralisierung der Stromerzeugung und der Abkehr von der Kohle zu nutzen. Ein kommunaler Akteur erhöhe die politischen Gestaltungsoptionen, so die Gutachter. Bürger könnten mobilisiert, private und öffentliche Unternehmen eingebunden werden. Leuchtturmprojekte ließen sich für Stadtplanung und -entwicklung nutzen.
Zudem sehen die Gutachter auch wirtschaftliche Möglichkeiten. Bei 100.000 Kunden für Berliner Öko-Strom seien mittelfristig Renditen von drei Millionen Euro pro Jahr zu erzielen, nach Investitionen über zehn Millionen Euro für den Aufbau eines Vertriebssystems. Aus den ersten fünf Windkraftanlagen, die auf dem Gelände der zu Berlin gehörenden Stadtgütern im Umland der Stadt entstehen sollten, seien wie bei Windrädern üblich stabile Kapitalrückflüsse und Renditen gewährleistet.
Müller muss Überzeugungsarbeit leisten
Mit diesen Argumenten wird Müller nun versuchen, im Senat einen Beschluss für ein Stadtwerk herbeizuführen. Dann könnte Berlin mit dem Aufbau eines Stadtwerkes starten, ehe am 3. November der Volksentscheid stattfindet, der unter anderem die Gründung eines solchen kommunalen Unternehmens durchsetzen will. Überzeugen muss Müller vor allem Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU), aber auch Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD). Yzers Ressort wacht über die Stadtgüter, denen bisher untersagt ist, selbst in den Aufbau von Energieerzeugung zu investieren.
Das Landesunternehmen hätte ausreichend Geld dafür in der Kasse. Der Finanzsenator hat jedoch angekündigt, diese Reserven für den Haushalt einzuziehen. In den Haushaltsberatungen müssen nun die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU entscheiden, ob sie den Stadtgütern das Geld lassen. Yzer sagte, die Geschäftsführung habe ihre Pläne für den Bau von Windrädern noch nicht im Aufsichtsrat vorgestellt.
Die SPD-Fraktion will für das Stadtwerk auch mehr Geld ausgeben als die zweimal 1,5 Millionen, die Nußbaum für 2014 und 2015 vorgesehen hat. SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz sagte, Yzer und andere bewerteten die Risiken für den Haushalt zu hoch.