Wohnkosten

An den Berliner Stadtrand – der Miete wegen

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Isabell Jürgens

Berliner Familien zieht es längst nicht nur an den Stadtrand, weil es dort grüner ist. Der wichtigste Grund sind mittlerweile die enorm gestiegenen Mieten, die innerhalb des S-Bahn-Rings gefordert werden.

Nach dem aktuellen Wohnkostenatlas, den das Wohnungsunternehmen GSW und der Immobiliendienstleister CBRE vorgelegt haben, müssen Wohnungssuchende in Berlin durchschnittlich 7,50 Euro pro Quadratmeter und Monat Kaltmiete zahlen. Das sind 13,8 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Am teuersten fallen mit durchschnittlich 8,94 Euro dabei die Mieten im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aus, gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf mit 8,93 Euro und Mitte mit 8,11 Euro.

Die hohen Preise führen dazu, dass einkommensschwache Familien am Markt benachteiligt sind. Obwohl in Berlin laut Bertelsmann-Studie mehr als 39 Prozent aller angebotenen Wohnungen familiengeeignet sind, sind nur sieben Prozent auch für Berliner mit geringem Einkommen finanzierbar.

Als „familiengeeignet“ bezeichnen die Bertelsmann-Experten eine Wohnung mit mindestens 75 Quadratmetern und mindestens drei Zimmern für einen Vierpersonenhaushalt. Nach Angaben der Studie gilt eine vierköpfige Familie in der Hauptstadt als arm, wenn sie maximal 1635 Euro im Monat zur Verfügung hat.

Selbst wenn diese Familien das Glück haben, eine Wohnung im unteren Preissegment zu finden, müssen sie dafür laut Studie 506 Euro ausgeben, das entspricht 30,9 Prozent des Einkommens. Nach Abzug der Mietkosten verbleiben der Familie damit 1130 Euro, das sind drei Prozent weniger als der Hartz-IV-Regelsatz einer vierköpfigen Familie (zwei Erwachsene, ein Kind unter sechs Jahren, eines zwischen sieben und 14 Jahren alt).

Bezahlbaren Wohnraum schaffen

Der Berliner Mieterverein (BMV) sieht dringenden Handlungsbedarf in der Berliner Wohnungspolitik. „Das Fehlen bezahlbarer Wohnungen bringt längst nicht nur noch Transfereinkommensbezieher in eine schwierige Situation, sondern stellt auch zunehmend für Familien, Rentner, Studenten und andere Personen mit niedrigen Einkommen knapp über den ALG-II-Sätzen ein Problem dar“, sagt Wiebke Werner, Mitarbeiterin der Geschäftsführung beim BMV.

In einer Stadt wie Berlin, in der ein niedrigeres Einkommensniveau herrsche als in anderen deutschen Großstädten, werde somit die Notwendigkeit deutlich, bezahlbaren Wohnraum zu schützen und zu schaffen.

Fast die Hälfte (46,7 Prozent) aller Haushalte in Berlin verfügt nur über ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 1500 Euro im Monat. „Die Schmerzgrenze für eine bezahlbare Miete dürfte somit bei maximal sechs Euro netto kalt liegen“, so die BMV-Expertin.

„Bislang finden Familien insbesondere in den Außenbezirken noch ein gutes Angebot günstiger Wohnungen“, hält indes Bernd Strehlow dagegen. Strehlow ist stellvertretender Geschäftsführer der Berlin-Brandenburger Abteilung des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Mit Berufung auf den GSW-Wohnkostenatlas verweist er darauf, dass in zwei der zwölf Berliner Bezirke die durchschnittlichen Mietpreise noch unterhalb der vom Mieterverein geforderten sechs Euro liegen.

Günstige Außenbezirke

So werden aktuell in Marzahn-Hellersdorf 5,11 Euro netto kalt pro Quadratmeter und Monat verlangt, in Spandau 5,90 Euro. „Dabei handelt es sich um Durchschnittswerte, zum Teil sind die Wohnungen noch deutlich günstiger“, betont Strehlow. Auch in Reinickendorf (6,36 Euro), Lichtenberg (6,50 ) und Treptow-Köpenick (6,51 Euro) würden demnach Haushalte mit geringen Einkommen geeigneten Wohnraum finden.

Eben weil günstige Wohnungen überwiegend nur noch in den Außenbezirken zu finden sind, befürchtet der Mieterverein die „soziale Spaltung in der Innenstadt Berlins“, sagt Wiebke Werner. Um diese zu bremsen, sei deshalb dringend Handeln erforderlich. Es müssten Fördermittel aktiviert werden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und Miet- und Belegungsbindung zu gewährleisten mit Nettokaltmieten deutlich unter sechs Euro.

Bestandsmieten begrenzen

„Flankierend wird nur eine gesetzliche Begrenzung der Wiedervermietungsmieten gegen eine Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus den Innenstadtbezirken helfen, für die sich der Berliner Senat auf Bundesebene einsetzen muss“, so Werner zu den Forderungen des Mietervereins.

Die für die Wohnungspolitik zuständige Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verweist auf die zahlreichen mietpolitischen Initiativen des Senats: „Bezahlbares Wohnen ist das zentrale Thema der Legislaturperiode“, sagt Daniela Augenstein, Sprecherin des Bausenators Michael Müller (SPD).