Asylbewerber

So steht es um die Flüchtlingsheime in Berlin

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Tanja Laninger und Ulla Reinhard

Foto: JOERG KRAUTHOEFER

Die Unterkunft in Hellersdorf wird später bezugsfertig, weil die Statik des Gebäudes überprüft wird. In Spandau ist die Zukunft des Heimes unklar. In Wittenau befürchten Anwohner eine „Seuchengefahr“.

250 Kriegsflüchtlinge aus Syrien treffen im Herbst in Berlin ein. Die Zahl der Asylbewerber in der Stadt ist in den vergangenen Monaten kontinuierlich gestiegen. Anwohner und Initiativen wehren sich gegen die neuen Nachbarn – aber es gibt auch viele, die den Flüchtlingen helfen wollen. Ein Überblick über den Stand in drei Bezirken.

400 Plätze in Marzahn-Hellersdorf

Das Flüchtlingsheim wird später als geplant in einem früheren Gymnasium bezogen. Das bestätigte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Die Umbauten seien aufwendig und noch nicht abgeschlossen. Zuletzt hat das bezirkliche Bauamt vom Betreiber ein prüfstatistisches Gutachten angefordert, weil in die Klassenzimmer Trennwände eingebaut wurden, um sie als Wohnräume herzurichten.

Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) muss nun geprüft werden, ob die Statik des ehemaligen Schulhauses noch sicher ist. „Wann das Heim bezogen wird, ist offen. Der Entwurf eines Gutachtens liegt bereits vor“, so der Lageso-Sprecher. In der zweiflügeligen Anlage sollen etwa 400 Plätze hergerichtet werden.

Bei einer Informationsveranstaltung zum Heim hatten vor Kurzem Rechtsextreme für Ärger gesorgt. In der Nacht zu Mittwoch beklebten zwei Männer ein BVG-Wartehäuschen und einen Supermarkt an der Hönower Straße in Mahlsdorf mit Flyern. Auf diesen Aufklebern standen politische Parolen wie „Heimreise statt Einreise“ und „Asylantenheim, nein danke“. Sie wurden von zwei Zeugen beobachtet und gestellt.

Rechte Parolen schrecken Landesseniorenvertretung auf

Die Zeugen alarmierten die Polizei und hielten die Tatverdächtigen bis zum Eintreffen der Beamten fest. Die Männer hatten weitere Aufkleber bei sich, die beschlagnahmt wurden. „Die Festgenommenen wurden nach Feststellung ihrer Identität entlassen und sehen nun einem Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung entgegen“, so die Polizei weiter.

Losungen wie „Nein zum Heim“ haben auch die Landesseniorenvertretung aufgeschreckt. Deren Vorsitzende Johanna Hambach sagte: „Es geht gegen Menschen in Not. Die Flüchtlinge brauchen unsere Hilfe und Unterstützung.“ Die Generation der Älteren habe mit rassistischen und menschenverachtenden Ideologien und deren verheerenden Folgen unsägliche Erfahrungen gemacht.

Am Wochenende war zudem die Grünen-Bezirksverordnete Rafaela Kiene aus Marzahn-Hellersdorf im Internet genötigt worden, ihr Engagement für Flüchtlinge und gegen Nazis aufzugeben, sonst werde man sie öffentlich anprangern. Unterzeichnet war der Kommentar auf Facebook mit „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“. Die Bürgerinitiative existiert tatsächlich, sie möchte die Unterbringung von Flüchtlingen im Bezirk verhindern. Inzwischen seien, so die 23-jährige Kiene, zwei weitere Personen an sie herangetreten, die sich ebenfalls bedroht gefühlt hätten. Doch beide wollten nicht an die Öffentlichkeit gehen.

Flüchtlinge aus Syrien sollen im Herbst kommen

Sie selbst gibt nicht auf: „Ich gehöre zum Überparteilichen Bündnis in Marzahn-Hellersdorf, einem Zusammenschluss aller demokratischen Parteien, das so lange kommissarisch agiert, bis sich ein Runder Tisch gegründet hat.“ Das solle Anfang August geschehen. Zu diesem Runden Tisch würden alle Initiativen eingeladen, die sich für die Flüchtlinge engagieren wollten.

„Wir besprechen, wie die Flüchtlingsankunft gestaltet wird, was die Flüchtlinge in den ersten Wochen brauchen“, sagte Kiene. „Und wir planen Bürgerdialoge.“ In Hellersdorf sind 400 Plätze für Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten vorgesehen. Wahrscheinlich wird es sich teilweise um jene bis zu 250 Flüchtlinge aus Syrien handeln, die im Herbst nach Berlin kommen sollen.

400 Plätze in Spandau

Für ebenfalls 400 Personen ist die Unterkunft an der Motardstraße ausgelegt. Nach Angaben des Lageso lebten dort am Stichtag 23. Juli 525 Menschen. Dabei ist die Zukunft des Hauses unklar, wie sich aus einer Antwort von Gesundheits- und Sozialsenator Mario Czaja (CDU) auf eine Kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Elke Breitenbach und Hakan Tas ergibt.

Denn das Grundstück gehört der Firma Osram, die es verkaufen will und den Pachtvertrag zum 31. Dezember 2013 gekündigt hat. Das Land prüfe die angebotene Kaufoption. „Grundsätzlich ist der Senat an einer weiteren Nutzung des Standortes interessiert“, so Czaja. Die Infrastruktur sei über viele Jahre gewachsen, dazu komme die „hohe Akzeptanz durch die lokal ansässige Bevölkerung“. In der Vergangenheit hatte der Flüchtlingsrat allerdings die provisorische Unterbringung in Containern bemängelt.

300 Plätze in Reinickendorf

Die Unterbringung von Flüchtlingen wird auch andernorts kritisiert – allerdings von Nachbarn. Wie berichtet hat eine Wohnungseigentümergemeinschaft in Wittenau beim Bezirksamt Widerspruch gegen die Genehmigung einer Flüchtlingsunterkunft eingereicht. Es handelt sich dabei um das von der Awo betriebene Marie-Schlei-Haus am Eichborndamm. Früher war das Gebäude ein Seniorenheim mit 120 Bewohnern. Am 23. Juli lebten dort 189 Personen, für 300 sei Platz, so das Lageso.

Doch die Klageführer fürchten „Seuchengefahr“ und ärgern sich darüber, dass Flüchtlingskinder ihren privaten Kinderspielplatz nutzen. „Die Awo hätte schon längst einen Spielplatz errichten können“, kritisiert etwa Anwohner Bernd Müller über Facebook. Doch Seuchengefahr sieht das Lageso nicht: „Es gibt keine Fälle, in denen Asylbewerberunterkünfte gesundheitliche Risiken für Anwohner mit sich brachten.“ Als vor Kurzem einige Kinder aus dem Marie-Schlei-Haus an Windpocken erkrankten, habe ein Gericht das Ansinnen des Bezirksamtes nach Quarantäne zurückgewiesen.