Die vier großen Energiekonzerne in Deutschland haben ihre marktbeherrschende Stellung verloren. Das stellt die unabhängige Monopolkommission fest. Wettbewerb auf dem Strommarkt gibt es dennoch nicht.
Es ist gar nicht lange her, da beherrschten sie den Energiemarkt. Sie kontrollierten 85 Prozent des deutschen Kraftwerksparks und Hunderte von Stadtwerken: Die Stromriesen E.on, RWE, EnBW und Vattenfall. Das Quartett galt vielen als mächtiges Oligopol, dass die Strompreise manipuliert, die Verbraucher abzockt und die Politik fest im Griff hat. Doch damit ist es jetzt vorbei. Die unabhängige Deutsche Monopolkommission hat in einem neuen Sondergutachten mit dem Titel „Wettbewerb in Zeiten der Energiewende“ die Macht der Milliardenkonzerne neu bewertet. Das vom Bundespräsidenten einberufene Beratergremium, von Wissenschaftlern und Unternehmern kommt zu dem bemerkenswerten Ergebnis, „dass derzeit keine Marktbeherrschung der großen Energieversorger vorliegt.“
Grund ist die Energiewende: Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel 2011 in Reaktion auf das Fukushima-Unglück den Atomausstieg und beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien beschloss, legen die großen Konzerne reihenweise Kraftwerke still. E.on hat ein Drittel seiner deutschen Kraftwerke und Hunderte Stadtwerke-Beteiligungen verkauft. RWE legt Stromerzeugungskapazitäten mit 16.000 Megawatt still. Vattenfall verlor zwei große Atomkraftwerke an die Wendepolitik der Bundeskanzlerin.
Auf dem Strommarkt kontrollieren die Konzerne damit nur noch 58 Prozent der Erzeugung, stellt die Monopolkommission jetzt fest. Zu wenig, um Preise beeinflussen zu können, befand das Gremium. Das müsste doch Raum für mehr Wettbewerb eröffnen?
Wettbewerb auf Energiemärkten eher geschwächt als gestärkt
Nein, sagt die Monopolkommission: „Der Wettbewerb auf den Energiemärkten ist in Zeiten der Energiewende erheblich in Bedrängnis geraten.“ Schuld am Niedergang des Wettbewerbs auf dem Energiemarkt sind auf einmal nicht mehr die alten Energiemarktführer, sondern ausgerechnet die erneuerbaren Energien, die mächtigen Riesen eigentlich erst zum Rückzug zwangen.
„Problematisch erscheinen für die Wettbewerbsentwicklung vor allem Bereiche, die im Zuge der Energiewende und der massiven Förderung der erneuerbaren Energien geschaffen und ausgebaut wurden“, so die Kommission. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist das zentrale Instrument der Energiewende. Es sieht vor, dass Produzenten von Ökostrom über zumeist 20 Jahre eine feste Einspeisevergütung erhalten. Ökostrom muss vorrangig und unabhängig von jeder real existierenden Nachfrage ins Netz eingespeist werden. Die hohe Differenz zwischen Einspeisetarif und Börsenwert des Stroms wird auf die Stromrechnung der Verbraucher als EEG-Umlage abgewälzt. Sie beträgt derzeit 5,3 Cent pro Kilowattstunde und summiert sich damit volkswirtschaftlich auf über 20 Milliarden Euro.
Anstieg der Ökostrom-Subventionen erwartet
Für das kommende Jahr wird ein weiterer Anstieg der Ökostrom-Subventionen auf rund 6,5 Cent erwartet. Damit steigt der Betrag, den ein Haushalt zur Subventionierung der Ökostrom-Produzenten zahlen muss, von derzeit 185 Euro auf über 230 Euro pro Jahr.
Solche Kostensteigerungen seien unnötig, argumentiert die Monopolkommission: Mit dem EEG könne der Ökostrom-Ausbau nicht verlässlich gesteuert werden, es führe zu „massiven Überförderung“. Die Kosten würden „auf immer weniger Verbraucher aufgeteilt.“ Die Monopolkommission schlägt statt des EEG ein Quotenmodell nach schwedischem Vorbild vor das dafür sorgen soll, erneuerbare Energien viel kosteneffizienter auszubauen als als bisher.
In einem Quotenmodell wird nicht der Einspeisepreis für die Erneuerbaren festgelegt, sondern die Menge erneuerbarer Energien, so die Gutachter: „Um die Herkunft von Elektrizität aus erneuerbaren Energie- quellen im Handel ,sichtbar‘ zu machen, müssen durch den Gesetzgeber handelbare Zertifikate implementiert werden.“ So erhalte ein Anlagenbetreiber „neben dem Preis für den erzeugten Strom zusätzlich eine Vergütung aus dem Verkauf der Zertifikate.“
Berliner Unternehmen in Sorge
Die Wirtschaft ist auch in Berlin verunsichert. „Die Energiewende stellt ein hohes Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen dar“, sagte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) am Donnerstag. Nach den neuesten Zahlen des Energiewende Barometers befürchtet ein Viertel der in Berlin befragten Unternehmen, dass sich die Energiewende negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirken wird. Ein Drittel der Unternehmen gibt bereits die gestiegenen Energiekosten an ihre Kunden weiter oder plant, das zu tun.
Die Unternehmen in der Hauptstadt reagieren aber auch: Der Anteil der Unternehmen, die in Energieeffizienzmaßnahmen investieren oder dies planen, stieg in Berlin zwischen den Jahren 2012 und 2013 von 54 Prozent auf 63 Prozent. Zudem wird die Versorgung dezentraler: 32 Prozent der Betriebe setzt auf eine eigene erneuerbare Energieversorgung, im Vorjahr waren es erst 22 Prozent. 54 Prozent setzen auf energieeffiziente Produkte, 2012 waren es erst 40 Prozent.