Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will künftig für Berliner Eltern einen Kita-Platz um die Ecke. In einigen Bezirken wie Pankow ist es aber eng. Helfen soll eine zentrale Warteliste.

Berliner Morgenpost: Frau Scheeres, wie haben Sie das mit Ihren Kinder gemacht, waren die auch in der Kita?

Sandra Scheeres: Meine beiden Söhne sind mit eineinhalb Jahren in die Kita gekommen. Ich selbst bin ein Jahr nach der Geburt meines ersten Sohnes wieder in den Beruf eingestiegen, mein Mann hat dann noch ein halbes Jahr Elternzeit genommen. Als mein zweiter Sohn geboren wurde, war ich schon Abgeordnete und hatte keinen Anspruch auf Elternzeit, daher bin ich schon nach fünf Wochen wieder an meinen Arbeitsplatz zurückgekehrt. Als Pankowerin musste ich mich damals auch in Kita-Wartelisten eintragen. Immer wieder wurde mir gesagt, dass es lange Listen gibt und man besser woanders nachfragen soll. Letztendlich haben wir aber fünf Plätze angeboten bekommen. Das Ganze führt zur Verunsicherung.

Das ist heute noch so …

Ja, in einigen Regionen ist das bis heute so. Aber wir ändern das jetzt. Anfang kommenden Jahres soll ein EDV-gestütztes Programm alle Anträge erfassen. Eltern, die einen Platz für ihr Kind bekommen haben, werden anschließend aus allen übrigen Listen gelöscht. Fast alle Kita-Träger haben uns signalisiert, dass sie dieses Programm nutzen werden.

Insgesamt gibt es in Berlin momentan genügend Kita-Plätze, wobei es in den Bezirken sehr unterschiedlich aussieht. In kinderreichen Bezirken wie Pankow oder Friedrichshain-Kreuzberg müssen sich Eltern bereits während der Schwangerschaft nach einer Kita umsehen. Wie wollen Sie steuern, dass dort, wo tatsächlich Bedarf ist, Kita-Plätze entstehen?

Die meisten Eltern werden einen Kita-Platz um die Ecke bekommen. Natürlich wird es auch Fälle geben, wo das nicht möglich ist. Laut Gesetz ist eine halbe Stunde Anfahrt mit der BVG für die Eltern zumutbar. Ich will aber kurze Wege, deshalb werden wir weiter gezielt neue Kita-Plätze schaffen. Dafür gibt es jetzt einen Bedarfsatlas, der aufzeigt, wie sich die Geburtenrate in den einzelnen Regionen entwickelt. Danach richten wir unsere Platzplanung aus. Allein in Pankow sind seit 2008 2000 neue Kita-Plätze entstanden – und wir werden mit dem Ausbau nicht aufhören. 18 Millionen Euro werden im Haushalt 2014/15 dafür bereitgestellt.

Viele Kitas wollen, dass die Eltern regelmäßig anrufen oder sogar einmal im Monat vorsprechen, um immer wieder ihr Interesse an einem Platz zu bekunden. Manche verlangen auch sogenannte Fördergelder. Was tun Sie gegen derartige Auswüchse?

Beiträge für Zusatzangebote wie Sprachkurse oder eine musikalische Ausbildung sind gestattet. Ganz klar aber ist, dass Kautionen oder Vormerkgebühren nicht rechtens sind. Sollte eine Kita so etwas von den Eltern verlangen, sollten die Eltern das dem zuständigen Jugendamt melden. Bekommen wir davon Kenntnis, verbieten wir das.

Gab es bereits Fälle, in denen Sie einschreiten mussten?

Ja, das ist schon vorgekommen. Die Kita-Aufsicht hat dann sofort gehandelt und derartige Zahlungen verboten.

Manche Eltern fordern eine zentrale Vergabe der Kita-Plätze. Ein guter Plan?

Nein, eine Zentralisierung auf Landesebene ist nicht geplant. Es hat sich bewährt, dass jeder Bezirk für seine eigene Kita-Planung zuständig ist, und die meisten Bezirke machen das sehr gut.

