Die Schrottsammler des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin holen täglich um die 30 Tonnen Abfall aus Fluss und Kanälen. Darunter sind erstaunlich viele Fahrräder, aber auch grausigere Funde.

Es ist ein schöner Sommermorgen auf der Spree. In der Stadt strömen die Menschen zur Arbeit, doch das bekommt man kaum mit. Auf dem Wasser ist es noch ruhig. Lediglich die ersten Fahrgastschiffe sind auf dem Fluss unterwegs. Doch Frank Mischke und Andreas Müller wissen, dass das Übel auch an diesem Morgen unter der Oberfläche lauert.

„Wir haben es heute nicht weit“, erklärt Mischke. „Es sind nur wenige hundert Meter bis zu der Stelle, an der wir Tiefen messen.“ Der gelernte Wasserbauer steht auf dem Deck der Arbeitsprahm OP 2819, einem Wasserfahrzeug mit geringem Tiefgang. Ausgestattet mit zwei Motoren lasse es sich sowohl vorwärts und rückwärts fahren, als auch seitwärts manövrieren, klärt Kollege Müller auf. Ideal also, um langsam und zielgenau an Spundwände, Uferkanten und Hauswände von Gebäuden zu gelangen, die in der Spree stehen. Was nicht selten der Fall in Berlins historischer Mitte ist. Auch seien Einsätze unter den Brücken und an stark bewachsenen Uferstreifen mit diesem Arbeitsschiff machbar.

Mitarbeiter messen die Tiefe

Der erste Arbeitsauftrag an diesem Tag führt die beiden Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) an eine Sportbootwartestelle oberhalb der Mühlendammschleuse. Am Rolandufer können Motor- und Segelboote festmachen und auf die Schleusung warten. „Dieser Platz ist ungefähr 30 Meter lang und soll in seiner Ausdehnung verlängert werden“, sagt Mischke. „Dort muss ein Tiefgang von 2,5 Metern gewährleistet sein. Wir werden entlang der Ufermauer und in verschiedenen Abständen davon die Tiefen peilen.“

Der Bootsführer wirft den Motor an, sein Kollege macht die Leinen los und das Arbeitsschiff aus Stahl nimmt Fahrt auf. Bei so einem Wetter ein schöner Arbeitsplatz, sind sich die zwei einig. In der Fahrrinne sind Dampfer auf dem Weg zu den Touristen an der Friedrichstraße und der Museumsinsel unterwegs, ein Boot der Wasserschutzpolizei fährt Streife. Man grüßt sich mit einem Kopfnicken. Während der kurzen Fahrt berichtet Müller von der Arbeit in den vergangenen Monaten. Durch den langen Winter hätte in diesem Jahr alles ein wenig später begonnen.

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„Wir haben zwei bis drei Tage vor dem Start in die Dampfersaison im Landwehrkanal unterhalb der Tiergartenschleuse eine Tiefe von nur 1,1 Meter gemessen“, sagt Müller. Normal an dieser Stelle seien 1,4 Meter. „Die Stelle muss wohl im Winter versandet sein.“ Mit einem Kranschiff wurde dann diese Stelle im Kanal wieder tiefer gemacht.

Reinigungen auf und unter der Wasseroberfläche

In den Monaten März und April waren Müller und Mischke mit der Arbeitsprahm viel auf dem Landwehrkanal unterwegs. „Bevor die Fahrgastschiffe in die Saison starten, müssen wir sicherstellen, dass keine Hindernisse für die Schifffahrt im Wasser treiben oder auf dem Grund liegen“, sagt Mischke. „Wir fahren langsam den Kanal entlang und befreien die schiffbaren Gewässer von Unrat, Holz, Flaschen, Müll und anderem Treibgut.“ Eine weitere Aufgabe dieser Schiffe ist es Schifffahrthindernisse, die auf dem Grund liegen, zu entdecken und zu beseitigen. Mit routinemäßigen Reinigungen und regelmäßigen Unterwasser-Enrümpelungen kommen die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin ihrer Verkehrssicherungspflicht nach.

Am Schiff sind in Abständen Stangen befestigt, die bis fast auf den Grund des Gewässers reichen. Am unteren Ende sind sie mit einer weiteren Stange untereinander verbunden. „Dieser Rahmen schleift in ungefähr 1,7 Metern Tiefe über den Grund“, erklären die Männer. Liegt auf dem Grund ein Hindernis, bleibt es an dieser Stange hängen und das Schiff stellt sich quer. Und es bleibt oft etwas hängen.

Ein grausiger Fund

„Durchschnittlich holen wir 30 Tonnen Schrott aus dem Wasser“, sagt Müller. „Es sind viele Mieträder der Deutschen Bahn dabei.“ Da seien etliche Teile aber schon weggefault, dass sich eine Reparatur kaum lohnen wird. „In der Nähe von Supermärkten finden wir immer Einkaufswagen im Wasser“, sagt Müller. Es gebe aber auch Stellen, wo sie in der Regel Mofas aus dem Wasser gezogen werden. Unter den Fundstücken sind auch Zigarettenautomaten und Geldschränke. „Tresore müssen wegen des hohen Gewichts von einem Kran aus dem Wasser gezogen werden“, erklären die Männer. „In so einem Fall bekommen wir Hilfe von Kollegen auf einem anderen Schiff.“ Da gibt es das Schiff namens „Waschbär“. Dieses Schiff schleift nicht nur einen Rahmen über den Grund, es arbeitet mit Peilung und Sensoren.

Mischke holt eine Schreibkladde und liest vor: „15 Einkaufswagen, 30 Fahrräder, 15 Bauzäune, zwölf Eisenteile, eine Bohrmaschine, ein Motorroller, zwei Zigarettenautomaten, ein Geldautomat, ein Kinderwagen.“ Die Gegenstände wurden allein im März dieses Jahres auf einer Strecke von zehn Kilometern aus dem Landwehrkanal gefischt. Ein besonders grausige Fund habe ein Kollege vor vielen Jahren machen müssen. Der musste ein Mofa aus dem Wasser holen, an dem ein Hund fest gekettet war.

Kommende Woche ist der Teltowkanal dran

Im Winter sind die Männer auch hin und wieder mit dem Auto unterwegs, wenn es um Ausholzungsarbeiten am Ufer geht. Auch eine Arbeit, die zur Verkehrssicherung gehört. „Wir mussten erst neulich eine Linde am Ufer des Teltowkanals fällen“, sagen sie. „Der Baum drohte, ins Wasser zu kippen.“

Die beiden Männer haben jetzt die Stelle erreicht, an der sie die aktuellen Tiefen messen sollen. Mit dem Hauptmotor und dem Peilmotor bewegen sie das Arbeitsschiff Meter für Meter vorwärts, messen und protokollieren die Ergebnisse. Gemessen wird in einem Meterabstand an der Ufermauer und dann jeweils zwei Messpunkte weg von der Befestigungsmauer in Richtung Flussmitte. Auf diese Weise entsteht eine Übersicht, wo eventuell die Tiefe nicht ausreicht und der Kran kommen müsste. „Wir sind heute nur zu zweit an Bord“, sagen sie. „Der Kollege sitzt im Büro und tippt die Ergebnisse früherer Messungen in den Rechner ein.“

Am späten Vormittag sind sie schließlich mit ihrer Arbeit unterhalb der Schleuse fertig. „Wir müssen jetzt rüber nach Neukölln“, sagen sie. Dort soll das Schiff übers Wochenende liegen bleiben. „In der kommenden Woche sind wir auf dem Teltowkanal unterwegs.“