Bezirke und Gesundheitsverwaltung suchen fieberhaft nach Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Rund 5000 Asylsuchende muss Berlin in diesem Jahr aufnehmen, etwa die Hälfte ist schon angekommen.
Unter Hochdruck sucht die Gesundheitsverwaltung gemeinsam mit den Bezirken nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Nach einer ersten Prognose des Bundesamtes für Migration sind in ganz Deutschland in diesem Jahr insgesamt etwa 100.000 Flüchtlinge zu erwarten. Für Berlin würde das bedeuten, dass 5000 Asylsuchende untergebracht werden müssten. Etwa die Hälfte ist bereits hier angekommen.
Nach der neuen Schätzung ist noch mit 2500 Flüchtlingen aus aller Welt in den kommenden Monaten zu rechnen. Berlin ist zusätzlich Hauptanlaufpunkt für sogenannte Erstanmeldungen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es schon 9266 Erstanmeldungen. Bereits im vergangenen Jahr war die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 74 Prozent auf 9418 gestiegen. Demnach kommen 15 Prozent aller nach Deutschland einreisenden Flüchtlinge zuerst nach Berlin. Später geht es weiter in andere Bundesländer. Das Land Berlin muss nur fünf Prozent dauerhaft aufnehmen.
250 Flüchtlinge aus Syrien erwartet
„Wir wissen nicht genau, wann die Flüchtlinge kommen, deshalb ist es wichtig, schnell reagieren zu können“, sagte am Mittwoch Sozialsenator Mario Czaja (CDU) bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2012 des Landesamtes für Gesundheit und Soziales. Sicher ist, dass Berlin schon in den kommenden Wochen auf 250 Flüchtlinge aus Syrien, die im Rahmen des Bundeskontingents eintreffen, vorbereitet sein muss. Wir gehen davon aus, dass die syrischen Flüchtlinge Ende des Monats kommen“, so Mario Czaja.
Die Sozialverwaltung sei mit allen Bezirken in ständigen Gesprächen, um Unterbringungsmöglichkeiten auszuloten. Berlin benötige insgesamt mindestens noch 1000 zusätzliche Heimplätze. Zudem müssten die 1800 Plätze in Notunterkünften zügig zu Gemeinschaftsunterkünften mit besserer Ausstattung ausgebaut werden. „Niemand kann sich zurücklehnen“, sagte Czaja. Alle Bezirke müssten weiter nach Unterbringungsmöglichkeiten suchen.
Seit Anfang des Jahres sind bereits 2300 Flüchtlinge untergebracht worden. Dabei sei die Verteilung unter den Bezirken im Vergleich zur 2011 schon deutlich gerechter geworden, betonte Czaja. Die Kooperation laufe inzwischen sehr gut, so der Senator. Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales nimmt beispielsweise Reinickendorf derzeit 11,9 Prozent der Flüchtlinge auf, vor zwei Jahren gab es dort gar keine Unterkünfte für Asylbewerber.
Kein geeignetes leer stehendes Gebäude in Neukölln
Die meisten Flüchtlinge werden nach wie vor in Lichtenberg untergebracht. Insgesamt 1.171 Menschen wohnen derzeit hier in den Flüchtlingsheimen. An zweiter Stelle steht Tempelhof-Schöneberg mit 801 Asylbewerbern. Besonders wenige Unterkünfte gibt es noch immer in Neukölln und Steglitz-Zehlendorf. In Neukölln soll es bis Ende des Jahres einen Neubau für die Unterbringung von Flüchtlingen geben, denn hier gibt es keine leer stehenden geeigneten Gebäude. „In Steglitz-Zehlendorf gebe es intensive Gespräche mit dem Bezirksbürgermeister über eine Immobilie“, so der Sozialsenator.
Die konkrete Vorbereitung der Bevölkerung vor Ort, wenn eine neue Unterkunft eingerichtet wird, müsse durch den Bezirk geleistet werden, sagte der Präsident des Landesamtes für Gesundheit Franz Allert in Hinblick auf die Proteste in Hellersdorf gegen eine neues Heim für Asylbewerber. Dort soll es jetzt gemeinsame Projekte mit der Alice-Salomon-Hochschule und den Wohnungsbaugesellschaften geben, um mögliche Ängste der Anwohner abzubauen. Künftig sollen von Anfang an Partner in den Bezirken gefunden werden, wenn neue Unterkünfte eingerichtet werden.
Roma reisen aus Serbien und Bosnien-Herzegowina ein
Im vergangenen Jahr kamen die meisten Flüchtlinge (21 Prozent) aus der Russischen Föderation und dort vor allem aus Tschetschenien. Serbien und Bosnien-Herzegowina stehen an zweiter Stelle. Jeder dritte Asylbewerber reiste aus diesen Ländern ein. Das seien vor allem Roma, sagte der Präsident des Landesamtes, Franz Allert. Fast zehn Prozent der Flüchtlinge waren im vergangenen Jahr Vietnamesen. Sechs Prozent kamen aus Afghanistan und fünf Prozent aus Syrien.
Die Kosten für die Flüchtlingsunterkünfte, die das Land Berlin aufbringt, sind von 36 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf 40 Millionen Euro in diesem Jahr gestiegen.
Wie viele illegale Flüchtlinge ohne Antrag auf Asyl derzeit in Berlin leben, konnte die Senatsverwaltung nicht sagen. Im vergangenen Jahr seien 300 Menschen ohne Asylantrag aufgegriffen worden. Die zuständigen Hilfseinrichtungen würden melden, dass immer mehr EU-Bürger ohne Krankenversicherung nach Berlin kämen, um hier medizinische Leistungen zu nutzen.