Die Qualität der pädagogischen Arbeit der Kitas hängt wesentlich davon ab, dass das Personal gut ausgebildet und in ausreichender Zahl vorhanden ist. In Berlin fehlen jedoch bereits jetzt Hunderte Erzieherinnen. Der Beruf ist unattraktiv, nicht gut bezahlt...

Das stimmt so nicht. Es ist ein attraktiver Beruf. Und weil wir viele Erzieherinnen und Erzieher brauchen, haben wir die Ausbildungskapazität verdoppelt. Außerdem setzen wir auf Quereinsteiger. Bisher sind bereits 2000 Quereinsteiger an den 2200 Berliner Kitas in der Ausbildung. Allein 2012 haben wir 770 Quereinsteiger aufgenommen. Das sind musisch, künstlerisch, pädagogisch oder handwerklich ausgebildete Leute. Sie sind ein Gewinn für die Einrichtungen. Außerdem bekommen wir auf diese Weise mehr männliche Fachkräfte an die Kitas. Die bessere Bezahlung der Erzieher ist aber ein bundesweites Problem. Der Kampf darum muss auf Bundesebene geführt werden.

Fachleute fordern künftig eine Platzreserve von zehn Prozent, da nicht genau berechnet werden kann, wie viele Kita-Plätze tatsächlich gebraucht werden. Ist das realistisch?

Mein Ziel ist es, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz umzusetzen. Wenn wir dann Kapazitäten übrig haben, ist das schön. Derzeit haben wir eine Reserve von 12.000 Plätzen. In anderen Regionen Deutschlands sieht es lange nicht so komfortabel aus. Bei uns sind bereits 66 Prozent der Ein- bis Dreijährigen in der Kita und 94 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen.

Neu eingeführt wird auch das Betreuungsgeld, das Eltern beantragen können, die ihre Kinder zu Hause betreuen wollen. Bisher gibt es in Berlin nur 35 Anträge. Rechnen Sie damit, dass es künftig deutlich mehr werden?

Die Zahl der Anträge wird sicher noch zunehmen. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass sehr viele Eltern dieses Geld in Anspruch nehmen werden. In Berlin ist, zumal in den bürgerlichen Bezirken, der Anteil der Kinder, die eine Kita besuchen, sehr hoch. Viele Eltern in Berlin wollen schnell wieder in den Beruf einsteigen. Trotzdem wird es sicher noch ein paar mehr Anträge geben. Es braucht eben seine Zeit, bis alle über diese Möglichkeit informiert sind.

Der Fraktionsvorsitzende Ihrer Partei, Raed Saleh, hat jetzt eine Kita-Pflicht für alle Berliner Kinder gefordert. Er beruft sich auf eine Studie, die gezeigt hat, dass Kinder, die länger als zwei Jahre eine Kita besuchen, besser auf die Schule vorbereitet sind. Hat er das mit Ihnen abgestimmt?

Wir sind im Gespräch, und ich teile sein Ziel, die Kinder mit Förderbedarf rechtzeitig in die Kita zu bekommen. Gegen eine Kita-Pflicht gibt es allerdings rechtliche Bedenken. Gutachten haben ergeben, dass der Elternwille dadurch zu stark eingeschränkt werden würde. Vor allem hat die Einschulungsstudie gezeigt, dass Kita funktioniert. Wir müssen deshalb alles daransetzen, dass möglichst viele Kinder eine Kita besuchen, und zwar vor allem die Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Und für Kinder mit Förderbedarf haben wir ja bereits eine Kita-Pflicht. Es gibt den Sprachtest für alle Kinder, die nicht in der Kita sind. Wer Defizite hat, muss im Jahr vor der Einschulung täglich drei Stunden zur Sprachförderung in die Kita. Ich will das auf fünf Stunden täglich verlängern. Eltern, die dieser Pflicht nicht nachkommen, müssen mit Bußgeldern rechnen.

Die CDU hat kürzlich die Wiedereinführung der Vorschulklassen gefordert. Was halten Sie davon?

