Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) hat die zwölf Berliner Bezirksämter aufgefordert, gegen überhöhte Mieten vorzugehen. In einem Rundschreiben, das Anfang der Woche verschickt wurde, an die zuständigen Stadträte weist der Senator darauf hin, dass die Verfolgung überhöhter Mietpreise nach Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes wieder möglich ist.
Hintergrund: Der Berliner Senat hatte im Mai 2013 per Verordnung für das gesamte Stadtgebiet eine „angespannte Wohnungsmarktsituation“ festgestellt. „Nun können die Bezirke auf Basis dieser Feststellung wieder handeln“, sagte Daniela Augenstein, Sprecherin des Senators, am Donnerstag.
Der Senator möchte die Bezirke daran erinnern, dass nun wieder möglich ist, was vor 13 Jahren in Berlin abgeschafft wurde: Geldbußen bis zu 50.000 Euro zu verhängen, wenn einem Vermieter nachgewiesen werden kann, dass er die Zwangslage der Mieter oder deren Unerfahrenheit vorsätzlich ausnutzt, um eine Miete zu verlangen, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigt.
Die Voraussetzung zur Ahndung durch die Bezirke hat der Senat am 19. Mai 2013 geschaffen, als er per Verordnung festgelegt hat, dass im gesamten Berliner Stadtgebiet eine „angespannte Wohnungsmarktlage“ herrscht. Liegt die verlangte Miete 50 Prozent über der Vergleichsmiete, handelt es sich sogar um Mietwucher. Für die Verfolgung von Mietwucher ist die Staatsanwaltschaft zuständig.
Auch Mieter können sich wehren
Mit der Senatsverordnung können Vermieter einer frei finanzierten Immobilie in Berlin nun nicht mehr grundsätzlich so viel Miete fordern, wie sie möchten. Selbst wenn der Mieter einen hohen Preis bereits akzeptiert und den Mietervertrag unterschrieben hat, kann er nachträglich gegen diese Mietpreisüberhöhung vorgehen.
In den Bezirken reagiert man skeptisch auf den Vorstoß des Senators. „Wie sollen wir diese zusätzliche Aufgabe angesichts der Personalnot leisten?“, so Sybille Klotz (Grüne), Baustadträtin in Tempelhof-Schöneberg. Da die Fälle nach dem Wirtschaftsstrafgesetz seit dem Jahr 2000 nicht mehr relevant waren, sei die „Mietpreisüberwachungsstelle“ längst abgeschafft worden. „Heute haben wir nur noch eine einzige Mitarbeiterin für die Wohnungsaufsicht im gesamten Bezirk“, sagte Klotz. Diese sei bereits mehr als ausgelastet mit der Aufgabe, bauliche Mängel an den Gebäuden zu erfassen und dagegen vorzugehen. Auch das Ordnungsamt habe keinerlei Ressourcen, so die Stadträtin.
Doch gegen Mietwucher vorgehen können nicht nur die Bezirke, sondern auch jeder betroffene Mieter. Reiner Wild vom Berliner Mieterverein begrüßt denn auch die Initiative des Senators. Wild weist Mieter aber zugleich darauf hin, dass die Regelung nur bei Neuvertragsabschlüssen und Modernisierungserhöhungen greift. „Wir hoffen nun, dass sich bei den Mietern schnell herumspricht, dass man gegen überhöhte Mieten doch etwas machen kann“, so Wild. Der Mieterverein sei bereits dabei, Musterverfahren vorzubereiten.
Es wird mit Gerichtsprozessen gerechnet
Der Verband Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), in dem auch die städtischen Wohnungsunternehmen vertreten sind, rechnet damit, dass entsprechende Fälle im Zusammenhang mit dem Paragraf 5 über kurz oder lang vor Gericht kommen werden. Dabei werde zunächst die Frage im Mittelpunkt stehen, auf welcher Grundlage die Wohnungsmarktanspannung für Berlin festgestellt wurde. „Zwar sprechen etliche Indizien für eine Anspannung, allerdings fehlt hierzu noch ein gerichtsfester Beweis“, betonte BBU-Sprecher David Eberhardt.
Genau darauf hebt auch der Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen (BFW) in seiner Kritik an dem Vorstoß des Senators ab. Nach Einschätzung von Bernd Strehlow, dem stellvertretenden Geschäftsführer des Berliner BFW-Regionalverbandes, sei die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt von einer Mangellage in ganz Berlin weit entfernt. „Wenn jemand seine Wunschwohnung nicht im Szenekiez findet, ist das ein Luxusproblem“, so Strehlow. Ob die Verordnung rechtens ist, sei deshalb fraglich. Es gebe viele Stadtgebiete, in denen es leer stehende Wohnungen gebe.