Baden in der Spree, das ist zum Symbol für eine ökologische Zukunft geworden. Ein Forscher der TU bastelt an schwimmenden Kläranlagen aus Schilf. Sie könnten die Wasserflächen ziemlich verändern.

Erholsam war es ja nicht, das Bad in der Spree. Damals an der Oberbaumbrücke, vor rund 200 Jahren, lernte der Nachwuchs der preußischen Armee das Schwimmen. Die Jungs baumelten an Gurten von Kränen hinab und stießen zum Drill der Ausbilder mit Armen und Beinen ins Wasser. Wer danach noch Lust hatte und freiwillig durch die Spree schwamm, musste vorsichtig sein. Das Wasser war alles andere als sauber und nicht selten rammten Schleppkähne die Schwimmer.

Die Behörden machten vor rund 90 Jahren dann auch die letzte Badestelle in der Innenstadt dicht.

Wer heute über Schwimmen in der Spree spricht, denkt nicht an Drill, sondern an Freiheit. Badehose an und rein ins Wasser, am besten vor der Museumsinsel, wie es die Initiative „Flussbad Berlin“ verspricht. Schwimmen im Stadtgebiet wird zum Symbol. Es geht um sauberes Wasser und darum, wie man die Wasserfläche verteilt: Wie gehört den Bürgern? Was der Tourismusbranche? Was der Industrie? An Land gibt es längst diese Debatten, sie sind typisch für unsere Bürgergesellschaft. Dafür stehen Initiativen wie „Meedia Spree versenken.“ Auf dem Wasser ist es dagegen noch erstaunlich ruhig.

Große Stadt, kleiner Fluss

Vielleicht liegt es daran: Berlin ist eine große Stadt an einem kleinen Fluss. Während in Hamburg über die Außenalster überall Boote mit weißen Segeln gleiten, hat die Spree wenige derart glanzvolle Auftritte. Das fördert offenbar nicht gerade die Identifikation. Doch die Frage, wie die Wasserflächen künftig gestaltet werden, rückt ins politische Tagesgeschäft: Die Europäische Union hat hohe Ziele für die Qualität des Wassers bis 2015 gesetzt. Auch sollen Pflanzen und Fische in die Gewässer zurückkehren. Die EU schreibt vor, dass Bürger in die Planungen einbezogen werden. Derzeit erhebt die Initiative „Wasser bewegt Berlin“ ein erstes Stimmungsbild, allerdings kein repräsentatives: 47 Prozent der Berliner wünschen sich demnach öffentliche Wege und Grünanlagen am Ufer. Jeder Fünfte möchte in der Spree baden (Weitere Informationen dazu unter stadtgespraech-berlin.de)

Wer sehen will, was sich auf Berlins Wasserwegen ändern könnte, muss sich auf dem Forschungsgelände der Technischen Universität neben dem Botanischen Garten umschauen. Hier arbeitet Henning Günther seit Jahren an einem Projekt, das die Wasserbehörden angesichts der EU-Richtlinien kaum ignorieren können.

Der Forscher steht vor einem Becken, es sieht aus wie ein kleiner Gartenteich. Er zieht an mannshohem Schilf, bis er einen Wurzelballen in der Hand hält. Frösche springen und quaken im Wasser. Es ist ein gutes Zeichen, dass sie hier sind.

Guter Effekt für das Klima

Günther hat Inseln gebaut aus Schilfrohren und Maschendraht, die Leben spenden sollen. Sie schwimmen auf dem Wasser. Das hat Günther von der Natur abgeschaut. Im Delta der Donau etwa entstehen solche Inseln, wenn sich auf treibenden Pflanzenresten schließlich Schilf und andere Gewächse ansiedeln. Die Inseln wachsen, Sumpfgase und Wurzeln sorgen für Auftrieb. Das Material ist billig, nichts womit eine Firma viel Geld scheffeln könnte.

Umso größer aber wäre die Wirkung seiner Idee. Die Inseln sind wie schwimmende Kläranlagen, sie reinigen das Wasser. Die Wurzeln geben Sauerstoff ins Wasser ab, in diesem Umfeld leben Organismen, die faulende Reste und Schadstoffe abbauen. Ohne diesen Sauerstoff, würde das Wasser schwarz und lebensfeindlich. Aber das ist nicht der einzige Effekt der Inseln.

Günther rechnet vor: Würden seine Inseln nur auf einem Prozent der Berliner Wasserflächen schwimmen, dann hätte die Stadt 17.000 Hektar neue Grünflächen. Das sei beinahe so viel wie alle bestehenden Grünflächen in Berlin zusammen. Die Verdunstung der Pflanzen kühlt die Stadt, was ein Faktor mit Blick auf den Klimawandel werden könnte.

Allein: Die Spree hat ohnehin recht wenig Wasser im Stadtgebiet. Ob sie unter den derzeitigen Bedingungen so viel Wasser überhaupt abgeben könnte, darüber muss man noch nachdenken.

Das Dreckwasser säubern

Dagegen gibt es viele Vorzüge. Die Inseln schwimmen, sie passen sich den Wasserständen der Spree und der Kanäle an. Das ist wichtig, weil sich die Pegel gerade bei Regenfällen stark verändern. Das ist übrigens der schädlichste Einfluss auf die Spree: Derzeit vermischen sich Abwasser und Regenwasser in der Kanalisation, die Brühe schwemmt in den Fluss. Es gibt bereits Pilotprojekte, das Dreckwasser in Behältern aufzufangen. Das Prinzip ist recht aufwendig, und bisher ist unklar, ob die Stadt das nötige Geld bereitstellen wird, um die gesamte Spree zu entlasten. Auch die Inseln alleine könnten das Regenproblem nicht lösen, das räumt Günther ein. Berlin brauche ebene eine modernere Kanalisation, sagt der Forscher. Aber der Schmutz, den der Regen von den Dächern und Straßen ins Wasser spült, der würde mit seinen Inseln ganz sicher besser abgebaut.

Auch passen die Inseln zu den oft denkmalgeschützten Uferbefestigungen der Stadt, die baulich nicht zu sehr verändert werden dürfen. Am Landwehrkanal etwa, dort könnte Uferschilf entstehen, ohne die alten Ufermauern zu verändern. Der Kanal in Kreuzberg gehört ja zu den umkämpften Gewässern. Dort drücken die Wurzeln der Bäume gegen die alten Befestigungen. Eine Bürgerinitiative setzt sich dafür ein, dass die Bäume erhalten bleiben und der Landwehrkanal künftig mehr für private, umweltverträglichere Boote genutzt werde. Gegen die Lobby der Tourismusschiffe, die überdies nicht eben ein kleiner Wirtschaftsfaktor sind, hat sich die Initiative indes nicht behauptet. Die Besucherschiffe fahren weiter durch Kreuzberg, wenn auch nur in eine Richtung. Ob der Wellenschlag zu stark ist für die schwimmenden Inseln, das müsse man noch herausfinden, sagt Günther. Er hoffe auf einen guten Kompromiss zwischen Schifffahrt und Gestaltung der Uferbepflanzung.

Der Forscher hat gerade erst seine Doktorarbeit beendet und ist im Gespräch mit Behörden. Am Plänterwald in der Rummelsburger Bucht ist ohnehin geplant, die Ufer wieder zu bepflanzen. Dazu würden die schwimmenden Inseln gut passen.