Es ist ein Mythos, dass es in Berlin eine Vorschulpflicht gab. Nur 26 Prozent der Kinder haben diese Vorklassen besucht. Heute gehen aber im letzten Jahr vor der Schule über 95 Prozent aller Kinder in die Kita. Dieser Vorschlag ignoriert außerdem, dass wir die Kitas reformiert haben und es dort inzwischen von Anfang an ein Bildungsprogramm mit Sprachförderung gibt.

Am Montag beginnt in Berlin das neue Schuljahr. Stehen genug Lehrer bereit?

Ja, es sieht gut aus. In diesem Jahr wollen wir insgesamt 1439 neue Lehrer einstellen. Davon haben wir bereits über 1370 an Bord. Für die anderen laufen die Auswahlverfahren.

Können Sie auch die Mangelfächer wie Mathematik, Physik oder Chemie abdecken?

Unter den 1800 Bewerbern, die sich bei uns gemeldet haben, sind auch viele Lehrer mit Mangelfächern. Auch bei ihnen sind bereits jetzt fast alle Lehrer ausgewählt. Außerdem setzen wir auf Quereinsteiger. Also Menschen mit Berufserfahrung, die anschließend noch eine berufsbegleitende Ausbildung absolvieren. Angesichts der Entwicklung der Schülerzahl, die bis 2015 um fünf Prozent steigen wird, schöpfen wir aktiv alle Möglichkeiten aus. Auch die Zahl der Referendariatsplätze erhöhe ich in den nächsten zwei Jahren von 2200 auf 2700.

Viele angestellte Lehrer hatten angekündigt, Berlin verlassen zu wollen, weil sie sich im Vergleich zu ihren verbeamteten Kollegen schlecht behandelt fühlen. Haben sie ihre Ankündigung wahr gemacht?

Nein, in Berlin gibt es keine Abwanderung. Die Zahl der Freigabeanträge ist von 234 auf 187 zurückgegangen. Von denen verlassen nur acht Lehrkräfte tatsächlich die Stadt, teilweise aus familiären Gründen. Abwanderung ist also kein Thema.

Im vergangenen Schuljahr gab es mehrere Warnstreiks von angestellten Lehrern, die sich für eine bessere Bezahlung starkgemacht haben. Müssen Eltern und Schüler auch in diesem Jahr wieder mit Streiks rechnen?

Ein Vertreter der Initiative Bildet Berlin hat zwar Streiks angekündigt, ob die Lehrergewerkschaft GEW das mitträgt, ist ungewiss. Ich sage Ihnen, dass junge Lehrer mit zwei Fächern ein Einstiegsgehalt von rund 4500 Euro brutto bekommen. 2014 werden es 4700 Euro brutto sein. Das ist gut und höher als in anderen Bundesländern. Es ist auch berechtigt. Der Lehrerberuf ist ein sehr anstrengender Beruf. Aus diesem Grund haben wir nicht nur das Einstiegsgehalt erhöht, sondern weitere Verbesserungen eingeführt.

Welche sind das?

Es wird wieder eine Altersermäßigung für Lehrer geben. Außerdem ist es nicht mehr möglich, dass Lehrer in ein anderes Bundesland gehen, um nach einem Jahr als Beamte nach Berlin zurückzukehren. Ich habe durchgesetzt, dass dieser sogenannte Drehtüreffekt beendet wird. Lehrer, die abwandern, dürfen erst nach fünf Jahren als Beamte wieder nach Berlin zurückkommen. Ansonsten wäre das ungerecht denen gegenüber, die als angestellte Lehrer in Berlin geblieben sind.

Zum Schluss noch einmal eine private Frage. Was wünschen Sie sich für die Schulzeit Ihrer Kinder?

Das Wichtigste ist, dass sie Spaß an der Schule und Freude am Lernen haben. Sie sollen sich in der Schule wohlfühlen, Freunde finden und so gefördert werden, wie sie es brauchen. Mein Sohn sagte mir heute, dass er sich freut, dass die Schule wieder anfängt. Das ist doch wunderbar.